Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 238: Die Hawking-Strahlung
Es gibt zwei Dinge die alle über Hawking-Strahlung wissen. Erstens: Sie hat etwas mit schwarzen Löchern zu tun. Und zweitens: Stephen Hawking hat sie entdeckt. Beide Aussagen sind richtig und das ist schon mal eine erste Überraschung angesichts der vielen Missverständnisse die über Schwarze Löcher im Umlauf sind. Ein paar davon habe ich ja schon in den Folgen 40 und 41 der Sternengeschichten angesprochen; unter anderem das sehr beliebte Missverständnis das schwarze Löcher Materie “ansaugen” würden. Das tun sie nicht; wenn man ausreichend Abstand zu ihnen hält dann passiert einem überhaupt nichts. Erst wenn man eine klar definierte Grenze – den sogenannten Ereignishorizont – überschreitet, wird es kritisch. Denn hat man diese Grenze einmal überschritten, dann kommt man nicht mehr zurück. Die Gravitationskraft des schwarzen Lochs wird hinter dieser Grenze so stark dass man keine Möglichkeit mehr hat, umzukehren. NICHTS kann zurück; nicht einmal Licht ist schnell genug und da nichts schneller als Licht ist, kann auch nichts mehr aus einem schwarzen Loch entkommen.
Nichts, bis auf die Hawking-Strahlung. Das war die Entdeckung die den britischen Astrophysiker im Jahr 1975 so berühmt gemacht hat. Er entdeckte einen Mechanismus der zeigt das auch schwarze Löcher nicht vollständig schwarz sind sondern Strahlung abgeben. Und hier fangen ein ganzer Haufen neuer Missverständnisse an.
Hawkings Erklärung ist eine mathematische, in der Phänomene aus der Quantenmechanik und der Relativitätstheorie auf eine äußerst originelle Weise miteinander verbunden werden. Ist man kein Experte für diese Gebiete und hat man keine Ahnung von Mathematik, dann hat man auch keine Chance zu verstehen was Hawking gemacht hat. Es braucht eine Übersetzung die auch allgemein verständlich ist. Bei der Hawking-Strahlung kann man überall, auch in der Fachliteratur, folgende Erklärung lesen:
Das Vakuum im Weltraum ist nicht wirklich komplett leer. Es können dort sogenannte virtuelle Teilchen entstehen. Paare aus Materie und Antimaterie die für enorm kurze Zeit aus dem Nichts entstehen und sich dann gegenseitig wieder vernichten. Wenn diese Teilchenpaare aber nun gerade in der Nähe des Ereignishorizontes eines schwarzen Loches entstehen, dann kann ein Teilchen hinter diese Grenze geraten und kommt nicht mehr weg. Dem anderen Teilchen fehlt nun der Partner für die gegenseitige Vernichtung und es fliegt einfach alleine drauf los und hinaus ins All. Ist das Teilchen das hinter dem Ereignishorizont verschwunden ist das Anti-Teilchen das eine negative Energie hat wird dadurch insgesamt die Masse des Lochs verringert. Von außen sieht man also wie das schwarze Loch ein bisschen leichter wird und gleichzeitig ein neues Teilchen von seinem Ereignishorizont hinaus in die Welt fliegt. Das ist die Hawking-Strahlung!
Diese weit verbreitete Erklärung hat den großen Vorteil dass man sie leicht verstehen kann. Sie hat allerdings den gravierenden Nachteil dass sie falsch ist. Diese Erklärung macht nämlich nur dann Sinn wenn man davon ausgeht dass die Hawking-Strahlung tatsächlich ausschließlich direkt am Ereignishorizont produziert wird. Aber genau das stimmt nicht.
Die mathematische Betrachtung zeigt dass die Hawking-Strahlung aus einem weit über den Ereignishorizont hinaus gehenden Bereich kommt. Es gibt quasi eine “Atmosphäre” aus Hawking-Strahlung und nicht eine scharf definierte Grenzlinie an der sie entsteht. Das Problem an der Sache ist jetzt allerdings: Es gibt kein simples, anschauliches Bild mehr um zu erklären was vor sich geht. Entweder man wird Experte für Quantenmechanik und Relativitätstheorie. Oder man akzeptiert das die Sache mit der Hawking-Strahlung nicht so einfach zu verstehen ist.
Zumindest nicht vollständig und nicht nach ein paar Sätzen. Man muss hier schon ein wenig weiter zurück gehen; zurück bis zu solchen fundamentalen Fragen wie: Was ist ein Teilchen? Und vor allem: Was ist das Vakuum? Die simple Antwort die wir anhand unserer Alltagserfahrung geben können lautet: Ein Teilchen ist ein Teilchen und ein Vakuum ist das wo keine Teilchen sind. Aber so einfach ist es natürlich nicht. Es kommt darauf an, wer die Beobachtungen anstellt und vor allem, wie schnell sich die Beobachter in Bezug aufeinander bewegen.
Das ist ja die große Erkenntnis der Einsteinschen Relativitätstheorie: Die Bewegung spielt eine wichtige Rolle. Die Geschwindigkeit spielt eine wichtige Rolle; um so mehr je näher sie an die Lichtgeschwindigkeit heran reicht. Und vor allem spielt die Beschleunigung eine Rolle. Das was für den einen Beobachter wie leerer Raum aussieht kann für einen beschleunigten Beobachter wie ein Haufen Teilchen aussehen.
Um das, zumindest ansatzweise zu verstehen müssen wir uns erst mal von der Idee verabschieden ein “Teilchen” sei irgendein konkretes Ding, eine Art kleine Kugel die halt da ist oder nicht. In der modernen Quantenmechanik beschreibt man Teilchen als Anregung eines Quantenfeldes. Es gibt also ein Feld – so wie das Gravitationsfeld oder ein Magnetfeld – und wenn man Energie in dieses Feld steckt, dann ploppt ein Teilchen heraus. Das ist natürlich auch nur eine sehr vereinfachte Darstellung aber besser als gar nichts…
Will man solche Felder beschreiben, dann braucht man ein Koordinatensystem das Raum und Zeit berücksichtigt. Und da wird es schon wieder knifflig. “Raum” und “Zeit” sind nicht unabhängig voneinander sondern können eigentlich, wie Albert Einstein gezeigt hat, nur als kombinierte Raumzeit betrachtet haben. Deswegen ändert sich ja auch bei einer schnellen Bewegung durch den Raum auch immer das, was wir als Zeit betrachten. Sie vergeht unterschiedlich schnell je nachdem wie schnell wir uns durch den Raum bewegen. Und jetzt wird es ein weiteres Mal kompliziert: Je nachdem wie schnell und wie stark beschleunigt man sich durch die Gegend bewegt ändert sich auch das was wir als Vakuum wahrnehmen. Denn ein Vakuum ist nicht “Nichts”. Das Vakuum ist voll mit den vorhin erwähnten Quantenfeldern aus denen aufgrund der den Quanten immer eigenen Quantenfluktuationen eben auch die virtuellen Teilchen entstehen können die ich ganz zu Anfang erwähnt habe.
Man kann sich ein Vakuum am besten als Ansammlung von Quantenfeldern vorstellen in denen so wenig Energie wie möglich steckt. Dieser niedrigste Energiezustand hängt jetzt aber von der Art der Bewegung ab! Energie wird in der Quantenmechanik als die zeitliche Veränderung der Wellenfunktion definiert (das ist das Ding mit dem man dort Teilchen beschreibt). Und da taucht wieder mal die quantemechanische Unschärfe auf. Da die Teilchen eben keine konkreten Dinger mehr sind sondern durch wellenartige Funktionen beschrieben werden kann man sie auch nicht konkret lokalisieren und sagen: GENAU DA ist eines! Man kann Ort und Geschwindigkeit eines Teilchens nie gleichzeitig exakt kennen; nicht weil man nicht so genau messen kann sondern weil es prinzipiell nicht geht. Da ist nichts, was gleichzeitig einen exakten Ort und eine exakte Geschwindigkeit haben kann!
Was für Ort und Geschwindigkeit gilt, gilt auch für Energie und Zeit. Für zwei unterschiedliche Beobachter die sich in unterschiedlichen Bewegungszuständen befinden vergeht die Zeit auch unterschiedlich schnell und sie werden zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen wenn sie die Energie im Vakuum beobachten. Genau diese Energie bestimmt ja nun aber wie viele virtuelle Teilchen dort entstehen können.
Oder anders gesagt: Dort wo der eine Beobachter leeres Vakuum sieht, sieht ein anderer Beobachter jede Menge Teilchen. Und die schwarzen Löcher? Dazu brauchen wir jetzt noch mal die Gravitation – und ein weiteres Mal die Relativitätstheorie. In der hat Albert Einstein ja auch festgestellt, das Gravitation und Beschleunigung zusammenhängen. Masse krümmt die Raumzeit und bewegen wir uns durch eine gekrümmte Raumzeit, dann spüren wir Gravitationskräfte, genau die gleichen Kräfte die wir aber zum Beispiel auch spüren wenn wir in einem sich beschleunigenden Auto gegen den Sitz gedrückt werden.
Und jetzt brauchen wir noch einen letzten komplizierten Gedanken: Ein schwarzes Loch ist – so wie ein Teilchen – kein simples Ding. Es ist ein dynamischer Prozess und beschreibt eine in sich selbst kollabierende Raumzeit. Man kann nun zwei Beobachtungen vergleichen: Einmal den Raum bevor sich das schwarze Loch gebildet hat und angefangen hat die Raumzeit durcheinander zu bringen. Und einmal den Raum in dem das schwarze Loch sitzt und der kollabiert. Diese zwei Beobachter haben Koordinatensysteme die in Bezug aufeinander beschleunigt sind.
Und das ist der Punkt um den sich alles dreht! Die unterschiedlichen Koordinatenysteme sorgen für einen unterschiedlichen Blick auf das Vakuum. Der eine sieht nix, der andere sieht jede Menge Teilchen. Diese Teilchen sind die Hawking-Strahlung!
Die Hawking-Strahlung ist also quasi das, was das schwarze Loch aus dem Vakuum gemacht hat, das zuvor da war. Diese Erklärung ist leider ein wenig komplizierter und deutlich länger als die Geschichte mit den Teilchenpaaren am Ereignishorizont. Aber zumindest ist sie ein klein wenig richtiger…
P.S. Ich habe mich bei der Erklärung sehr an diesem sehr guten Artikel von Sabine Hossenfelder orientiert. Es ist aber durchaus möglich das ich etwas falsch verstanden habe. Für Korrekturvorschläge, falls nötig, bin ich dankbar.
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