DAS wissenschaftliche Thema das uns in den letzten Monaten (und auch davor) alle beschäftigt hat war der Klimawandel. Der ist jetzt irgendwie aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden, genau so wie fast alles andere was nicht mit der Coronakrise und der Covid-19-Pandemie zu tun hat. Aber nur weil wir momentan alle mit dem Virus beschäftigt sind verschwindet der Rest der Welt ja nicht. Und auch nicht die Probleme, die wir vorher hatten. Die Pandemie wird irgendwann vorbei sein. Und die Klimakrise wartet dann schon wieder auf uns…
Ich bin sehr gespannt, wie wir dann damit umgehen werden. Denn all die “Argumente” derjenigen die das mit Klimawandel und Klimaschutz nicht so eng gesehen haben, sind durch die Coronakrise hinfällig geworden. Wenn es um die Reduzierung der Treibhausgasemissionen geht, um den Umstieg auf erneuerbare Energien, und so weiter: Dann hat man ja immer gerne gehört, dass wir da “Anreize” setzen müssen; das den “Markt regeln” lassen müssen; die “Menschen überzeugen” müssen – aber irgendwas verbieten oder vorschreiben könne und dürfe man auf keinen Fall. Nun ja. Wie schnell die Politik Dinge vorschreiben und verbieten lassen kann, das sehen wir gerade sehr gut. Und wir tragen all die Verbote, Einschränkungen und anderen Maßnahmen durchaus freiwillig mit – weil die Coronakrise etwas ist, von dem wir uns unmittelbar bedroht fühlen. Wir sehen ja leider sehr eindrücklick wie überall auf der Welt Menschen sterben und Gesundheitssysteme kollabieren. Der Klimawandel hat uns dagegen nie den Gefallen getan so richtig direkt bedrohlich zu sein. Der findet langsam statt, die Auswirkungen sind subtil und selbst wenn sie ab und zu dramatisch sind, haben wir dennoch immer irgendwie das Gefühl, dass das ja “erst in Zukunft” passiert; dass das irgendwo “weit weg” passiert und das alles schon irgendwie weiter gehen wird und wir jetzt nicht sofort was machen müssen.
Was absolut falsch ist! Wenn wir eine Chance haben wollen die Sache mit dem Klima noch halbwegs in den Griff zu kriegen, dann müssen wir sofort etwas tun. Und eben nicht nur nett fragen und die Menschen bitten, doch weniger mit dem Auto und dem Flugzeug durch die Gegend zu reisen. Sondern – auch – konkrete politische Maßnahmen setzen. Es muss ja nicht so extrem sein wie jetzt, auch wenn die aktuellen Einschränkungen durchaus positive Auswirkungen auf Klima- und Umweltschutz haben.
Was man zum Beispiel mit den Satelliten sehr schön beobachten kann, die nicht hinaus ins ferne All blicken sondern zurück zur Erde. Die Erdbeobachtung ist gerade besonders spannend, wie vor allem die Sentinel-Satelliten der Europäischen Weltraumagentur zeigen. Die sind unter anderm dazu da, Schadstoffe wie Stickstoffdioxid zu messen. Die kommen vor allem aus unseren ganzen Autos und weil momentan eher wenig durch die Gegend gefahren und gereist wird, hat das Auswirkungen auf die Luftverschmutzung:
Hier sieht man die Menge an Stickstoffdioxid über Italien und Frankreich; einmal im März 2019 und im Vergleich dazu in einer Woche des März 2020. Und ganz dramatisch ist der Rückgang der Luftverschmutzung in China:
Aber nicht nur die Luftverschmutzung wird weniger, auch die ausgestoßenen Treibhausgase sinken. Nicht nur, weil weniger gefahren und geflogen wird, sondern auch weil Arbeitsplätze geschlossen werden; weniger Energie benötigt wird und weniger Industriearbeit stattfindet. In China sind die CO2-Emissionen Anfang des Jahres um 25 Prozent gesunken. Der Verkehr in New York ist um 35 Prozent gesunken was einer 10prozentigen Reduktion des CO2-Ausstoßes entspricht (Die Verringerung des öffentlichen Verkehrs kann man übrigens auch sehr schön vom Weltall aus sehen).
In Deutschland rechnet man mit einer Verringerung des CO2-Ausstoßes durch die Corona-Pandemie von bis zu 100 Millionen Tonnen; wenn die Einschränkungen kürzer dauern sollten, dann sind es immerhin noch 30 Millionen Tonnen. Was eine nicht zu vernachlässigende Menge ist: Im gesamten Jahr 2019 hat Deutschland circa 800 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Das bedeutet, dass Deutschland im Jahr 2020 vermutlich um die 670 Millionen Tonnen ausstoßen wird. Was nichts anderes heißt als das das selbstgesetze Klimaziel der Regierung einer Reduktion der CO2-Emissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 entgegen aller bisherigen Prognosen doch noch erreicht werden wird. Nicht nur erreicht, sondern sogar überschritten!
Hat die Coronakrise also doch etwas gutes? Lösen wir damit vielleicht auch gleich die Klimakrise? Eher nicht… Natürlich ist jede Tonne CO2 gut die nicht in die Atmosphäre entlassen wird. Aber das was jetzt passiert ist mit Sicherheit keine nachhaltige Strategie in Sachen Klimaschutz (was übrigens auch die World Meteorological Society so sieht). Abgesehen davon dass wir die ganzen Einschränkungen die jetzt stattfinden definitiv nicht dauerhaft durchhalten können (und aus jeder Menge offensichtlichen Gründen auch nicht sollen): Ich habe die Befürchtung, dass sie langfristig nicht einmal irgendeinen Effekt haben. Was werden wir denn tun, wenn wir wieder Wohnung, Stadt und Land verlassen können? Wir werden auf Urlaub fahren; dann erst Recht! Die Industrie wird wieder anlaufen; dann erst Recht und eventuell sogar mehr als vorher und so schnell wie möglich, ohne Rücksicht auf Klimaschutz. Das, was wir jetzt an Emsissionen einsparen werden wir später wieder wieder in die Luft pusten und noch ein bisschen extra oben drauf!
Vielleicht irre ich mich ja auch und vielleicht lernen wir wirklich etwas aus der ganzen Sache. (Hoffentlich) Nicht, dass wir die Menschen zuhause einsperren müssen um die Umwelt zu schützen. Aber vielleicht lernen wir, dass wir unser Wirtschafts- und Arbeitsleben ja doch ein wenig anders organsieren können. Dass Home Office doch funktioniert, auch da wo es zuvor gehießen hat es würde nicht funktionieren und das nicht alle ständig mit dem Auto von zuhause zum Arbeitsplatz fahren müssen. Dass wir nicht alles “Just in Time” irgendwo auf der Welt produzieren lassen und per Flugzeug, LKW und Schiff durch die Gegend transportieren lassen. Wir lernen gerade sehr intensiv dass eine andere Welt durchaus möglich ist. Momentan ist es eine Welt, die wir eher nicht dauerhaft haben wollen. Aber vielleicht kriegen wir ja am Ende doch eine andere und bessere Welt hin…
So oder so. Die Klimakrise geht nicht weg. Sie macht keine Pause, nur weil wir gerade mit dem Virus beschäftigt sind. Unsere Hausaufgaben warten auf uns und sie werden nicht einfacher werden.
Kommentare (10)