Morgen ist es wieder einmal an der Zeit, sich u.a. vom Land NRW (gem. Gesetz
über die Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz NW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. April 1989, §6 (Fn4)) u.a. die
„Vorführung von Filmen, die nicht vom Kultusminister oder der von ihm bestimmten Stelle als zur Aufführung am Karfreitag geeignet anerkannt sind“
und
„Veranstaltungen, Theater- und musikalische Aufführungen, Filmvorführungen und Vorträge jeglicher Art, auch ernsten Charakters, während der Hauptzeit des Gottesdienstes“
verbieten zu lassen.
Ähnlich wie Sonderrechte für Religiöse sind solche religiösen Sonderverbote natürlich eine Unsäglichkeit, eine in groteskem Maße obsolete, oktroyierte Respektsbekundung gegenüber einer von einer bestimmten Bevölkerungsgruppe geteilten Wahnvorstellung, derzufolge man an diesem Tage dem grausigen Ende eines hypothetischen haploiden Handwerkers mit Vaterkomplex zum grundüblen Zwecke einer universellen stellvertretenden Sündenverbüßung ernst und trauernd zu gedenken hätte.
Jedesmal, wenn ich gezwungen werde, mir zu vergewärtigen, wie weit wir noch von der dringend nötigen Privatisierung der Religion entfernt sind und daß ich in einer Welt leben muß, in der die Religionen noch immer eine solche Rolle spielen und einer solchen Duldung begegnen, frage ich mich: woher kommt nur der Respekt vor diesem Irrsinn? Wieso wird Glaube und Religiosität, also das mutwillige, hartleibige Ignorieren von Evidenz, das unhinterfragte Sichunterordnen unter oft menschenfeindliche Dogmen, das unbegründete Fürwahrhalten absurdester Ideen noch immer als Tugend mißverstanden?!
Man kennt doch inzwischen sowohl die psychologischen Mechanismen als auch die evolutionsbiologische Grundlage und ethnologische Herkunft von Religionen und Religiosität. Warum genügt es nicht, den Gläubigen ihren Glauben zu lassen, so wie man andere Laster ja auch toleriert, solange sie anderen Menschen nicht schaden, ohne dabei zugleich zu suggerieren, daß eine solche banale Bedürfnisbefriedigung, wie das Unterhalten derartiger Vorstellungen sie darstellt, etwas Gutes und Löbliches sei? Ich begreife einfach nicht, wie in einer aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft, deren Fortbestand grundlegend abhängig ist von Wissenschaft und Vernunft, von der Beachtung bewiesener Fakten und der Begründung von Entscheidungen auf Evidenz und trotz der sich türmenden Beispiele für Gelegenheiten, zu denen sich die Religionen als jeden Respekts für vollkommen unwürdig erwiesen haben, solche Vorstellungen immer noch mit Samthandschuhen angefasst und vorsichtigst auf Zehenspitzen umschlichen werden!
Ein (noch nicht so oft gehörtes) Beispiel? Gerne. Haben Sie schon einmal von Symphysiotomie gehört? Dieser Begriff bezeichnet eine Prozedur, bei der die Knorpelverbindung zwischen den Schambeinen des Beckenknochens, die Symphyse, durchtrennt wird und wonach sich das Becken regelrecht aufklappen lässt. Dieser schmerzhafte Eingriff wurde bis in die 1980er Jahre von katholischen irischen Ärzten aus religiösen Gründen an Tausenden Frauen oftmals ohne deren Zustimmung durchgeführt. Die Symphysiotomie wurde dabei als Methode beworben, das Becken permanent zu weiten und so eine unbegrenzte Anzahl von Vaginalgeburten zu ermöglichen statt durch die Durchführung von Kaiserschnitten bei schwierigen Geburten die Anzahl möglicher Folgegeburten begrenzen (vier Kaiserschnittgeburten sind das Maximum) und die Frauen damit in ihrer gottgegebenen Funktion als Gebärmaschinen einschränken zu müssen. (Die Betroffenenen, die einander am charakteristischen Humpeln erkennen, haben sich inzwischen zusammenschlossen und erwägen eine Klage; wer hart im Nehmen ist, kann sich hier eine englische Dokumentation dazu ansehen und wer es ganz genau wissen will, lese die Dissertation von J. Morrissey über den Einfluss der Katholischen Kirche auf die irische Medizin).
Angesichts solcher und zahlloser anderer Monstrositäten, die der Katholizismus aber auch andere Religionen zu verantworten haben, sehe ich mich tatsächlich ganz außerstande, an irgendeinem Freitag oder zu einem anderen Zeitpunkt Respekt für Religion und religiöse Vorstellungen aufzubringen, denn ich meine, daß Respekt und Achtung immer verdient sein müssen und ebenso wenig abgenötigt oder erzwungen werden können und dürfen, wie der (Un)Glaube an irgendetwas. Ich würde mir deshalb wünschen, daß mehr Atheisten und Konfessionsfreie mit der Konvention des vorzutäuschenden Respekts brechen, den sie zwar nicht empfinden aber eben öffentlich aufführen zu müssen meinen und ich wünsche mir, daß mehr glaubensfreie Menschen der intellektuellen Feigheit entsagen, die sie davon abhält, die Wahrheit auszusprechen.
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