Wenn man am Sonntagabend Perseiden guckt, hat man viel Gelegenheit, sich den Sternenhimmel anzuschauen. Bei der MoFi neulich hatte ich ja schon das Sommerdreieck kurz vorgestellt. Wenden wir den Blick nun nach Nordosten, grob in die Richtung, aus der uns die Perseiden entgegen kommen.
Kassiopeia
Das Himmels-W (oder manchmal -M) der Kassiopeia ist einfach zu finden. Gegen Mitternacht steht Kassiopeia im Nordosten ca. 45° hoch, genau halbe Strecke zwischen Horizont und Zenit. Das Sternbild aus den 5 nahezu gleich hellen Sternen ε (Segin), δ (Ruchbah), γ, α (Schedir) und β (Caph) (von Ost nach West) ist sehr einprägsam. Es ist in unseren Breiten zirkumpolar, d.h. es geht niemals unter, sondern wandert in Nordstellung dicht über den Horizont. Es steht dem noch bekannteren Großen Wagen (der eigentlich ein Großer Bär, pardon, eine Große Bärin ist: Ursa ist die weibliche Form von Ursus, dem Bären, und der Große Wagen ist ein Asterismus darin) gegenüber und zwischen den beiden liegt mittig der Polarstern.
Die Kassiopeia war in der griechischen Mythologie die Gemahlin des Königs Kepheus von Aithiopia (in der Antike gleichbedeutend mit Afrika südlich von Ägypten und Libyen). Sie war eitel und wagte es, sich als noch schöner als die Nereiden, Meeresnymphen und Töchter des Meeresgottes Nereus, zu bezeichnen. Diese beschwerten sich darüber bei Poseidon, der darauf ein Meeresungeheuer, Ketos (auch ein Sternbild, lat. Cetus, zu deutsch Walfisch), schuf, das fortan die Küsten Aithiopias verwüstete. Kepheus und Kassiopeia waren verzweifelt. Ein Seher riet ihnen dann, ihre Tochter Andromeda dem Ketos zu opfern, um die Plage zu beenden, und weil das Volk dies ebenfalls befürwortete, kamen sie dem Rat schweren Herzens nach und schmiedeten ihre einzige Tochter mit Eisenketten an einen Felsen an der Küste. Wie es der Zufall so will, kam Perseus, ein Sohn des Zeus, auf fliegenden Sandalen daher und fand die angekettete Andromeda und ihre wehklagenden Eltern. Im Handgepäck trug er das Haupt der Gorgone Medusa, aus dem Schlangen anstelle von Haaren wuchsen, und jeder, der sie erblickte, erstarrte sofort zu Stein. Die Tötung der Medusa war ihm einst als Prüfung auferlegt worden, und mit Pallas Athenes Hilfe und einem Spiegel war er es ihm gelungen, der Medusa im Schlaf den Kopf abzuschlagen. Aus dem Blut war unter anderem Pegasus, ein geflügeltes Ross, entsprungen. Reichlich ausverschämt erbat Perseus nun Andromedas Eltern um deren Hand für ihre Errettung und erhielt gleich noch das ganze Königreich versprochen. Als Ketos auftauchte, zeigte Perseus dem Untier das Medusenhaupt und das Seeungeheuer versank sofort im Meer. Perseus heiratete Andromeda, aber Kassiopeia kam nicht ganz straflos davon – für ihre Eitelkeit wurde sie auf einem Thron an den Himmel versetzt, der um den Himmelspol kreist, so dass sie sich an ihm festklammern muss, um nicht herunter zu fallen. Auch die anderen Protagonisten finden wir am Himmel wieder – einschließlich der Medusa (s.u.)
Kassiopeia steht am Himmel ziemlich genau gegenüber unserem Nachbarstern α Centauri (Rigil Kentaurus), so dass die Sonne von dort aus gesehen ein Teil des Sternbilds wäre und das W östlich zu einer Zickzacklinie fortsetzen würde.
Tycho Brahes Supernova fand 1572 in der Kassiopeia statt und eine weitere Supernova 1680, die nicht sehr hell gewesen war, aber die nach der Sonne stärkste Radioquelle am Himmel hinterlassen hat, Cassiopeia A.
Interessant ist der Stern γ, bei dem es sich um einen eruptiven Veränderlichen handelt, der irregulär innerhalb von Jahrzehnten zwischen 1,6m und 3,0m variiert und zu den schnell rotierenden Be-Sternen gehört, wie sie bei den Plejaden kennengelernt haben. Das eigentlich interessante ist aber die Geschichte seines Namens. Er hat nämlich trotz seiner Helligkeit keinen klassisch arabischen Namen. Wikipedia gibt nur den chinesischen Namen Tsih an, aber viele Sterne haben in der chinesischen Mythologie ganz andere Namen als in der ptolemäisch-arabischen, die wir im Westen verwenden. In der Stellarium-Karte unten erscheint er als Navi.
Dieser Name geht tatsächlich auf die Besatzung von Apollo 1 zurück (die tragischerweise vor ihrem Flug bei einem Test am Boden durch ein Feuer in der Kapsel ums Leben kam). Diese bestand aus Virgil Ivan (“Gus”) Grissom (zweiter Amerikaner im All mit Mercury Liberty Bell 7), Edward Higgins White II (erster amerikanischer Weltraumspaziergänger auf Gemini 4) und dem Weltraum-Rookie Roger Chaffee. Die Apollo-Teams erhielten als Navigationshilfe Listen mit 37 Sternen, die sie am Himmel aufspüren können sollten, darunter γ Cassiopeiae (ohne Eigennamen), γ Velorum (Suhail) und ι (Jota) Ursae Majoris (Talitha). Grissom vereinbarte heimlich mit Tony Jenzano, Leiter des Planetariums Chapel Hill, der die Liste erstellte und immer für einen Scherz zu haben war, drei neue Sternnamen einzutragen: Navi (Grissoms zweiter Vorname rückwärts) für γ Cas, Dnoces (“Second”, der Zweite, rückwärts, wegen White II) für γ Vel und Regor (Chaffees Vorname rückwärts) für ι UMa, ohne dass dies zunächst irgend jemandem auffiel. Der Direktor des Griffith Observatoriums in Los Angeles schrieb sogar später einen Artikel über die Liste in einem Monatszirkular, bei der er selbstverständlich keinen Zweifel an der Seriosität hegte, sie kam schließlich direkt von der NASA. Andere Zeitschriften wie Sky & Telescope beriefen sich auf diese Quelle und so kamen die Namen in Umlauf und auf die Sternkarten, sogar auf die aktuelle von Stellarium. Erst in den 1980ern fielen die falschen Namen drei Experten auf,als sie ein Buch über den Ursprung von Sternnamen schrieben. Apollo 15 Astronaut Dave Scott wusste um die Entstehung der Namen und lüftete ihren Ursprung schließlich. Die Namen werden nun nicht mehr offiziell gelistet, sie werden aber von der NASA in Angedenken des Apollo-1-Unglücks weiter verwendet.
Perseus
Gleich unterhalb von Kassiopeia finden wir den Perseus; der Radiant der Perseiden liegt auf der Grenze der beiden Sternbilder (siehe Karte). Der hellste Stern des Perseus ist Mirfak, ein gelber Überriese. Um ihn herum findet sich eine Gruppe weiterer junger Sterne, die mit ihm den Alpha-Persei-Sternhaufen bilden, auch als Perseus OB3-Assoziation bekannt.
Weiter unten in der Astgabel, welche die Hauptlinien des Sternbilds bilden, findet sich im westlichen (rechten) Zweig der Stern Algol, den man sich merken sollte. Algol (arabisch al-gul, der Dämon) steht seit antiker Zeit für das Medusenhaupt. Es ist wahrscheinlich, dass schon den alten Ägyptern aufgefallen war, dass der Stern mit 2,87-tägiger Periode seine Helligkeit für wenige Stunden um mehr als eine Größenklasse zwischen 2,1m und 3,4m variiert – sein unmittelbarer Nachbar ρ (Rho) Persei (selbst ein langperiodischer Veränderlicher) hat eine ähnliche Helligkeit wie Algol im Minimum und eignet sich zum Schnellcheck (ich schaue eigentlich immer, wenn Perseus zu sehen ist, auf die beiden und habe manches Minimum auf den ersten Blick gesehen; wenn beide Sterne etwa gleich hell sind, ist es wieder soweit). Mit dem bloßen Auge kann man die Helligkeit bis auf 1/10 Größenklasse bestimmen, indem man sie anhand von Vergleichssternen bekannter Helligkeit abschätzt. Es macht Spaß, den Lichtwechsel zu verfolgen und über die Zeit aufzutragen (hier eine Lichtkurve und unten eine Karte mit den Helligkeiten von Vergleichssternen). Das geht auch ganz gut von nicht perfekt dunklen Orten aus. Leider haben wir an diesem Wochenende kein Algol-Minimum, das wir beobachten können. Das nächste für uns sichtbare findet am 19.08. gegen 3h in der Frühe statt und beginnt ca. 4,5 h vorher am 18.08. gegen 22h30. Auf dieser Seite kann man unten einen Link für die aktuellen Algol-Minima-Zeiten finden.
Der Grund für den Lichtwechsel von Algol ist, dass er ein Bedeckungsveränderlicher ist, also ein enges Doppelsternpaar mit verschieden hellen Komponenten, die sich gegenseitig bedecken. Mit heutiger Interferometrie-Technik kann man die beiden Sterne tatsächlich sichtbar machen und ihren Umlauf umeinander verfolgen:
Die Aufnahme hat eine Auflösung von ungefähr 0,5 Millibogensekunden, was etwa der Hälfte des Durchmessers einer Cent-Münze in Paris aus der Entfernung von New York gesehen entspricht. Die Sterne sind nur 930.000 km voneinander entfernt und die helle A-Komponente zapft Materie von der B-Komponente ab, welche ursprünglich massereicher war und sich beim Übergang zum Riesenstadium bis über die Roche-Grenze aufblähte, so dass die A-Komponente beginnen konnte, B anzuzapfen und selbst massereicher zu werden. Wie man in dem Clip oben sieht, kommt es eigentlich sogar zu zwei Bedeckungen: bei Phase 0 (Zahlen unten links im Bild) bedeckt die dunklere B-Komponente die hellere A-Komponente, das ist die tiefe Verdunklung, von der hier die Rede ist. Bei Phase 0,5 bedeckt die hellere A-Komponente die dunklere B-Komponente und es gibt nur einen kleinen Helligkeitsabfall. Algol war der erste bekannte (und als solcher erkannte) Bedeckungsveränderliche, die deswegen auch als Algol-Veränderliche bezeichnet werden. Wir haben in früheren Artikeln bereits mehrere kennengelernt (z.B. Mintaka oben rechts im Gürtel des Orion und ε Aurigae, Almaaz im Sternbild Fuhrmann).
Ein weiteres kurioses Objekt im Perseus ist der Doppelsternhaufen h und χ (gr. Buchstabe chi), der auf halber Strecke zwischen Kassiopeia und Perseus liegt. Eigentlich werden Sterne mit latienischen oder griechischen Buchstaben bezeichnet, aber unter dunklem Himmel erkennt man mit bloßem Auge schon, dass die beiden 3,7m und 3,8m hellen “Sterne” ein wenig verwaschen wirken. Im Feldstecher und noch besser im kleinen Teleskop sieht man, dass es sich in Wahrheit um ein Paar von offenen Sternhaufen handelt, das einzigartig am Himmel ist (und um das uns die australischen und neuseeländischen Hobbyastronomen beneiden, die es nie zu Gesicht bekommen). Die Sternhaufen sind Charles Messier durchgegangen und haben keine Messier-Nummer, werden aber alternativ als Caldwell 14 und NGC 869 / NGC 884 geführt. Sie sind 7500 Lichtjahre entfernt und enthalten zusammen und mit ihrer Umgebung mehr als 20.000 Sonnenmassen, darunter je Sternhaufen mehr als 300 blauweiße Überriesen bis zur Spektralklasse B0. Mit nur 12,8 Millionen Jahren sind sie sehr junge Sternhaufen.
Andromeda
Zur Rechten (westlich) von Perseus und Kassiopeia finden wir eine Kette von drei etwa gleich hellen Sternen, Almach (γ Andromedae), Mirach (β) und Alpheratz (α), welche die Andromeda repräsentieren sollen. Almach ist ein sehr hübscher, zweifarbiger Doppelstern mit einem orangefarbenen K3-Überriesen und einer blauen B9,5-Komponente, die selbst spektroskopisch dreifach ist, also im Teleskop wie ein Stern erscheint. Die beiden Komponenten sind ca. 10 Bogensekunden voneinander entfernt und leicht im kleinen Teleskop zu trennen. Bei ihrer Entfernung von 350 Lichtjahren entspricht dies ca. 1000 AE Abstand der Komponenten voneinander.
Die eigentliche Attraktion des Sternbilds ist jedoch die Große Andromedagalaxie oder auch Andromedanebel, Messier-31. Sie ist die große Gegenspielerin der Milchstraße in der lokalen Gruppe, von ähnlicher Masse und Größe. Eine jüngere Veröffentlichung schreibt ihr eine Masse von 0,8-1,6 Billionen Sonnenmassen zu (inkl. Dunkler Materie), das entspricht ziemlich genau dem aktuell zitierten Wertebereich der Milchstraßenmasse. Die Andromedagalaxie ist 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt und damit das entfernteste Objekt, das man mit dem bloßen Auge sehen kann. Denn mit 3,4m ist sie bei dunklem Himmel problemlos als mattes Nebelwölkchen (eben: Andromedanebel) zu erkennen. Noch besser klappt es mit optischer Hilfe eines Feldstechers, denn ihre Flächenhelligkeit ist gering. Im Teleskop ist sie hingegen zu groß, um komplett ins Blickfeld zu passen. Was man bei ihrem Anblick nicht realisiert, ist dass ihr Durchmesser mehr als 7 Vollmonddurchmessern entspricht. Allerdings sieht das bloße Auge nur den hellen Kern (siehe Foto) und der ist kleiner als der Vollmond. Sie wird von einigen Zwerggalaxien (z.B. M110 und M32, siehe Foto) und zahlreichen Kugelsternhaufen begleitet, für deren Aufspüren es allerdings eines Teleskops bedarf.
M31 war die erste Galaxie, die als außerhalb der Milchstraße liegend erkannt wurde. Vermutet wurde dies schon am Ende des 19. Jahrhunderts; 1885 leuchtete eine Supernova in M31 auf, die man zuerst für eine näher gelegene Nova hielt. Nach der Jahrhundertwende wurde dann nachgewiesen, dass das Spektrum von M31 sich von den Linienspektren von Gasnebeln unterschied und wie ein Sternspektrum aussah. Vesto Slipher wies nach, dass die Galaxie sich mit 300 km/s näherte, was für ein galaktisches Objekt ungewöhnlich schnell war. Mit größeren Teleskopen und Fototechnik gelang es, die Außenbereiche in Einzelsterne aufzulösen. Aber erst 1923 war es Edwin Hubble, der ihre Entfernung durch die Cepheidenmethode bestimmte (auch wenn der damals bestimmte Wert noch viel zu klein war) und die Frage endgültig klären konnte.
Die Andromedagalaxie ist eine der ganz wenigen Galaxien, die sich nicht von uns entfernen, sondern im Gegenteil nähert. Das liegt daran, das Milchstraße und M31 gravitativ aneinander gebunden sind und somit nicht von der Hubble-Expansion auseinandergetrieben werden, wie das für den größten Teil des Universums der Fall ist. Vor ein paar Jahren konnte nachgewiesen werden, dass diese Bewegung keine nennenswerte Seitwärtskomponente hat, sondern dass M31 auf Kollisionskurs mit der Milchstraße ist. In etwa 5 Milliarden werden die beiden kollidieren und sich zu einer Riesengalaxie vereinen, ein Prozess, der selbst Milliarden Jahre lang dauern wird. Kollisionen von Sternen wird es so gut wie keine geben, nur Gas und Staub werden kollidieren und einen Schub heftiger Sternentstehung einleiten, mit zahlreichen Supernovae, so dass es durchaus eine Weile ungemütlich werden wird. Viele Sterne werden in den intergalaktischen Raum katapultiert werden, einige in Richtung des Zentrums. Am Ende wird wahrscheinlich eine große elliptische Galaxie das Ergebnis sein, die Spiralstruktur beider Galaxien wird vollkommen verloren gehen und das meiste Gas zur Sternentstehung verbraucht werden. Elliptische Galaxien sind arm an jungen Sternen und leuchten daher orange-rot.
Aber bis dahin ist es noch eine Weile hin.
Gerne hätte ich Euch noch ein paar andere Sternbilder vorgestellt, den Pegasus, den Skorpion, den Schützen, den Bärenhüter, den Herkules, den Drachen, aber vor den Perseiden wird das nichts mehr. Die folgen dann ein andermal, der eine oder andere Abendspaziergang wird im Spätsommer ja noch drin sein und es wird nun auch wieder früher dunkel.
UPDATE:
In der Kassiopeia befindet sich derzeit der Komet 21P/Giacobini-Zinner, der allerdings nicht übermäßig hell ist und mindestens einen größeren Feldstecher > 50 mm Öffnung benötigt. Wer ihn suchen will, findet ihn links vom Himmels-W. Hier Aufsuchkarten.
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