Irgendwas ist hier faul! Es könnte natürlich wirklich so sein, dass das Universum generell ein vollkommenes ungeordnetes Dingens ist, in dem sich immer wieder mal alles spontan zu niedrig-entropischen, geordneten Zuständen zusammenfindet. Das sich zufällig die Atome des Universums so annordnen um uns alle, komplett mit den passenden Erinnerungen an eine Vergangenheit die nie stattgefunden hat zu erzeugen, ist unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Aber wenn dir diese Möglichkeit in Betracht ziehen, dann sind wir sowieso verloren. Denn unsere Überlegungen basieren ja auf physikalischen Gesetzen deren Gültigkeit wir aus der Beobachtung der Natur gewonnen haben. Wenn diese Beobachtungen aber nie wirklich stattgefunden haben, dann müssen sie auch nicht richtig sein und damit könnten auch unsere Schlußfolgerungen über Entropie, Zeit und schmelzende Eiswürfel müßig sein.
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Was also tun? Die Idee mit der Entropie und dem Zeitpfeil scheint gut zu funktionieren, wenn wir sie nur in eine Richtung – die Zukunft – anwenden. Die physikalischen Gesetze sagen uns aber, dass wir sie auch in die Vergangenheit anwenden müssten und dort lauert logisches Chaos und Wahnsinn 😉 Wie kommen wir da wieder raus?
Greene sagt, wir müssen nochmal einen Schritt zurück gehen. Bleiben wir beim Hühnerei. Das ist, wie wir schon festgestellt haben, ein System in einem Zustand niedriger Entropie. Veränderungen an diesem System führen zu Zuständen höherer Entropie (zerbrochenes Ei). Wenn wir also jetzt ein intaktes Ei vor uns haben, dann rechnen wir damit, dass es sich in Zukunft irgendwan in ein kaputtes Ei verwandeln wird (wieder der zweite Hauptsatz). Und anstatt jetzt wieder mit der Zeitsymmetrie der physikalischen Gesetze anzufangen, sollen wir uns lieber überlegen, wie denn das Ei überhaupt in seinen Zustand niedriger Entropie gelangte, meint Greene. Eier kommen aus Hühnern, das wissen wir. Und wie jedes andere Lebewesen ist ein Huhn ein System, das niedrigentropische Energie (z.B. in Form von Nahrung) aufnimmt und hochentropische Energie (z.B. in Form von Wärme) abgibt. Warum hat jetzt aber die Nahrung des Huhns (Pflanzen bzw. Tiere) eine niedrige Entropie? Die stammt aus der Sonne, ebenfalls ein geordnetes, niedrigentropisches System. Die stammt aus einer Gaswolke, usw. Irgendwann landen wir dann bei einem Moment kurz nach dem Urknall als das Universum von einem fast gleichförmig heißen Gas gefüllt war. Das war ein Zustand sehr niedriger Entropie und unsere heutige Ordnung (mitsamt den intakten Hühnerei) ist ein Überbleibsel dieser kosmischen Frühzeit!
Entropieänderung beim Huhn (Bild: Tomás Castelazo, GFDL 1.2)
Aber wieso soll ein gleichförmiges Gas eigentlich ein Zustand niedriger Energie sein?? Wenn das ganze Universum komplett gleichförmig von einem Gas gefüllt ist, dann sollte man doch eher meinen, dass es sich hier um einen Zustand hoher Entropie handelt? Sollte man – aber nur, wenn man die Gravitation vergessen hat. Wenn man die berücksichtigt, dann sieht das alles wieder anders aus. Denn unter dem Einfluß Gravitation würde das Gas schon bei der kleinsten Unregelmäßigkeit in der Verteilung anfangen zu klumpen und immer größere und dichtere Gebilde zu formen (so entstehen ja auch die Sterne) – bis hin zu schwarzen Löchern (die sind ja auch die Objekte, die von allen im Universum die größte Entropie haben). Wir würden eigentlich also eher erwarten, dass das Universum voll mit schwarzen Löchern ist und nicht mit einem absolut gleich verteilten Gas. Greene sagt:
“Die Zukunft ist tatsächlich die Richtung anwachsender Entropie. Der Zeitpfeil – die Tatsache das die Dinge auf diese Weise anfangen und auf jene enden, aber niemals auf jene anfangen und auf diese enden – hob in dem hochgeordneten, niederentropischen Zustand zu seinem Flug ab, den das Universum bei seinem Ursprung hatte.”
Ja – alles klar soweit. Bis auf eine Frage: Wie um alles in der Welt ist das Universum zu diesem Zustand extrem niedriger Entropie an seinem Anfang gekommen? Das ist eigentlich äußerst unwahrscheinlich! Aber damit müssen wir uns erstmal abfinden (der andere Weg hat uns ja in die logische Sackgasse geführt). Die Tatsache, dass Eier immer nur zerbrechen und nie “entbrechen” sagt uns also etwas Fundamentales über den Urknall und die Entstehung des Universums. Dieser Anfang muss auf eine ganz spezielle Weise passiert sein – und es wäre cool, wenn wir rausfinden, wie und warum das abgelaufen ist. Aber dazu dann mehr in den nächsten Kapiteln.
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