“In Feynmans Formulierung repräsentiert die beobachtete Gegenwart eine Mischung – eine besondere Form des Durchschnitts – aller denkbarer Vergangenheiten, die kompatibel sind mit dem, was wie jetzt sehen.”
schreibt Greene. Die Vergangenheit gibt es in der Quantenmechanik also nicht. Wenn wir ein Teilchen nun also beobachten, zum Beispiel in dem wir Detektoren in die Spalten einbauen, dann wählen wir quasi bestimmte Möglichkeiten aus der Vergangenheit aus:
“Ihre neue Beobachtung wählt genau jene Geschichten aus, die dem, was Ihre neue Beobachtung offen gelegt hat, vorausgehen hätten können. Da diese Beobachtung bestimmt, welche Bahn das Photon genommen hat, berücksichtigen wir nur jene Geschichten, die sich auf dieser Bahn bewegen, womit die Möglichkeit einer Interferenz ausgeschlossen wird.”
Experimente mit dem Doppelspalt wurden in den letzten Jahrzehnten oft genug durchgeführt; mit und ohne Detektoren in den Spalten. Und alle Ergebnisse bestätigen diese Theorie. Einige Experimente sind aber besonders interessant und legen verblüffende Eigenschaften des Zeitbegriffs in der Quantenmechanik offen. Eines davon nennt sich “Delayed-Choice-Experiment” und untersucht die etwas seltsam klingende Frage ob die Vergangenheit von der Zukunft abhängt.
Die Vorahnung der Photonen
Der Aufbau ist wieder einfach. Wir haben eine Lichtquelle, deren Licht durch einen Strahlenteiler geschickt wird. Beide Strahlen werden über einen Spiegel umgelenkt und auf einem Schirm wieder zusammengeführt. Dabei wird der eine Weg etwas länger gemacht als der andere sodass die Lichtteilchen interferieren können und ein Interferenzmuster bilden. Man kann die Lichtquelle wieder so einstellen dass nur jeweils ein Photon nach dem anderen abgeschickt wird. Die Quantenmechanik sagt nun, dass auch dieses einzelnen Photon – bzw. die Wahrscheinlichkeitswelle – beide Wege geht und deswegen am Ende ein Interferenzmuster zu sehen ist. Genau das beobachtet man auch. Installiert man an den Spiegeln Detektoren, die nachsehen, welchen Weg das Photon genommen hat, dann verschwindet das Interferenzmuster. Das alles wurde experimentell nachgewiesen. John Archibald Wheeler, der große amerikanische Astronom, hat eine interessante Variation dieses Experiments vorgeschlagen: Was passiert eigentlich, wenn man die Detektoren hinter den Spiegeln installiert?
Da kommt dann also das Photon, und weil wir ja nicht auf die Spiegel schauen, nimmt es beide Wege. Unsere Detektoren, die erst dann messen, wenn das Photon die Spiegel schon längst passiert hat, müssten dann also eigentlich auch messen, dass es an beiden Spiegeln vorbeigekommen ist. Ja – sollte man meinen. Das passiert aber nicht. Wenn man diese Messung so durchführt, dann zeigt sich kein Interferenzmuster! Das Photon scheint also irgendwie zu “wissen”, dass da eine Messung kommt und es nur einen Weg nehmen darf. Bzw. scheint die Messung zu beeinflussen, was davor passiert ist.
Wheeler hat noch eine weitere Steigerung des Experiments vorgeschlagen. Anstatt eines Doppelspalts könnte man theoretisch auch eine Gravitationslinse nehmen. Die allgemeine Relativitätstheorie sagt ja, dass Masse den Raum krümmt und so ein Stern oder eine Galaxie quasi als Linse fungieren kann und das Licht so wie einen Spiegel umleitet. Wir können uns also Licht vorstellen, dass von einem Milliarden Lichtjahre weit entfernten Quasar ausgesendet wird. Unterwegs passiert es eine Gravitationslinse und wir links und rechts vorbeigelenkt. Erst auf der Erde stellen wir dann Detektoren auf die messen, ob das Photon nun tatsächlich links oder rechts vorbei ging. Und – auch wenn das Experiment noch nie durchgeführt wurde – es ist klar, was wir sehen werden: Schalten wir die Detektoren aus, werden die Photonen des Quasars ein Interferenzmuster erzeugen; wir schließen daraus, dass sie gleichzeitig links und rechts um die Linse herumgegangen sind und interferiert haben. Schalten wir sie ein, verschwindet das Muster und wir messen, dass die Photonen entweder links oder rechts herumgegangen sind. Und das, obwohl die Photonen schon vor Milliarden Jahren ausgesandt wurden und die Linse passiert haben. Noch bevor die Erde entstand, haben die Photonen also quasi “gewusst”, ob wir am Ende ihres Weges einen Detektor aufstellen oder nicht.
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