Das hier ist die Rezension eines
Kapitels von “Der Stoff aus dem der Kosmos
ist” von Brian Greene. Links zu den Rezensionen der anderen Kapitel kann man hier finden.
In den letzten beiden Kapiteln hat Greene erklärt, wie Stringtheorie bzw. M-Theorie unser Verständniss über Raum und Zeit dramatisch ändern. Elementarteilchen sind “schwingenden Saiten”; der Raum hat in Wahrheit 10 Dimensionen von denen 7 entweder winzig klein oder für uns nicht wahrnehmbar sind; statt einem Urknall gab es einen “Urklatsch” bei dem zwei “3-Branen”, von denen eine unser Universum ist, miteinander kollidierten – usw. Das alles klingt spannend und fantastisch – aber gibt es auch eine Möglichkeit, diese Theorien zu überprüfen? In Kapitel 14 beschäftigt sich Greene mit Experimenten zu Raum und Zeit.
In der modernen theoretischen Physik ist das übliche Zusammenspiel aus Theorie und Experiment in den letzten Jahren ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten. Wo früher Experimente Anlass zu neuen Theorien gaben bzw. Theorien immer fast sofort experimentell überprüft werden konnten, haben heute die Theorien einen uneinholbar scheinen Vorsprung gewonnen. Die Theoretiker sprechen von Strings, von Branen, von dunkler Energie und dunkler Materie und die Experimentalisten wissen nicht, wie sie das alles überprüfen sollen.
Aber ganz so aussichtslos ist es nicht! Es gibt einige experimentelle Möglichkeiten die uns in Zukunft hier weiterbringen könnten.
Gravitation und Raum
Was den Raum selbst angeht, so können wir hier auf die allgemeine Relativitätstheorie zugreifen. Die wurde zwar schon oft genug experimentell bestätigt – aber einige ihrer Vorhersagen konnten noch nicht überprüft werden. Da ist zum Beispiel die Sache mit der Raumkrümmung. Eine Masse soll den Raum nicht nur einfach krümmen – handelt es sich um ein rotierendes Objekt (wie z.B. die Erde), dann soll der Raum auch noch “verdreht” werden. Das nennt man Lense-Thirring-Effekt und seit den 1960ern arbeitet man daran, in nachzuweisen. Aber erst in den letzten Jahren ist man soweit, dass wirklich anzugehen. Satelliten in einem Orbit um die Erde können mittlerweile genau genug messen um diesen Effekt tatsächlich festzustellen. Vielleicht hat man das sogar schon getan! Daten von LAGEOS 1 und 2 scheinen den Lense-Thirring-Effekt zu bestätigen. Aber nicht alle Wissenschaftler sind überzeugt, dass hier alle Fehlerquellen ausgeschlossen wurden und es wird nun auf die Ergebnisse des Satelliten Gravity Probe B gewartet.
Eine andere Vorhersage aus der allgemeinen Relativitätstheorie sind die Gravitationswellen. Wenn Massen sich bewegen, dann sollen sie Wellen im Raum selbst aussenden. So wie ein Stein, den man ins Wasser wirft, Wellen erzeugt sollen auch Massen den Raum selbst dazu bringen, sich fortbewegende Wellen zu werfen. Diese Gravitationswellen wurden indirekt durch Messungen an Doppelsternen nachgewiesen (dafür gabs sogar 1993 einen Nobelpreis) – ein direkter Nachweis steht aber noch aus. Verschiedene Experimente übeall auf der Welt wollen das ändern – zum Beispiel GEO 600 in Hannover oder LIGO in den USA. Und auch hier gibt es Hinweise darauf, dass frühere Messungen vielleicht schon erfolgreich waren.
Sieht unspektakulär aus, ist aber trotzdem cool: der Gravitationswellendetektor GEO600
Strings und Dimensionen
Wie steht es mit den Extradimensionen? Können wir experimentell nachweisen, dass der Raum 10 anstatt nur den vertrauten 3 Dimensionen hat? Vielleicht! Wenn die Extradimensionen wirklich so klein sind, wie es die Stringtheorie vorhersagt, dann wird es schwer. Aber wie wir gesehen haben, könnten sie größer sein. “Größer” heisst hier zwar immer noch etwa 10-20 Meter – aber das wäre experimentell in Reichweite. So große Extradimensionen würden sich zeigen, wenn man die Abhängigkeit der Gravitationskraft vom Abstand bei sehr kleinen Distanzen untersucht. Die wäre dort dann nämlich anders als bei unseren vertrauten Distanzen. Bis jetzt hat man hier allerdings noch nichts gefunden. Sollten die Zusatzdimensionen doch ein wenig kleiner sein, dann bleibt noch ein indirekter Nachweis. Zum Beispiel über die Produktion von kleinen schwarzen Löchern in Teilchenbeschleunigern (und keine Angst – das ist nicht gefährlich). Bei welcher Energie die entstehen können, hängt von den Zusatzdimensionen ab. Gibt es sie, dann braucht man weniger Energie als wenn es sie nicht geben würde. Kleine schwarze Löcher können aber auch ganz von alleine durch Kollisionen von Teilchen der kosmischen Strahlung in unserer Atmosphäre entstehen. In Argentinien steht das Pierre-Auger-Observatorium das solche Ereignisse vielleicht detektieren könnte. Bemerken könnte man die Extradimensionen auch an Teilchenbeschleunigern wie dem LHC; ganz ohne die Produktion schwarzer Löcher. Denn Energie könnte gewissermaßen in den Extradimensionen “versickern”. Wenn man eine Verletzung der Energieerhaltung feststellen würde; wenn als die Teilchen, die bei einer Kollision entstehen insgesamt weniger Energie haben als vorher reingesteckt wurde – dann kann das daran liegen, dass man nicht genügend Dimensionen berücksicht hat.
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