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Dies ist eine Rezension eines Kapitels aus dem Buch “Der große Entwurf” von Stephen Hawking und Leonard Mlodinow. Die Rezensionen der anderen Kapitel können hier gefunden werden.


Der Schluß des vorherigen Kapitels brachte uns direkt wieder zurück zu den “großen Fragen”, die Hawking und Mlodinow zu beantworten versprochen haben. Jetzt wird es langsam konkret. Die Frage lautet:

“Warum gibt es ein Universum und warum ist das Universum so und nicht anders?”


Die Vergangenheit unseres Universums verstehen wir mittlerweile recht gut. Anfang des letzten Jahrhunderts machte Edwin Hubble seine großen Entdeckungen und fand heraus, dass sich das Universum ausdehnt. Theoretiker wie Alexander Friedmann oder Georges Lemaître unrtersuchten die Gleichungen von Einsteins Relativitätstheorie und fanden Lösungen, die auf ein Universum hindeuten, dass einen Anfang in der Zeit hatte und sich seitdem ausdehnt. Weitere Beobachtungsdaten wie z.B. die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung stützten dieses Bild und auch andere Vorhersagen der Theoretiker (zum Beispiel über die Elementhäufigkeiten im Universum) bestätigten sich. Die Urknalltheorie wurde ständig weiterentwickelt – man führte die kosmische Inflation ein um einige theoretische Probleme zu lösen und konnte auch hier wieder die Theorie durch Beobachtungsdaten bestätigen.

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Bild: NASA/WMAP Science Team

Wenn es aber ganz zurück an den Anfang geht, dann wird es schwierig. Nicht nur versagt dort unsere Vorstellungskraft – es gibt auch Schwierigkeiten bei der mathematischen Beschreibung. Zu diesem Zeitpunkt war das Universum winzig klein – also wirklich winzig. Viel kleiner, als alles was wir heute so als “klein” bezeichnen; subatomare Teilchen zum Beispiel. Das heisst, der Ursprung des Universums war ein Quantenereignis und muss deswegen auch mit einer Theorie beschrieben werden, die Quantentheorie und allgemeine Relativitätstheorie kombiniert. Das haben Hawking und Mlodinow – zumindest teilweise und provisorisch – getan.

Aber – und das sollten mittlerweile schon alle wissen – die Quantentheorie ist seltsam 😉 Und verwirrend. Und deswegen sind auch die Schlußfolgerungen der Autoren überraschend. Vorstellen kann man sich hier wirklich nicht mehr viel. Bezieht man beispielsweise Effekte der Quantentheorie in die Relativitätstheorie mit ein, dann kann die Krümmung der Raumzeit in manchen Fällen so extrem werden, dass sich die Zeit so wie eine weitere Raumdimension verhält – sagen Hawking und Mlodinow. Ganz zu Anfang; als das Universum winzig war, gab es also quasi vier Raumdimensionen und keine Zeit. Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, was das bedeuten soll und ich vermute, das geht auch allen anderen so. Unsere Alltagsvorstellungen funktionieren im frühen Universum einfach nicht mehr. Wir müssen uns hier ganz auf die Mathematik zurückziehen…

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Trotzdem versuchen Hawking und Mlodinow ein paar Beispiel zu bringen. Die Frage nach dem “Anfang der Zeit” kann man nun zwar auch nicht wirklich beantworten – aber man sieht, dass die Frage an sich nicht wirklich viel Sinn macht wenn die Zeit selbst sich wie eine Raumdimension verhält:

“Nehmen wir an, der Anfang des Universums war wie der Südpol der Erde, wobei die Breitengrade die Rolle der Zeit übernehmen. Wenn wir uns nach Norden bewegen, weiten sich die Kreise konstanter Breite aus, die die Größe des Universums darstellen. Das Universum beginnt als ein Punkt am Südpol, der weitgehend jedem beliebigen Punkt ähnelt. Zu fragen was vor dem Anfang des Universums war, wird zu einer sinnlosen Frage, weil es nichts gibt, was südlich des Südpols liegt. Nach dieser Vorstellung hat die Raumzeit keine Grenze – am Südpol gelten die gleichen Gesetze wie an anderen Orten. Wenn wir die allgemeine Relativitätstheorie mit der Quantentheorie kombinieren, wird die Frage, was vor dem Anfang des Universums geschah auf ähnliche Weise bedeutungslos.”

Der alte Streit, ob das Universum ewig ist oder einen Schöpfer hat, ist also sinnlos. Jetzt sind wir im Buch an einer Schlüsselstelle angelangt. Hawking und Mlodinow erinnern nochmal an die “Summe über alle Geschichten” von Richard Feynman. Und sie sagen (Hervorhebung von mir):

“Wenn der Ursprung des Universums ein Quantenereignis war, muss es sich mit Hilfe von Feynmans Summen über alle Geschichten exakt beschreiben lassen.

(…)

Nach dieser Auffassung bildete sich das Universum spontan und entwickelte sich auf alle möglichen Weisen. Die entsprachen meistens anderen Universen. Ein paar dieser Universen ähnelten dem unseren, doch die meisten waren ganz anders.

(…)

Einige Menschen machen ein großes Geheimnis aus dieser Hypothese – die manchmal als Multiversums-Konzept bezeichnet wird – , dabei handelt es sich einfach um einen anderen Ausdruck für Feynmans Summe über alle Geschichten.”

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“You can’t Escape the Multivers” von Rayjmaraca, CC-BY 3.0

Dieses Konzept ändert auch die Art und Weise, wie man kosmologische Forschung betreiben sollte, meinen Hawking und Mlodinow. Damit man kosmologische Vorhersagen machen kann, muss man berechnen, wie wahrscheinlich verschiedene Zustände des Universums zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind. Das widerspricht dem “bottom-up”-Ansatz, bei dem man davon ausgeht, dass das Universum nur eine einzige eindeutige Geschichte hat und man ausgehend von einem bestimmten Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass ein bestimmter Zustand zu einem anderen Zeitpunkt eintritt. Im neuen “top-down” Ansatz muss man – analog zu Feynmans Pfadintegral – die Beiträge aller möglichen Geschichten aufsummieren. Hawking und Mlodinow sagen:

“Die Geschichten, die zur Feynman-Summe beitragen, haben keine unabhängige Existenz, sondern sind durch das bedingt, was gemessen wird. Nicht die Geschichte macht uns, sondern wir machen Geschichte durch unsere Beobachtung.”

(…)

Eine bedeutsame Konsequenz des Top-Down-Ansatzes ist, dass die in unserem Universum nachgewiesenen Naturgesetze von der Geschichte des Universums abhängen. Viele Forscher glauben, es gibt eine einzige Theorie, die nicht nur diese Gesetze erkläre, sondern auch die physikalischen Naturkonstanten – die Masse des Elektrons zum Beispiel oder die Dimensionalität der Raumzeit. Doch die Top-Down-Kosmologie verlangt, dass die Naturgesetze, die sich in einem Universum manifestieren, verschieden für verschiedenen Geschichten sind.”

Viele Forscher wünschen sich zum Beispiel eine Theorie, aus der klar hervorgeht, warum in unserem Universum genau drei Raumdimensionen groß sind und die anderen klein und nicht wahrnehmbar. Hawking und Mlodinow sagen nun, dass das eben nicht so ist. Es gibt kein physikalisches Prinzip, dass die Zahl der Dimensionen auf diese Art festlegt. In der Feynman-Summe tauchen alle Geschichten auf; auch die von Universen mit 4, 5 oder 9 ausgedehnten Raumdimensionen. Da wir aber beobachten, dass unser Universum nur drei ausgedehnte Dimensionen hat, wird dadurch eben die Unterklasse aller Geschichten ausgewählt, die die beobachtete Eigenschaft hat. Es mag sein, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Universum z.B. 5 große Dimension hat, größer ist. Das spielt aber keine Rolle, weil wir nur drei beobachten. Hawking und Mlodinow bringen ein Beispiel, dass das erläutern soll: Fragt man nach der Wahrscheinlichkeit, dass der aktuelle Papst Chinese ist, dann ist diese Frage irrelevant weil wir wissen (beobachten) das der Papst Deutscher ist. Ohne Zusatzinformation wäre die Wahrscheinlichkeit für einen chinesischen Papst vielleicht größer als die für einen deutschen Papst – immerhin gibt es mehr Chinesen als Deutsche. Aber unsere Beobachtung sagt uns, dass wir bei der Summe über alle Geschichten nicht an den Chinesen (bzw. Universen mit mehr als drei großen Dimensionen) nicht interessiert zu sein brauchen. Genauso gibt es keine Theorie, die uns die Masse des Elektrons vorhersagen wird oder die Stärke der Gravitationskraft oder irgendeine andere Naturkonstante. Das Multiversum lässt alle Möglichkeiten zu – aber unsere Beobachtungen wählen die Geschichten aus, die zur Feynman-Summe beitragen. Hawking und Mlodinow schreiben zum Abschluss des Kapitels:

“Wir scheinen an einem entscheidenden Punkt der Wissenschaftsgeschichte zu stehen, an dem wir unsere Ziele und das, was eine physikalische Theorie ausmacht, neu definieren müssen. Offenbar werden dio fundamentalen Zahlen und sogar die Form der in unserem Kosmos nachweisbaren Naturgesetze nicht von der Logik oder von physikalischen Prinzipien verlangt.

(…)

Das mag unbefriedigend für unser menschliches Verlangen sein, etwas Besonderes zu sein oder alle Gesetze der Physik in einem säuberlichen Paket serviert zu bekommen, aber so hält es die Physik nun einmal.”


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Kommentare (25)

  1. #1 Arnd
    14. Oktober 2010

    Hawking und Mlodinow bauen ihr ganzes Konzept auf der M-Theorie auf, richtig? Diese ist ein heißer Kandidat für die Theory of Everything, aber sie ist meines Wissens nach noch nicht wirklich belegt. Daher halte ich die Schlussfolgerung

    “Offenbar werden dio fundamentalen Zahlen und sogar die Form der in unserem Kosmos nachweisbaren Naturgesetze nicht von der Logik oder von physikalischen Prinzipien verlangt.”

    für etwas verfrüht. Vor allem das “Offenbar”.

  2. #2 Georg Hoffmann
    14. Oktober 2010

    Wuerdest du zum Schluss noch eine Wertung versuchen? Findest du die Kritik gerechtfertigt (viel versprochen, nicht gehalten, philosophisch unsauber), die ich zu Beginn erwaehnte?

  3. #3 Florian Freistetter
    14. Oktober 2010

    @Georg: Im letzten Teil kommt noch eine Wertung von mir. “Philosophische Unsauberkeit” kann ich nicht wirklich sehen. Das Buch handelt von Kosmologie und Teilchenphysik…

  4. #4 Marc
    14. Oktober 2010

    wow, ich habe ja auch die anderen rezensionen mit neugier gelesen, obwohl dieses gebiet mir eigentlich völlig unbekannt ist. dennoch ist das ganze natürlich sehr spannend.

    mir ist dabei allerdings aufgefallen, dass es mit jedem kapitel immer mehr danach klingt, als ob immer stärker theorien verfolgt werden, die sich in keinster weise mit empirischen ergebnissen belegen lassen.

    insbesondere die idee, dass es mehrere universen gibt, die sich unter umständen nur in details von unserem unterscheiden, klingt ja stark nach science-fiction. ebenso die idee von 11 dimensionen. (es gab übrigens zu unterschiedlichen universen mal eine schicke spiderman reihe – zeichentrick).

    mit theorien zu arbeiten, die zwar theoretisch alles erklären, empirisch aber nicht überprüfbar sind (was der aktuelle stand ist, wenn ich es richtig verstehe?) klingt aber erst einmal nicht besonders wissenschaftlich, oder? vielleicht kannst du dazu ja einmal stellung nehmen? vielleicht ist es ja nur ein fehler meinerseits, dass ich das falsch verstehe.

    darüber hinaus beschäftigt mich noch eine weitere frage. du zitierst folgendes:

    “Zu fragen was vor dem Anfang des Universums war, wird zu einer sinnlosen Frage, weil es nichts gibt, was südlich des Südpols liegt.”

    In diesem Zitat werden aber doch zwei Dimensionen vermischt, die des Raums und die der Zeit, oder? Zwar wird die Zeit zu einer Raumdimension, das ist ja vorher erwähnt, dennoch bliebe dann eine andere frage. nicht die nach vorher, sondern die nach aussen? worin befand sich denn das universum? was war drumherum? so stelle ich mir dann zumindest die nächste frage vor, die folgen müsste.

    vielleicht denke ich dabei zu eingeschränkt und du kannst es aufklären, warum die frage nach dem “vor” bzw. dem “aussen” des universums keinen sinn macht?

  5. #5 ketzerisch
    14. Oktober 2010

    Schade. Das sie sich ein Stück weit auf das anthropische Prinzip zurückziehen. “Das Universum ist so, wie es ist weil wir es so beobachten” mag stimmen, hilft aber nicht bei weiterem Erkenntnisgewinn.

    Wenn ich mir nicht die Frage stelle, warum eigentlich kein Chinese Papst ist, dann werde ich auch nicht feststellen, dass es dort zwar viele Menschen aber deutlich weniger Katholiken gibt.

    Danke für die Zusammenfassung. Hat mir sehr gefallen.

    Gruß
    ketzerisch

  6. #6 cydonia
    14. Oktober 2010

    Ich fand Deine Kommentare zum Buch mehr als aufschlussreich, und ich werde es mir zu Gemüte führen. Gute, wenn auch ungewöhnliche Rezension.
    Trotzdem juckt es mich, Dir ein Buch über neuere Philosophie zu empfehlen….;-)
    Lassen wir das, es war Alles in Allem ein Vergnügen. Sei nochmal bedankt.

  7. #7 Georg Hoffmann
    14. Oktober 2010

    @Florian
    Ah, ich dachte das waere der letzte Teil. Ok.

  8. #8 Karl Mistelberger
    14. Oktober 2010

    > “Die Geschichten, die zur Feynman-Summe beitragen, haben keine unabhängige Existenz, sondern sind durch das bedingt, was gemessen wird. Nicht die Geschichte macht uns, sondern wir machen Geschichte durch unsere Beobachtung.”

    Mag schon sein, aber Gottseidank ist es doch so, dass nicht ein jeder Lump einfach kommen kann und die Geschichte dadurch verändern kann, dass er irgendein Experiment anstellt.

    Und Albert Einstein drückte es kurz vor seinem Tode besonders drastisch aus: “Jeder Lump meint heute, er habe verstanden, was ein Photon ist – aber er irrt sich.”

  9. #9 AndreasM
    14. Oktober 2010

    Alles im Universum beobachtet all das, was auf es wirkt. Beobachtung ist also die umgekehrte Kausalität.
    Nun kann ich entweder sagen, dass alles im Universum durch jede dieser Beobachtungen erst aus unendlich vielen möglichen Universen eines zufällig selektiert oder dass sich ein Universum kausal mit einer Prise Zufall (oder auch keinem Zufall?) entwickelt hat.
    Aber diese Möglichkeiten sind vom naturwissenschaftlichen Standpunkt her äquivalent, da nicht durch Beobachtungen voneinander unterscheidbar.
    Ob jetzt das eine oder das andere korrekt ist, ist wohl mehr eine philosophische Frage.

  10. #10 antiangst
    14. Oktober 2010

    Sind Urknalltheorien, Zeitbeginn und Kosmologien mehr als mathematische Philosophie oder Unterhaltung oder haben sie auch Relevanz für praktische Techniken?
    Was ist, wenn es konkurrierende Beobachter gib? machen die dann unterschiedliche Universumsgeschichten?

  11. #11 schlappohr
    14. Oktober 2010

    “oder haben sie auch Relevanz für praktische Techniken? ”

    Die Kenntnis über die Entstehung des Universums wird kaum dazu beitragen, dass wir irgendwann noch schnellere Autos oder noch preiswerte Tiefkühlpizza herstellen können, falls Du das meinst. Wer diese Zielsetzung verfolgt, für den ist die Kosmologie definitiv der falsche Job.

    Was verstehst Du unter konkurrierenden Beobachtern? Aus einem anderen Universum? Aus einer anderen Galaxis? Aus einem anderen Institut?

  12. #12 Florian Freistetter
    14. Oktober 2010

    @cydonia, georg: “es war Alles in Allem ein Vergnügen. Sei nochmal bedankt.”

    Es geht noch weiter. 2 Kapitel kommen noch…

  13. #13 Florian Freistetter
    14. Oktober 2010

    @schlappohr: “Die Kenntnis über die Entstehung des Universums wird kaum dazu beitragen, dass wir irgendwann noch schnellere Autos oder noch preiswerte Tiefkühlpizza herstellen können, falls Du das meinst.”

    Abgesehen davon dass Grundlagenforschung sich nicht mit Anwendungen rechtfertigen kann bzw. muss kann man natürlich nie ausschliessen, dass doch noch irgendwann die Tiefkühlpizzas besser und die Autos schneller sind dank kosmologischer Forschung 😉 Drum heissts ja “Grundlagen”forschung – wer weiß, was auf diesen Grundlagen alles aufgebaut wird.

  14. #14 cydonia
    14. Oktober 2010

    Naja, wenn Du schreibst: “Der Schluss des letzten Kapitels…” verführt das natürlich zu der Annahme, das sei es jetzt gewesen.
    Dass Du damit das letzte von dir besprochene Kapitel meinst, erschließt sich erst auf den zweiten Blick.
    Aber gut, harren wir der Dinge, die da noch kommen…….

  15. #15 Florian Freistetter
    14. Oktober 2010

    @cydonia: Ok – ja, das war mißverständlich… Ist mir gar nicht aufgefallen – ich habs mal korrigiert.

  16. #16 SteterTropfen
    14. Oktober 2010

    Ich denke @Marc hat einen wichtigen Aspekt angesprochen: In diesem Kapitel und dem vorherigen wird es langsam metaphysisch. Die Autoren jonglieren mit verschiedenen Theorien und verschiedenen Universen, nur zumindest ich kann nicht mehr erkennen, wie das Ganze noch experimentell nachweisbar sein soll (die Autoren deuten etwas an, aber nur sehr nebulös). Vor allem die Zahl 10E500 ist doch eine reine Festlegung, oder?

    Ich meine mal im Spektrum gelesen zu haben, dass auch viele theoretische Physiker langsam kalte Füße bekommen und sich ernsthaften fragen, ob sie noch Physik oder bereits Metaphysik betreiben. Ich denke die Frage ist für den Anspruch der Autoren schon von erheblicher Relevanz.

  17. #17 schlappohr
    14. Oktober 2010

    @Florian:

    “[…] die Tiefkühlpizzas besser und die Autos schneller sind dank kosmologischer Forschung”

    Ja, meine Formulierung war auch absichtlich etwas überspitzt 🙂 Aber es gibt Richtungen in der Grundlagenforschung, die deutlich eher mit dem Gedanken an eine spätere Anwendung betrieben werden, z.B. Materialforschung, Festkörperphysik, zum Teil auch die Atomphysik. Da ist auch nichts gegen einzuwenden, sonst säßen wir heute noch auf den Bäumen und müssten womöglich sogar ohne Kernwaffen auskommen.
    Aber ich persönlich finde Wissenschaft am spannensten, wenn sie mit dem einzigen Zweck des Erkenntnisgewinns betrieben wird, und da halte ich z.B. die Kosmologie und die Astronomie für “untouchable”, quasi die unberührte Form der Wissenschaft, wenn ich das mal so theatralisch ausdrücken darf 🙂

  18. #18 Florian Freistetter
    14. Oktober 2010

    @Steter Tropfen: “Die Autoren jonglieren mit verschiedenen Theorien und verschiedenen Universen, nur zumindest ich kann nicht mehr erkennen, wie das Ganze noch experimentell nachweisbar sein soll”

    Ja – die String/M-Theorie ist experimentell nicht belegt. Aber nicht weil das prinzipiell nicht möglich ist sondern weil die technischen Mittel noch nicht so weit sind. Aber bald könnte es so weit sein und ansonsten macht das Fehlen von Experimenten das ganze nicht zur Metaphysik sondern “nur” zu Hypothesen. Wie gesagt – das Problem ist kein prinzipielles sondern nur ein technisches. Die Zusatzdimensionen könnten mit ein wenig Glück vielleicht schon in ein paar Jahren nachgewiesen sein – wenn es sie denn gibt…

  19. #19 Marc
    14. Oktober 2010

    @florian: wenn du nun schreibst, dass aktuell noch die mittel fehlen, es aber bald soweit sein “könnte”, dann wird es ernsthaft schwierig, diesen theorien (als laie) noch vertrauen zu schenken und vor allem ihrem anspruch, dass sie alles und den rest (;-)) erklären könnten.

    ähnlich, wenn auch verkürzt argumentieren doch auch andere seiten, oder? nur weil man gott nicht nachgewiesen hat, heißt es nicht, dass es ihn nicht gibt. es fehlen nur die technischen mittel….;-)

    sicherlich etwas stark vereinfacht und absichtlich so provokativ gehalten. aber eben mir als totaler laie, leuchtet es noch nicht ein, wo an dieser stelle noch wissenschaft betrieben wird? vor allem, wenn man mit dem anspruch auftritt, dass man (die physik), und NUR man und niemand anders diese welt erklären kann. wäre es da nicht sinnvoller, wenn man grenzen akzeptiert und einfach mal anerkennt, dass man eben mit hypothesen agiert? und diese können eben auch ganz, ganz fürchterlich daneben liegen…

  20. #20 Bjoern
    14. Oktober 2010

    @Marc: Erstens einmal habe ich noch keinen gehört, der argumentiert: “Bisher hat man Gott noch nicht nachgewiesen, aber demnächst wird es funktionieren.” Zweitens verlangen Religiöse ja, dass man selbst ohne einen solchen Nachweis an ihren Gott glaubt – wohingegen kein Physiker verlangt, dass du an die Richtigkeit der Stringtheorie glaubst, solange es keine experimentellen Belege für sie gibt.

    Trotz dieser Einwände: deinem letzten Absatz würde ich eigentlich größtenteils zustimmen! Wenn Hawking und Mlodinow wirklich so argumentieren, wie’s bei Florian hier klingt (vielleicht sollte man das Buch erst mal selbst lesen, bevor man sich ein Urteil bildet… 😉 ), dann lehnen sie sich schon sehr weit aus dem Fenster…

  21. #21 ihpg
    14. Oktober 2010

    @Florian: Im ersten Zitat bzgl der Feynman-Geschichten soll es meiner Meinung nach “Ein paar dieser Universen ähnelten dem unseren, dOch die meisten waren ganz anders.” heißen 😉

    @marc:
    1. Die Welt erklären wird/soll/kann die Physik letztlich sowieso nicht, nur beschreiben.
    2. Die meisten (alle?) neueren Theorien sind zum Entstehungszeitpunkt noch nicht beweisbar. Man denke z.B. an die Relativitätstheorien.

  22. #22 SteterTropfen
    14. Oktober 2010

    @florian Danke für den Link, sehr interessant. Und @Marc, dass muss man den Physikern dann doch lassen, eine Theorie die zumindest theoretisch falszifizierbare Experimente ermöglicht ist immer noch besser, als reine Spekulation.

    PS: Ohne jetzt vorgreifen zu wollen: Das letzte Kapitel ist IMHO ganz schwach 🙂

  23. #23 Marc
    14. Oktober 2010

    @bjoern: ich habe diese argumentation in bezug auf gott schon gehört 😉 das aber nur am rande. ich stichel manchmal ganz gerne. das der vergleich, so wie ich ihn gezogen habe, nicht ganz zulässig ist, war mir schon klar. also bitte nicht zu ernst nehmen.

    ob ich an die string-theorie nicht glauben muss, kann ich nicht wirklich beurteilen, da mir die alternativen fehlen. aber das resultiert eben auch daraus, dass ich von physik keine ahnung habe.

    @ihpg & stetertropfen: den anspruch des welt erklärens scheinen jedoch hawking und mlodinow zu erheben. so klingt zumindest die rezension des ersten kapitels. aber das ist dort ja bereits intensiv diskutiert worden.

    das theorien nicht immer zu jedem zeitpunkt zu falsizifieren sind, versteht sich. in den meisten fällen entwickelt man wohl aus beobachtungen oder auf basis anderer theorien eine neue und versucht dann diese zu prüfen. anschliessend modifiziert man sie oder verwirft sie ganz, je nach gültigkeit. seltenst, aber auch das gibt es, geht die empirische forschung der theorie voraus.

    ich gewähre den physikern auch den vertrauensvorschuss, dass sie auf die idee diverser universen und ganz kleiner dimensionen nicht im rausch gekommen sind, sondern dass diese eben theoretisch auch sinn machen. letztendlich muss ich genau das ja auch, da ich mich eben zu wenig auskenne. und eine solche theorie ist mit sicherheit sinnvoller, als reine spekulation.

    allerdings bietet sich gerade diese rezension an, um auf diese situation aufmerksam zu machen, denn florian erklärt hier die argumentation des buches. dabei gibt er vieles nur wieder und kann selbstverständlich nicht die gesamte theorie- und forschungshistorie der physik ausbreiten. aber genau deshalb sind hier angriffspunkte. denn eben diese theoretischen entwürfe mehrerer universen, kleiner dimensionen und der reduktion von zeit in eine raumdimension klingen für physikferne menschen doch sehr abstrus. 😉

  24. #24 Ronny
    15. Oktober 2010

    @cydonia
    Ein Buchtipp Richtung moderner Philosophie würde mich aber schon interessieren !

  25. #25 Florian Freistetter
    15. Oktober 2010

    @Marc: “wäre es da nicht sinnvoller, wenn man grenzen akzeptiert und einfach mal anerkennt, dass man eben mit hypothesen agiert?”

    Kein ernsthafter Wissenschaftler wird behaupten, dass die M-Theorie richtig ist, solange noch keine experimentellen Belege vorliegen. Auch Hawking macht das nicht. Wenn man nur mit Bekanntem arbeitet, dann können wir die Wissenschaft auch gleich bleiben lassen – wir müssen ja irgendwie neues rausfinden…

    “ähnlich, wenn auch verkürzt argumentieren doch auch andere seiten, oder? nur weil man gott nicht nachgewiesen hat, heißt es nicht, dass es ihn nicht gibt. es fehlen nur die technischen mittel….;-) sicherlich etwas stark vereinfacht und absichtlich so provokativ gehalten.”

    Ja – nur das es bei Gott nicht um “technische Mittel” geht sondern im Gegensatz zur Stringtheorie um ein prinzipielles Nachweisproblem.