Dies ist eine Rezension eines Kapitels aus dem Buch “Der große Entwurf” von Stephen Hawking und Leonard Mlodinow. Die Rezensionen der anderen Kapitel können hier gefunden werden.
Kein Buch das unser Universum erklären will ist komplett ohne einen Überblick über die Quantenmechanik! Das gilt ganz besonders für “Der große Entwurf”; schließlich basiert Hawkings und Mlodinows These auf einem der grundlegenden Theoreme der modernen Quantenphysik.
Wie üblich beginnen die Autoren auch hier ihre Erklärung mit dem berühmten Doppelspalt-Experiment. Das sollte mittlerweile jedem ein Begriff sein – wenn nicht, dann gibt es hier nochmal eine kurze Einführung:
Wenn man schon einige Bücher dieser Art gelesen hat, dann hängt einem das Doppelspalt-Experiment vielleicht mittlerweile schon ein wenig zum Hals raus. Aber ohne geht es eben nicht. Der große und genial Richard Feynman hat immerhin gesagt, dass dieses Experiment “das ganze Geheimnis der Quantenmechanik” enthält. Und er hat Recht – es ist wirklich faszinierend; egal wie oft man darüber nachdenkt. Sind beide Spalten des Experiments geöffnet dann erhält man selbst dann ein Interferenzmuster am Sichtschirm, wenn man die Teilchen nur einzeln nacheinander durchlässt. Aber was um Himmels Willen hat dann miteinander interferiert? Das Doppelspalt-Experiment widerspricht unserer Intuitation massiv – so wie eigentlich die gesamte Quantenmechanik.
Richard Feynman hat sich lange Gedanken über dieses Experiment gemacht und das Ergebnis war revolutionär! Solange man nicht konkret nachmisst, hat ein “Teilchen” keinen wirklichen Aufenthaltsort; das folgt aus der Heisenberhschen Unschärferelation. Man könnte also behaupten, dass ein Teilchen, dass sich durch das Doppelspalt-Experiment bewegt überhaupt keiner bestimmten Bahn folgt. Oder, und das war Feynmans genialer Geistesblitz, man schließt daraus, dass das Teilchen jeder möglichen Bahn folgt!
So absurd das auch klingen mag – das Modell, das Feynman daraus entwickelt hat, beschreibt die Beobachtungen äußerst genau. Seine Methode nennt sich “Pfadintegral” und aus mathematischer Sicht ist sie durchaus komplex.
“Anschaulich” gesprochen meint Feynman folgendes: ein Teilchen kann den Weg von der Quelle durch die Spalten zum Sichtschirm auf viele verschiedene Arten zurücklegen. Es kann durch Spalt Eins gehen oder durch Spalt Zwei. Es kann zuerst durch Spalt Eins gehen, dann nochmal zurück und durch Spalt Zwei. Es kann zuerst einmal den Jupiter umkreisen bevor es durch einen der Spalte geht. Es kann genauso gut einmal zur Andromedagalaxie und wieder zurück fliegen bevor es auf den Schirm trifft. Feynman fand nun heraus, dass man die Beobachtungsdaten beschreiben kann, wenn man davon ausgeht, dass ein Teilchen alle möglichen Wege auf einmal zurück gelegt hat. Diese “Summe über alle Geschichten” liefert eine gute Beschreibung dessen, was man beobachtet – und es erklärt, wie das Teilchen an die Information kommt, ob die Spalte offen sind oder nicht. Wenn beide Spalten offen sind, dann interferieren quasi die Pfade des Teilchens die durch eine Spalte gehen mit denen, die durch den anderen Spalt verlaufen – so entsteht das Interferenzmuster.
Die Quantenmechanik hat noch weitere verblüffende Einsichten zu bieten. Im Gegensatz zur klassischen Physik ist die Beziehung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft längst nicht mehr so klar – ich habe das hier schonmal detailliert beschrieben. Wir können zwar messen, wo ein Teilchen “jetzt” gerade ist. Davor ist es aber allen möglichen Pfaden gefolgt und danach wird es das wieder tun.
Hawking und Mlodinow ziehen aus Feynmans Arbeit verblüffende Konsequenzen:
“Die Quantenphysik sagt uns, dass egal wie gründlich unsere Beobachtungen der Gegenwart sein mögen, die (unbeobachtete) Vergangenheit unbestimmt wie die Zukunft ist und nur als ein Spektrum von Möglichkeiten existiert. Das Universum hat laut Quantenphysik nicht nur eine einzige Vergangenheit, nicht nur eine einzige Geschichte.”
Dieser Gedanke ist zentral für den weiteren Verlauf des Buches! In den nächsten Kapitel werden Hawking und Mlodinow ihn weiter ausführen und es wird sich zeigen, was er für unser Weltbild zu bedeuten hat.
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