Am Sonntag habe ich noch gemeint, dass es langsam wieder Zeit wird, den Physik-Nobelpreis an Astronomen zu verleihen. Und das Nobelpreiskomitee hat sich daran gehalten! Ich dachte zwar, dass er für die Entdeckung der extrasolaren Planeten vergeben wird – aber das der Preis an Saul Perlmutter, Brian P. Schmidt und Adam G. Riess vergeben wird, ist auch nicht schlecht! Er wurde ihnen
für die Entdeckung der beschleunigten Ausdehnung des Universums durch die Beobachtung ferner Supernovae
Damit ist eine Entdeckung gemeint, die wir heute normalerweise als “dunkle Energie” kennen. Die dunkle Energie ist eine faszinierende Sache. Irgendwas muss da im Universum existieren, dass es dazu bringt, sich schneller auszudehnen, als wir das erwarten. Die Messungen (das sind genau die Messungen für die jetzt der Preis verliehen wurde) haben aber gezeigt, dass dieses “irgendwas” ungefähr 75 Prozent der gesamten Materie/Energie-Bilanz des Universums ausmachen muss! Das ist eine ziemlich verblüffende Erkenntnis, und noch dazu eine, die mittlerweile auf verschiedene, unabhängige Messungen bestätigt wurde. Also absolut würdig, einen Nobelpreis zu bekommen!
Ich habe früher schon ausführlich erklärt, was man sich unter der dunklen Energie vorstellen muss. Der Einfachkeit halber werde ich sie hier jetzt wiederholen.
Über die dunkle Materie und die Gründe, weswegen wir wissen, dass sie existiert obwohl wir sie nicht sehen können, habe ich vor einiger Zeit schonmal geschrieben.
Aber die dunkle Materie ist nicht das einzige dunkle im Universum. Seit 1998 wissen wir auch von der dunklen Energie. Und die ist mindestens so interessant und geheimnisvoll wie die dunkle Materie.
Keine Erfindung
Viele Leute meinen ja fälschlicherweise, dunkle Materie und dunkle Energie wären nur irgendwas, was sich die Astronomen ausgedacht hätten um “ihre Theorien zu retten”. Das stimmt natürlich nicht – in der Wissenschaft denkt man sich nicht so einfach mal eben irgendwas aus. Auch nicht die dunkle Energie.
Genauso wie die dunkle Materie hat man ihre Existenz aus Beobachtungen gefolgert. Im Frühling 1998 waren Forscher unter der Führung des Australiers Brian Schmidt damit beschäftigt, Beobachtungsdaten von Supernovae zu analysieren.
Der Überrest einer Supernova (N63A) in der großen magellanschen Wolke (Bild: Hubblesite)
Eine Supernova ist eine gewaltige Explosion, die dann stattfindet, wenn ein großer Stern über keinen Brennstoff mehr verfügt und sein Leben explosiv beendet. Es gibt aber auch noch einen andere Art der Supernova: dabei kreist ein weißer Zwerg um einen anderen Stern.
Ein weißer Zwerg ist ebenfalls ein Stern, der sein Leben schon hinter sich hat. Er war allerdings klein genug, um einer großen Explosion zu entgehen. Der sterbende Stern hat Schicht um Schicht seiner Atmosphäre verloren bis nur mehr ein etwa erdgroßer Kern übrig geblieben ist. Wenn so ein Zwerg nun aber einen großen Stern umkreist, kann er von dort durch gravitative Wechselwirkung Material einsammeln und wieder wachsen. Irgendwann ist er groß genug geworden, so dass wieder Kernfusion einsetzen kann. Der weiße Zwerg wird kurzfristig reanimiert und beginnt wieder zu strahlen.
So ein Ereignis nennt man eine “Supernova vom Typ Ia” und sie sind sehr wichtig für die Kosmologie. Alle diese Explosionen verlaufen auf die gleiche Art und Weise – die Helligkeit der Supernovae ist also am Ort des Geschehens immer gleich groß. Wenn wir auf der Erde also zwei Supernovae vom Typ Ia beobachten; einmal sehr hell und einmal schwächer, dann wissen wir, dass die schwächere Supernova weiter entfernt sein muss
Mit der Beobachtung von Typ Ia-Supernovae lassen sich also Entfernungen im Kosmos bestimmen – und da die Explosionen sehr hell sind, können so auch weit entfernte Gebiete vermessen werden.
Zerlegt man das Licht, das von einer Supernova kommt, in seine einzelnen Bestandteile (“Spektroskopie“), dann kann man daraus noch weitere Informationen gewinnen. Je nachdem wie schnell sich eine Lichtquelle bewegt, verändert sich ihr Spektrum. Man kann also nicht nur feststellen, wie weit entfernt eine Supernova ist – man kann auch bestimmen, wie schnell sie sich von uns fort bzw. auf uns zu bewegt!
Seit der Forschung von Edwin Hubble wissen wir, dass sich das Universum ausdehnt: alles bewegt sich von allem fort. Diese Expansion hat vor 13,7 Milliarden Jahren beim Urknall begonnen und dauert heute noch an. Früher dachte man, dass die Expansion im Laufe der Zeit immer langsamer werden müsste. Denn auch wenn die Ausdehnung des Universums alles auseinandertreibt, sollte die Gravitationskraft irgendwann dafür sorgen, dass die Ausdehnung gebremst wird.
Genau das wollten die Forscher um Brian Schmidt genauer untersuchen. Man wollte feststellen, wie stark die gegenseitige Anziehung der Materie die Ausdehnung des Universums abbremst.
Es wird immer schneller
Die Ergebnisse der Astronomen waren allerdings verblüffend. Die Messungen an den Supernovae zeigte, dass sich die Ausdehnung nicht verlangsamt hat – sondern das das Universum immer schneller expandiert!
Die Rate, mit der sich das Universum ausdehnt, wird normalerweise mit der Hubble-Konstante beschrieben. Wenn das Universum sich aber heute schneller ausdehnt als in der Vergangenheit, dann kann die Hubble-Konstante gar nicht konstant sein! Das war wirklich eine dramatische Entdeckung.
Irgendwas, irgendeine bisher unbekannte Energie sorgt also anscheinend dafür, dass sich die Ausdehnung des Universums nicht verlangsamt. Die Wissenschaftler konnten sogar Abschätzen, wieviel von dieser Energie vorhanden sein musste: sie sollte 70% des Universums ausmachen!
Das war schon eine gewagte Behauptung: das Universum besteht größtenteils aus etwas, das wir bisher nicht kannten. So unwahrscheinlich das auch klingen mochte – unabhängige Experimente bestätigten die Behauptung.
Ebenfalls 1998 wurden die Daten der BOOMERanG (“Ballon Observations Of Millimeter Extragalactic Radiation and Geophysics“) und MAXIMA (“Millimeter Anisotropy eXperiment IMaging Array“) Beobachtungen ausgewertet. Dabei handelte es sich um Teleskope, die an einem Ballon bis in die oberen Schichten der Atmopshäre gebracht wurden und dort dann ungestört die kosmische Hintergrundstrahlung und vor allem deren Variationen beobachten konnten.
Das BOOMERanG-Teleskop und sein Ballon (Bild)
Die kosmische Hintergrundstrahlung stellt die früheste Strahlung da, die wir beobachten können. Sie stammt aus einer Zeit, als der Urknall gerade mal knapp 400000 Jahre vorbei war. Aus der Analyse dieser Strahlung kann man herausfinden, wie damals die Masse im Universum verteilt gewesen sein muss. Ein Ergebnis von BOOMERanG und MAXIMA war die Erkenntnis, dass unser Universum flach sein muss.
“Flach” heisst hier, dass es sich euklidisch beschreiben lässt und nicht mit hyperbolischer oder elliptischen Geometrie. Zur Veranschaulichung kann man sich den Raum als zweidimensionale Fläche denken, so wie ein Stück Papier. Liegt das Stück Papier flach auf dem Boden, wird es durch die euklidische Geometrie beschrieben: Ein Dreieck hat eine Winkelsumme von 180 Grad, zwei parallele Linien schneiden sich nie – usw. Wird die Fläche aber um eine Kugel gewickelt, muss man eine elliptische Geometrie verwenden, in der Dreicke eine Winkelsumme von mehr als 180 Grad haben und sich parallele Linien schneiden können. Eine hyperbolische Geometrie würde eine sg. Sattelfläche entsprechen; einer Fläche mit negativer Krümmung.
Wie genau nun der Raum in unserem Universum gekrümmt ist und ob seine Geometrie flach, elliptisch oder hyperbolisch ist, hängt von der gesamten Masse ab, die sich in ihm befindet. Die beiden Ballon-Missionen haben gezeigt, dass der Raum flach ist – allerdings war dieses Ergebnis problematisch. Denn anscheinend war im Universum nicht genug Masse vorhanden um den Raum flach zu halten!
Aus astronomischen Beobachtungen konnte man den Anteil an “normaler” Materie abschätzen. Ebenso war bekannt, wieviel dunkle Materie sich in etwa im Universum befindet. Aber normale und dunkle Materie zusammen waren nicht ausreichend um ein flaches Universum zu erklären. Dazu brauchte man mehr. Und die Menge, die nötig war, um die Ergebnisse von BOOMERanG und MAXIMA zu erklären entsprach genau der Menge an Energie, die auch nötig war, um die beschleunigte Expansion des Universums zu erklären!
Zwei unabhängige Methoden hatten also zum selben Ergebnis geführt: es muss eine dunkle Energie geben.
Konstante oder Quintessenz?
Es schien also klar, dass die dunkle Energie existiert. Aber – so wie bei der dunklen Materie – war völlig unklar, um was es sich dabei handeln sollte!
Dabei zeigte sich, dass die dunkle Energie einen historischen Vorläufer hatte. Kein geringerer als Albert Einstein hatte in den Gleichungen seiner berühmten allgemeinen Relativitätstheorie einen Term eingeführt, der genau das Verhalten der dunklen Energie zu beschreiben schien: die kosmologische Konstante.
Einsteins Feldgleichungen werden durch Integration hergeleitet. Und – vielleicht erinnert sich noch jemand an den Schulunterricht – bei einer Integration gibt es immer eine Integrationskonstante. Die taucht auch bei Einstein auf – und je nachdem welchen Wert diese Konstante annimmt, ergeben sich gravierende Auswirkungen auf das Verhalten des Universums. Ist die Konstante negativ, dann entspricht dass einer kosmischen Anziehung – das Universum würde also in sich zusammenfallen. Ist die Konstante gleich null, dann bestimmt allein die Materie innerhalb des Universums durch ihre wechselseitige Anziehungskraft wie sich das Universum verhält. Und ist die Konstante positiv, dann entsteht eine kosmische “Abstoßung” – eine Kraft, die der Gravitation entgegenwirkt; so wie die dunkle Energie.
Als Einstein seine Gleichungen aufstellte, ging man allgemein von einem statischen, unveränderlichen Universum aus. Wenn die Konstante gleich null ist, kann das aber nicht der Fall der sein – denn dann würde die Masse darin sofort dafür sorgen, dass das Universum in sich zusammenfällt oder sich ausdehnt. Also wählte Einstein eine Konstante größer als Null – und verwarf diese Entscheidung wieder, als Hubble zeigen konnte, dass das Universum eben nicht statisch ist.
Albert Einstein und Edwin Hubble am Mt. Wilson-Observatory, 1931 (Bild: Archives, California Institute of Technology)
Seitdem gingen die Kosmologen davon aus, die kosmologische Konstante tatsächlich nahezu Null beträgt und die Expansion des Universums durch die in ihm enthaltene Materie irgendwann abgebremst wird. Die Entdeckung der dunklen Energie hat allerdings gezeigt, dass das falsch ist und das eine positive kosmologische Konstante benötigt wird um die beschleunigte Expansion zu erklären.
Aber selbst wenn wir wissen, dass sich die dunkle Energie durch Einsteins kosmologische Konstante beschreiben lässt, wissen wir immer noch nicht, was sie denn nun ist. Man schlug vor, dass es sich dabei vielleicht um die quantentheoretische Energie des Vakuums handelt. Diese Erklärung wäre insofern elegant, weil sie erklären würde, warum wir die dunkle Energie nur auf großen Skalen bemerken und nicht z.B. bei der Bewegung der Planeten in unserem Sonnensystem. Auf dieser Skala wäre die Vakuumenergie viel zu gering um messbare Auswirkungen zu haben.
Leider lässt sich diese Theorie aber nicht in Einklang mit den Beobachtungen bringen. Die entsprechenden Zahlen zwischen Vorhersage und Beobachtung weichen dramatisch voneinander ab. Das hat manche Wissenschaftler dazu bewogen, keine kosmologische Konstante in Betracht zu ziehen – also eine dunkle Energie, die immer gleich groß ist – sondern eine dunkle Energie, die sich im Laufe der Zeit ändert. Diese zeitabhängige Form nennt man Quintessenz.
Neuere Messungen zeigen allerdings, dass sich die dunkle Energie doch eher wie eine kosmologische Konstante verhält und zeitlich nicht variabel ist.
Gibt es eine Antwort?
Es existieren noch weitere, exotischere Erklärung für die dunkle Energie (“Phantom-Energie“, “Chaplygin-Gas“, “topologische Defekte“, …) – aber ohne weitere Beobachtungen werden wir wohl nicht herausfinden, um was es sich dabei wirklich handelt.
Ganz wie bei der dunklen Materie wissen wir, dass die dunkle Energie existieren muss. Bei der dunklen Materie haben wir mittlerweile aber immerhin einige konkrete Vorstellungen über ihre Natur und die Möglichkeit, diese Theorie im Experiment zu prüfen. Bei der dunklen Energie stehen wir buchstäblich noch im dunklen.
Prototyp für das eROSITA-Teleskop (Bild: MPI-HLL)
Aber auch hier wird an neuen Experimenten und neuen Methoden gebastelt. Raumsonden wie eROSITA (“extended ROentgen Survey with an Imaging Telescope Array”), die im Jahr 2012 ins All starten soll, könnten hier wichtige Erkenntnisse bringen. Es bleibt zu hoffen, dass sie dabei helfen können, die Natur der dunklen Energie zu erhellen!
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