Meine weihnachtlichen Buchempfehlungen hab ich eigentlich schon abgeschlossen. Ein Buch habe ich allerdings gerade zu Ende gelesen, das unbedingt noch mit auf die Liste muss! Es geht darin um Alles und Nichts, um das Universum, von dem wir dachten, dass wir es kennen und feststellen mussten, dass wir nur einen winzigen Teil davon kannten. Über fantastische Entdeckungen und wissenschaftliche Rivalität, Konkurrenzkampf, Streit und Versöhnung. Es ist ein großartiges Buch und es heißt “The 4% Universe: Dark Matter, Dark Energy, and the Race to Discover the Rest of Reality” (auf Deutsch: “Das 4%-Universum: Dunkle Energie, dunkle Materie und die Geburt einer neuen Physik”).
Geschrieben hat es Richard Panek, den ich schon von seinem ebenfalls hervorragenden Buch “Das Auge Gottes. Das Teleskop und die lange Entdeckung der Unendlichkeit” kannte (Übrigens: Vielen vielen Dank an den Leser, der mir dieses Buch geschenkt hat! Und auch Danke an die anderen, die diesen Weg gewählt haben, um mir zu sagen, dass sie mein Blog gut finden. Ich freue mich immer enorm, wenn der Postbote wieder einmal mit einem Überraschungspaket vor der Tür steht).
Inhaltlich hat “The 4% Universe” drei große Themen. Den Urknall, die dunkle Materie und die dunkle Energie. Panek erklärt schön, knapp und verständlich, wie sich die Kosmologie von einer eher philosophischen und wenig wissenschaftlichen Angelegenheit im Lauf des 20. Jahrhunderts zu einer seriösen und objektiven Naturwissenschaft entwickelt hat, die Vorhersagen machen konnte, die durch konkrete Beobachtungen verifiziert bzw. falsifiziert werden konnten. Das beste Beispiel ist die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung, die deswegen auch einen prominenten Platz in Paneks Buch einnimmt. Die Geschichte des Urknalls ist aber nur das Vorspiel für das eigentlich Thema des Buchs: Die 96% des Universums, die “dunkel” sind. Die Materie, aus der wir selbst bestehen, unsere Erde, unsere Sonne und all das andere, dass wir im All sehen und beobachten können und vor der wir dachten, dass sie alles ausmacht, was vorhanden ist, stellt in Wahrheit nur einen kleinen Teil der Gesamtheit dar. Schon Anfang des 20 Jahrhunderts fanden die Astronomen immer mehr Hinweise auf eine spezielle Art von Materie, die zwar eine gravitativ Wirkung ausübt, aber keine elektromagnetische Strahlung abgibt, absorbiert oder sonst irgendwie damit in Kontakt tritt. Für uns ist sie unsichtbar, also “dunkel”. Wir können zwar messen, wie diese dunkle Materie ihre Umgebung beeinflusst, können sie aber nicht sehen. Etwas noch faszinierenderes fanden die Astronomen Ende des 20. Jahrhunderts. Sie entdeckten, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt. Irgendetwas muss für diese Beschleunigung verantwortlich sein und dieses unbekannte etwas nennt man Dunkle Energie (die Entdecker bekamen dafür dieses Jahr den Physik-Nobelpreis verliehen). Zusammen machen Dunkle Materie und Dunkle Energie den Großteil dessen aus, was unser Universum ist. Die “normale” Materie ist so gering, dass man sie auch als “Verunreinigung” in diesem dunklen Universum bezeichnen könnte.
Das Besondere an Paneks Buch ist nicht, dass er all diese Themen gut und verständlich erklären kann. Das tun auch andere Bücher. Das außergewöhnliche ist die Art und Weise wie er die Themen präsentiert. Panek hat für dieses Buch 91 (!) Wissenschaftler interviewt; also quasi alle, die an der relevanten Forschung beteiligt und noch am Leben waren. So bekommt man einen einmaligen Einblick in die Abläufe hinter den Kulissen. Wenn in den einschlägigen Texten zum Beispiel steht “Zwei Wissenschaftsgruppen um Brian Schmidt und Saul Perlmutter entdeckten Ende der 1990er Jahre durch die Analyse von Supernovabeobachtungen, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt.”, dann ist das zwar richtig, aber verschweigt das ganze Drama, den Konkurrenzkampf und den Streit den diese mühsame Suche mit sich brachte. Panek erzählt davon im Detail (bis hin zu Emails der Forscher, die er im Buch zitiert). Davon, wie Perlmutter als Physiker Schwierigkeiten hatte, mit seiner Supernovaforschung von den Astronomen überhaupt ernst genommen zu werden. Darüber, wie schwierig es anfangs war, überhaupt irgendwelche Supernovae zu beobachten und wie Teams oft nach jahrelangen Beobachtungsversuchen ohne Erfolg aufgeben mussten. Darüber, wie die Teams um Brian Schmidt und Saul Perlmutter miteinander wetteiferten, mehr und weiter entfernte Supernovabeobachtungen zu machen. Wie sie fast gleichzeitig zu dem Schluss kamen, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt und wie daraus erbitterte Prioritätsstreitereien wurden. Die Geschichte liest sich wie spannend wie ein Krimi und man bekommt einen wunderbaren Einblick in das Leben eines Wissenschaftlers.
“The 4% Universe: Dark Matter, Dark Energy, and the Race to Discover the Rest of Reality” gehört zu den besten Büchern über Astronomie bzw. Kosmologie, dass ich in letzter Zeit gelesen habe: Eine absolute Leseempfehlung!
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