Im Zentrum jeder großen Galaxie sitzt ein supermassereiches schwarzes Loch. Und auch wenn ein schwarzes Loch kein Staubsauger ist, verschluckt es doch gerne mal den einen oder anderen Stern oder die eine oder andere Gaswolke. Was eben gerade so da ist. Man dachte deswegen auch bis jetzt, dass das Wachstum der schwarzen Löcher eng mit dem Wachstum des Sternhaufens verknüpft ist, der sie umgibt. Die große und dichte Ansammlung von Sternen in der Zentralregion einer Galaxie nennt man “Bulge” und je größer der Bulge ist, desto massereicher sollte auch das schwarze Loch in seiner Mitte sein. Neue Beobachtungen zeigen aber, dass das nicht immer stimmen muss.
NGC 4342 und NGC 4291 sind zwei Galaxien in unserer Nachbarschaft. Sind sind zwar immer noch 75 beziehungsweise 85 Millionen Lichtjahre weit entfernt; aber aus kosmischer Sicht liegen sie gleich nebenan. Hier sind sie:
Die Bilder sind eine Mischung aus Infrarotbildern und Röntgenaufnahmen. Röntgenstrahlung ist wichtig, wenn man schwarze Löcher sehen will. Die sind zwar eigentlich unsichtbar. Aber wenn Material auf ein schwarzes Loch fällt, dann macht es dass nicht auf direkten Weg sondern es spiralt zuerst um das Loch herum. Um ein aktives, fressendes Loch bildet sich also eine sogenannte “Akkretionsscheibe” aus Staub und Gas. Das Material dort bewegt sich enorm schnell, wird dabei enorm heiß und gibt jede Menge Strahlung ab. Vor allem Röntgenstrahlung. Darum kann man die Umgebung von schwarzen Löchern in Röntgenteleskopen auch besonders gut sehen.
Hier wurde das Röntgenteleskop Chandra aber auf andere Art eingesetzt. Die Forscher waren an dem heißen Gas interessiert, das sich zwischen den Sternen befindet. Je heißer das Gas, desto schneller bewegen sich die Teilchen dort. Und desto stärker muss die gesamte Anziehungskraft der Galaxie sein, um die schnellen Teilchen zurückzuhalten. Ansonsten würden sie in den intergalaktischen Raum entkommen und die Wolken würden sich auflösen. Mit einem Röntgenteleskop kann man die Temperatur dieser Gaswolken bestimmen und so herausfinden, wie groß die Gravitationskraft ist, die von der ganzen Galaxie ausgeübt wird.
Warum ist das interessant? NGC 4342 und NGC 4291 haben beide zu große schwarze Löcher. Sind sind deutlich größer, als man es aufgrund ihres Bulges erwarten würde. Die Wissenschaftler vermuteten, dass beide Galaxien in Folge von Kollisionen mit anderen Galaxien, Gas und Sterne verloren haben. Was man heute noch sieht, sind nur die Überreste und daher erscheint es so, als ob die schwarzen Löcher größer wären, als sie sein sollten.
Die Röntgenbeobachtung des heißen Gases zeigte allerdings etwas ganz anderes. Die Daten legen nahe, dass beide Galaxie noch sehr viel dunkle Materie enthalten. Die sichtbare Materie allein reicht nicht aus, um zu erklären, warum das heiße und schnelle Gas immer noch da ist. Es muss noch mehr Materie vorhanden sein, deren Gravitationskraft die Teilchen festhält. Diese dunkle Materie umgibt die Galaxien in einer großen Wolke. Bei einer Kollision zwischen zwei Galaxien sollten nun vor allem diese Wolken in den Außenbereichen betroffen sein. Man würde also wenig dunkle Materie erwarten. Aber genau das Gegenteil wurde gemessen.
Die übergewichtigen schwarzen Löcher sind also nicht auf eine galaktische Kollision zurückzuführen. Die überschweren schwarzen Löcher passen gut zu den übergroßen Wolken aus dunkler Materie. Nur die Zahl der sichtbaren Sterne im galaktischen Zentrum passt nicht so ganz dazu. Die Größe des Bulges scheint also nicht so eng mit der Größe des schwarzen Lochs zusammen zu hängen, wie man bisher dachte. Die Wissenschaftler werden sich nun Gedanken über neue Mechanismen machen müssen, die das Wachstum supermassereicher schwarzer Löcher beschreiben können.
So ist Wissenschaft: Immer dann, wenn die Beobachtung der Realität nicht mit unseren bisherigen Erklärungen zusammen passt, dann stehen wir kurz davor, etwas Neues zu lernen! Ich bin schon gespannt, was es diesmal sein wird.
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