Weymayr und Heißmann erklären die gesetzliche Sonderstellung der Homöopathie im Detail und je mehr man liest, desto absurder wird das Ganze. Mit aller Macht wird hier probiert, den Status der Homöopathie als “Medizin” aufrecht zu halten und dort wo es auffallen würde, dass Homöopathie nichts mit echter Medizin zu tun hat, bekommt sie gesetzliche Sonderregelungen… Regeln sind für die Homöopathie sowieso besonders wichtig. Die meisten Regeln sind absurd; so absurd, dass man sie im Laufe der Zeit einfach ignoriert hat. Würde man den Lehren von Samuel Hahnemann heute noch folgen, dürfte niemand ein Mittagsschläfchen machen, Schweinefleisch essen oder im Bett Bücher lesen, der ernsthaft Homöopathie betreiben will. In der echten Medizin dagegen ist vor allem eine Frage wichtig: Wirkt etwas oder wirkt es nicht? Welche Wirkung ist belegbar? Die Autoren meinen dazu:
“So ein allgemein akzeptiertes, auf naturwissenschaftlich-logischen Grundsätzen fußendes Prinzip fehlt der Homöopathie. Um sie zusammenzuhalten, braucht es deshalb ein von oben aufgesetztes, autoritäres Regelwerk, dessen Komplexität die Spreu vom Weizen, sprich die Mitläufer von den ernsthaften Anhängern, trennt und die Homöopathie von anderen Lehren abgrenzt. (…) Entzöge man der Homöopathie ihr Regelwerk, würde sie auf das reduziert werden, was sie ist: eine harmlose Glaubenssache, die neben Heilsteinen, Himalajasalz und Horoskopen ihr esoterisches Auskommen hätte. Dass ihr eigenes Regelwerk, das letztlich nur Blendwerk ist, staatlich anerkannt und sogar gefördert wird, ist ein Schlag ins Gesicht aller Ärzte, Institutionen und Firmen, die einer Medizin auf naturwissenschaftlich-rationaler Grundlage verpflichtet sind.”
Das vorletzte Kapitel des Buches enthält eine ausführliche Analyse der Medien und ihrer Darstellung der Homöopathie. Auch hier ist das Fazit recht deprimierend. Selbst eigentlich seriöse Zeitungen wie GEO veröffentlichen völlig unkritische Artikel über Homöopathie (ich habe damals darüber berichtet; hier gibt es eine Übersicht). Christian Weymayr und Nicole Heißmann kommen am Ende ihres Buches zu folgendem Fazit:
“Wir meinen, dass die Homöopathie vor allem unser wissenschaftlich-rationales Denken und Handeln untergräbt und als Einfallstor für irrationale Ansichten dienen kann. Denn wenn man spezifische Wirkungen der Homöopathika, obwohl unmöglich, für möglich hält, verliert man die verlässlichen Kriterien, die uns die Naturgesetze, die Mathematik und die Logik vorgeben – wir verlieren damit die einzige allgemeingültige und objektive Entscheidungsgrundlage. Wir müssen uns stattdessen auf subjektive Kriterien verlassen, auf unser Gefühl, auf das Hörensagen, auf unsere Erfahrung. Und damit werden wir manipulierbar: Wer an Homöopathie glaubt, kann kein übersinnliches Phänomen, keinen faulen Zauber, kein rhetorisches Blendwerk und keine Verschwörungstheorie entkräften, weil er nicht sagen kann, warum die Homöopathie glaubwürdiger sein soll, als jene Behauptungen.”
Dem kann ich nur absolut zustimmen. Natürlich ist Homöopathie auch anderweitig schädlich. Menschen schieben wichtige Behandlungen mit echten Medikamenten auf. Eltern “behandeln” ihre Kinder selbst mit Globuli, anstatt mit ihnen zum Arzt zu gehen. Und so weiter. Aber über all dem steht die Irrationalität der Homöopathie. Es ist absurd, wenn aufgeklärte und fortschrittliche Länder einem Aberglauben wie der Homöopathie nicht nur anhängen, sondern sogar noch staatlich fördern. Wenn sich Aberglaube und Unvernunft weiter ausbreiten, dann schadet das am Ende der ganzen Gesellschaft.
Leider ist es schwierig, die Anhänger der Homöopathie zu überzeugen. Gerade weil Homöopathie nicht auf rationalen Grundlagen basiert sondern Glaubenssache ist, kann man die Gläubigen auch nicht mit rationalen Argumenten erreichen. Trotzdem ist das Buch von Weymayr und Heißmann sehr wichtig. Egal wie sehr die Homöopathie die Gesellschaft schon durchdrungen hat: Es ist wichtig, dass es weiterhin Menschen gibt, die erklären, worum es sich dabei wirklich handelt. Keine “sanfte, pflanzliche Naturheilkunde”, sondern ein magisches Denksystem, bei dem die absurdesten Zutaten durch Schütteln und Klopfen auf unerklärliche Weise in “Medikamente” verwandelt werden, die aus reinem Zucker oder Wasser bestehen, aber trotzdem auf geheimnisvolle Weise “Heilkräfte” erhalten sollen. Eine “Medizin”, die schon seit über 100 Jahren durch wissenschaftliche Erkenntnisse widerlegt ist. Frei nach Phil Plaits Zitat über Astrologie kann man sagen:
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