Heute Nacht ist der Asteroid Apophis in der Nähe der Erde vorbei geflogen. Ihr erinnert euch sicher: Apophis ist der Asteroid, der schon seit Jahren immer wieder für Katastrophenszenarien her halten muss. Das liegt an der Geschichte seiner Entdeckung. Als man ihn 2004 zum ersten Mal beobachtete, sah es so aus, als würde er in ein paar Jahrzehnten tatsächlich mit der Erde zusammenstoßen. Aber die Sache hat sich dann schnell geklärt und heute wissen wir, dass keine wirkliche Gefahr einer Kollision besteht. Der Asteroid taucht aber trotzdem immer wieder gerne in den Medien auf; leider oft auch mit falschen Informationen.
Der aktuelle Vorbeiflug war natürlich völlig ungefährlich. Der Abstand zwischen Erde und Asteroid betrug 14 Millionen Kilometer! Das ist so weit weg, dass ich persönlich das nicht einmal als “naher Vorbeiflug” bezeichnen würde. Aber es ist zumindest nah genug, um ein bisschen interessante Wissenschaft anzustellen. Und das hat man natürlich auch gemacht.
Mit normalen Teleskopen ist von Apophis nicht viel zu sehen. Der Asteroid durchmisst nur knapp 300 Meter und ist damit viel zu klein, um mehr als nur einen Lichtpunkt am Himmel abzugeben. Hier ist ein schönes Video, dass die Bewegung von Apophis über den Himmel zeigt:
Aber wir haben ja auch noch große Teleskope direkt im Weltall! Herschel zum Beispiel. Herschel beobachtet normalerweise ferne Sterne und Galaxien. Herschel sieht die Welt auch nicht so, wie wir sie mit unseren Augen sehen. Herschel ist ein Infrarotteleskop und deswegen besonders gut geeignet um durch die interstellaren Staubwolken zu sehen. Aber manchmal blickt Herschel eben auch auf die unmittelbare Umgebung der Erde und man hat sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, auch mal einen Asteroiden genauer anzusehen. So sehen die Bilder von Herschel aus, die er in drei verschiedenen Infrarotwellenlängen gemacht hat:
Immer noch nicht sehr beeindruckend, oder? Abwarten! Apophis ist halt einfach nur ein kleiner Felsbrocken, da kann auch Herschel nichts dagegen machen. Und weil Herschel nur im Infrarotlicht sehen kann, das eine längere Wellenlänge hat als das normale sichtbare Licht, sind seine Bilder zwangsläufig weniger scharf als bei einem optischen Teleskop (Je länger die Wellenlänge, desto
schlechter die Auflösung bei gleicher Größe des Teleskops. Darum müssen Radioteleskope auch so enorm groß sein). Aber mit den Daten von Herschel lässt sich trotzdem viel anfangen.
Zuerst einmal ist es eine weitere Beobachtung. Und je mehr Beobachtungen es gibt, desto besser lässt sich die Bahn von Apophis bestimmen und desto genauer lässt sich sagen, was bei den nächsten Annäherungen an die Erde passieren wird und ob vielleicht irgendwann in Zukunft doch noch mal die Chance auf eine Kollision besteht.
Wenn man die Bahn eines Asteroiden möglichst exakt vorhersagen will, dann darf man sich nicht allein auf Gravitationskraft beschränken. Normalerweise ist es ja die gravitative Anziehungskraft der Sonne und der Planeten, die die Bahn eines Himmelskörpers bestimmt. Und das ist natürlich auch bei Apophis so. Aber es gibt noch andere Effekte, die zwar klein sind, aber eine meßbare Auswirkung haben. Zum Beispiel den Jarkowski-Effekt, den ich hier im Detail erklärt habe. Simpel gesagt ist es die Wärmeabstrahlung, die den Asteroid ein klein bisschen durch die Gegend schieben kann. Wenn eine Hälfte des Asteroiden wärmer ist als die andere, kann durch diese Asymmetrie eine Kraft entstehen, die seine Bahn um ein paar Dutzend Meter verändern kann. Wenn man lange Zeiträume betrachtet, dann kann sich das durchaus summieren und wenn man genau wissen will, wo sich ein Asteroid in der Zukunft befinden wird, dann muss man das berücksichtigen.
Mit den Daten von Herschel war es nun erstmals möglich, ein Modell der Temperaturverteilung von Apophis zu erstellen. Das sieht so aus:
Wie gesagt, es ist ein Modell (und die Temperaturen sind in Kelvin angegeben). Der Asteroid ist vermutlich nicht sphärisch, so wie im Bild, sondern eher ein wenig länglicher; eiförmiger. Aber trotzdem kann man mit den Daten gut arbeiten und wird den Jarkowski-Effekt in Zukunft viel genauer berechnen können.
Die neuen Daten werden besonders die Autoren dieser Arbeit ärgern. In ihrem Artikel mit dem Titel “Yarkovsky-driven impact risk analysis for asteroid (99942) Apophis” haben sich Astronomen vom JPL im Detail mit der Bahn von Apophis beschäftigt und auch den Jarkowski-Effekt berücksichtigt. Allerdings erschien er zeitgleich mit den Daten von Herschel und die Autoren hatten keine Gelegenheit, die neuen Beobachtungen in ihrer Arbeit einzubauen. Die Ergebnisse sind trotzdem interessant. Die Autoren zeigen, dass man bei diesem Vorbeiflug die Auswirkungen des Jarkowksi-Effekts sowieso nicht messen hätte können. Denn dazu braucht man ausreichend Vergleichsdaten früherer Vorbeiflüge und die hat man bei Apophis noch nicht. Unter Berücksichtung der möglichen Auswirkung des Jarkowski-Effekts haben die Wissenschaftler auch die Kollisionswahrscheinlichkeit mit der Erde neu berechnet.
Für die nahe Zukunft tut sich da nicht viel. Wenn der Asteroid 2029 sehr nahe an der Erde vorbeifliegen wird, dann wird er auch tatsächlich vorbei fliegen und nicht kollidieren. Die Kollisionswahrscheinlichkeit für den Vorbeiflug im Jahr 2036 ist weiterhin enorm gering und beträgt nur 0,0004 Prozent. Anders gesagt: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9996 Prozent passiert nichts. 0,0004 Prozent sind sogar geringer als das “Hintergrundrauschen”: Es ist als wahrscheinlicher, dass irgendwann irgendein unbekanntes anderes Teil plötzlich auftaucht und mit der Erde kollidiert, als das Apophis mit uns zusammenstoßen wird. Ehrlich, das ist nichts, was uns Sorgen machen sollte und Apophis wird auf der Turiner Skala – mit der man die Gefährlichkeit von Asteroiden misst – zu Recht mit “0”, der niedrigstens Stufe, klassifiziert. Das heißt, es handelt sich um ein “Ereignis, das höchstwahrscheinlich keine Konsequenzen haben wird”
Nachtrag: Eine aktuelle Auswertung der letzten Beobachtungsdaten zeigt nun klar: Auch 2036 wird der Asteroid an der Erde vorbeifliegen.
Wenn man auch bei diesem Vorbeiflug den Jarkowski-Effekt nicht messen konnte, so wird man das mit den neuen Daten beim nächsten Besuch auf jeden Fall viel besser hinkriegen. Und man hat auch diesmal Neues gelernt! Danke der Beobachtungen von Herschel wissen wir jetzt besser Bescheid, wie groß Apophis ist. Bisher wusste man nur, dass er ungefähr einen Durchmesser von 270 Meter hat; die Fehlergrenze betrug aber ganze 60 Meter. Jetzt konnte man die Größe auf 325 Meter festlegen und die Fehlergrenze auf nur 15 Meter senken. Apophis ist also ein klein wenig größer als man bisher dachte. Und dunkler. Die Astronomen haben auch die Albedo gemessen. Das ist die Rückstrahlfähigkeit des Materials aus dem ein Himmelskörper besteht. Eisbedeckte Objekte zum Beispiel haben eine hohe Albedo, da Eis das Licht der Sonne gut reflektiert. Himmelskörper die mit Staub und Felsen bedeckt sind, dagegen eher nicht. Die Albedo von Apophis beträgt nach den neuen Messungen 0,23. Es wird also nur 23 Prozent des einfallenden Lichts reflektiert. Bisher dachte man, es wären 33 Prozent.
Apophis ist also ein wenig größer und dunkler, als man bisher dachte. Aber Apophis ist immer noch kein Grund zur Panik! Man muss sich keine Sorgen machen, dass der Asteroid in naher Zukunft mit der Erde zusammenstoßen wird. Und selbst wenn so etwas irgendwann einmal bevorstehen sollte, können wir etwas dagegen tun. Ich habe das in meiner Serie zur Asteroidenabwehr ausführlich erklärt: Asteroidenabwehr: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5. Wissenschaftler haben sich sogar ganz speziell Apophis angesehen und gezeigt, dass wir im Prinzip in der Lage wären, seine Bahn zu verändern.
Ich freue mich auf den 13. April 2029! Da wird Apophis in nur 31000 Kilometer Entfernung an der Erde vorbeifliegen. Er wird nicht mit der Erde zusammenstoßen. Es wird ein cooles Ereignis werden. Und wir werden jede Menge neue Dinge über Asteroiden lernen können.
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