Ich hatte ja gehofft, dass sich wenigstens die einzige regelmäßige wissenschaftliche Diskussionsrunde im ÖR-Fernsehen mit dem Thema beschäftigt. Aber auch bei Scobel auf 3sat geht es wieder mal nur ums Essen. Das Thema lautet:
- Essen – getäuscht und abgespeist? Was uns die Lebensmittelchemie alles vorgaukelt
(Anscheinend ist Pferdefleisch im Essen deutlich relevanter und wichtiger als ein Asteroideneinschlag… Zu dem Thema empfehle ich übrigens diese Kolumne, da ist eigentlich alles zum Fleischskandal gesagt.)
Wissenschaft darf im Fernsehen anscheinend nur in den eigens dafür vorgesehenen Wissenschaftssendungen passieren – die dann meistens auf irgendwelchen unattraktiven Sendern und Programmplätzen versteckt werden. Sicherheitshalber habe ich mir auch noch die Themen der verschiedenen ÖR-Wissenschaftssendungen der aktuellen Woche angesehen:
Wissen vor acht (ARD):
- Gemeinsam übersetzen
- Das Batteriespray
- Wieso misslingt die Teezubereitung im Gebirge?
- Seit wann kennen wir das Prinzip der Schraube?
- Können Schatten schneller sein als das Licht?
Quarks & Co (WDR):
- 8000 Jahre Alkohol – eine Kulturgeschichte
Abenteuer Forschung (ZDF):
- Blackout – Geht uns das Licht aus? Wie begründet ist die Angst vor langen Stromausfällen?
Planet Wissen (BRAlpha):
- Warme Wohnung ohne Mieterhöhung – so funktioniert Energiesparen
- Exzentriker – Irgendwie anders sein
- Zivilcourage
- Ungewollt kinderlos – Diagnose unfruchtbar
- Alkohol – Die Lust am Rausch
Lexi TV (MDR):
- Brüssel
- Das Politbüro
- Barock
- Transit durch den Osten
- Eliteeinheiten
Faszination Wissen (BR):
- Zerstörerische Stürme – Können wir uns schützen?
W wie Wissen (ARD):
- Diebische Delfine
- Kakerlaken, Geckos und Roboter
- Das “größte” Raubtier der Welt: Die Argentinische Ameise
- Wolf und Hund
X:enius (Arte):
- Sind Impfungen heute wirklich noch notwendig
- Empört eucht – mit Herz und Verstand zur ethischen Revolution
- Mimik – Was verrät sie über uns?
- Spurensuche – Was ist heute möglich?
- Moral – Dürfen wir alles, was möglich ist?
Nano (3sat):
- Wissen, woher das Fleisch kommt / Gülle-Flut / Herzchirurgen kritisieren die Mitra-Clips / DNA im Umbau / aha: Schimmel – Gefahr im Wohnraum / Mehr Raum für wilde Feldhamster
- nano spezial: Öko – Bio – Besser?
- Allensbach-Umfrage – Gerechtigkeit vermisst / Arme sterben früher / Die Luftwaschanlage / Umstrittene Eisenkur gegen den Klimawandel / Biber ziehen in die Stadt / Singvögel orientieren sich auch über Geruch
- Impfstoffe ohne Eier herstellen
- Rapssorte “Clearfield” – Ein unklares Feld / Spielen ist menschlich
Jede Menge mehr oder weniger interessante Themen. Aber nichts über den Meteor und nicht mal irgendwas über Astronomie (Am Freitag selbst hatte nano auf 3sat allerdings einen kurzen Beitrag über den Asteroid 2012DA14 und zeigte davor circa eine Minute lang einen Bericht über die Ereignisse in Russland).
Vielleicht habe ich ja wirklich unrealistische Vorstellungen. Vielleicht finde ich den Meteor von Russland nur deswegen so eindrucksvoll, weil ich Astronom bin. Vielleicht ist es tatsächlich völlig egal, was irgendwo im fernen Ural passiert.
Aber es sollte nicht egal sein! Wissenschaft IST wichtig. Und sollte daher auch im Fernsehen stattfinden, auf Programmplätzen, wo viele Menschen zusehen und nicht versteckt in den dritten Programmen und Spartensendern. Wissenschaft ist das, was unser Leben bestimmt (auch wenn das vielen nicht bewusst ist, eben weil man so selten etwas darüber erfährt) und wir sollten darüber informiert sein. Und informiert werden. Aber im Fernsehen scheint man Angst zu haben, über Wissenschaft zu sprechen. Man scheint immer noch zu glauben, man würde damit die Menschen verschrecken. Und könne nur dann eine vernünftige Talk-Show produzieren, wenn mindestens ein Casting-Show-“Promi” mit dabei ist. Oder einer der Handvoll Politiker, deren Gesichter man auch in allen anderen Talk-Shows gesehen hat (zur Typologie der immer gleichen Talks-Show-Gäste gibt es bei Zeit Online einen sehr schönen Artikel). Oder ein Koch (ernsthaft, das ZDF schafft es, mindestens zwei Kochsendungen täglich auszustrahlen, aber die einzige halbwegs brauchbare Wissenschaftssendung gibt es nur einmal pro Woche spät am Abend). Ich bin immer wieder fasziniert (und deprimiert), wenn ich mir Fernsehsendungen in Großbritannien ansehen. Da gibt es Astronomie im Fernsehen und Mathematik. Es gibt regelmäßige Diskussionsrunden über Wissenschaft zu vernünftigen Zeiten. Wissenschaft ist interessant und man kann damit tatsächlich auch ein Fernsehprogramm gestalten. Man muss sich nur mal trauen. Wenn man den Menschen allerdings immer einredet, in einer Talk-Show dürften nur Z-Promis und Politiker zu Wort kommen, aber keine Wissenschaftler, dann werden die Menschen das auch irgendwann glauben.
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