Das Buch ist nicht nur sehr lebendig und lesenswert geschrieben, es stellt auch einige wichtige Fragen. Wo endet die Freiheit des Wissens und wo fängt die notwendige Kontrolle an? Soll die Politik darüber bestimmen, wer über etwas Bescheid wissen darf und wer nicht? Wie würde so eine Welt aussehen?
“Es gäbe ‘verbotenes’ Herrschaftswissen und eine zensierte Volksbildung. Es gäbe geheime Herrschaftstechnologie, die Gene manipuliert, neue Protein-Wirkstoffe in die Produktion schickt, künstliche Organismen erlaubt oder verbietet. (…) Wünschen wir uns Gentech-Eliten, die hinter verschlossenen Türen agieren?”
Vermutlich eher nicht. Die Menschen werden sich weiter mit dem gentechnischen Wissen beschäftigen; auf professionellem Niveau genauso wie in der privaten Gentechnik-Garage. Und die Politik wird nicht umhin kommen, sich mit der Frage zu beschäftigen, wer was darf und was nicht:
“Ob das dann erlaubt und sicher ist oder nicht, darüber sollten möglichst nicht Konzerne und Lobbygruppen der Industrie einerseits oder fundamentalistische Umweltgruppen andererseits entscheiden. Sondern möglichst aufgeklärte Bürger und deren parlamentarische Repräsentanten, beraten von möglichst unabhängigen Profi- und auch Amateur-Wissenschaftlern.”
Wie wichtig und aktuell dieses Thema ist, sieht man ja derzeit in Niedersachsen, wo die Rot-Grüne-Regierung das ganze Land “gentechnik-frei” machen will und dazu auch Projekte abschafft, die über Gentechnik informieren sollen. Aber wenn man beurteilen will, ob Gentechnik gefährlich ist oder nicht und WANN sie gefährlich ist und wann nicht, dann muss man forschen. Und wenn man will, dass die Bevölkerung darüber entscheidet, dann soll man es der Bevölkerung auch erlauben, sich damit zu beschäftigen.
Als Astronom habe ich ja einen besonderen Blick auf dieses Thema. In der Astronomie ist das, was in der Biohacker-Szene gerade beginnt, ja schon lange Realität. Hobby-Astronomen überall auf der Welt beobachten die Sterne. Sie lernen die Grundlagen der Astronomie, sie bauen sich Sternwarten und Teleskope, die oft mit den Geräten der Profis mithalten können, sie haben auf ihrem Spezialgebiet ein oft ebenso umfangreiches Wissen wie die Berufsastronomen und sie leisten auch immer wieder wichtige Beiträge zur Forschung (Kleine Anmerkung: Der u.a. vom Hobby-Astronom David Levy entdeckte Komet Shoemaker-Levy 9 kollidierte 1994 mit dem Planet Jupiter, nicht mit Saturn, wie im Buch geschrieben). Professionelle Astronomen und Hobby-Astronomen arbeiten seit langem friedlich zusammen und profitieren jeweils vom Engagement der anderen. Die Biologie und die Gentechnik hat natürlich eine andere gesellschaftliche Relevanz als die Astronomie – aber es spricht eigentlich nichts dagegen, dass sich auch hier die Hobby-Szene genauso vernünftig entwickeln kann wie in der Astronomie.
Ich kann euch das Buch nur empfehlen. Noch spielt Biohacking zumindest in Deutschland keine große Rolle. Aber das wird sich eventuell ändern. Es lohnt sich, darüber informiert zu sein. Ich hätte mir zwar gewünscht, im Buch ein paar mehr konkrete Informationen über die eigentlichen Experimente zu erfahren; darüber, was die Leute wirklich machen, was alles machbar ist und mehr “Selbstversuche” um zu sehen, ob die Dinge wirklich so einfach sind, wie manche sich das vielleicht denken. Aber Biohacking ist derzeit noch ein sehr teures Hobby (so wie die Amateurastronomie auch) und es ist verständlich, dass die Autoren nicht beliebig viel Zeit und Geld opfern können. Sie schaffen es auf jeden Fall, einen umfassenden und interessanten Überblick über die Szene zu bringen. Und wenn es in Jena eine Biohackerszene geben würde, hätte ich nach der Lektüre des Buches nun große Lust, selbst ein wenig mitzumachen…
(Disclaimer: Das Buch ist im gleichen Verlag erschienen wie mein aktuelles Buch “Der Komet im Cocktailglas”. Mehr Kontakt zwischen mir und den Autoren existiert aber nicht.)
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