Die nächste Passage, die ich kritisieren möchte, ist das von Prof. Thirring vorgebrachte Zitat von Hermann Bondi, der gesagt haben soll, dass der Atheismus eigentlich logisch unkonsistent sei, da er etwas verneint, das so vage definiert ist. Dafür, dass der Gottesbegriff vage definiert ist, sind aber nicht die Atheisten zuständig, sondern die Gottgläubigen, die sich auf keine klare Definition einigen können.
Ich verstehe nicht, warum hinter dem „Klicken“ eines Photons im Laborexperiment noch etwas, laut Prof. Bertelmann insbesondere etwas Göttliches, sein soll. Es spielen so viele Effekte und physikalische Phänomene mit bis es überhaupt zu diesem „Klick“ kommt. Ist es nicht schon faszinierend und verwunderlich genug, dass das überhaupt passiert? Muss man hinter Allem und Jedem etwas Göttliches sehen? Eine solche Position wäre beliebig nahe an Naturreligionen dran. Warum soll man die (physikalische) Welt nicht so annehmen, wie sie sich uns offenbart?
Wenn Prof. Zeilinger mit einem persönlichen Gott kommunizieren kann, dann liegt doch eine Beweismöglichkeit für die Existenz Gottes vor unserer Nase: In irgendeiner Weise muss diese Kommunikation doch stattfinden, ich denke hier an göttliche Eingebungen, das müsste sich im Prinzip in einer Untersuchung nachweisen lassen. Zum Beispiel ließe sich an den Gehirnströmen messen, ob eine ungewöhnliche Aktivität, hervorgerufen durch göttlichen Eingriff, stattfindet. Wie der genaue experimentelle Aufbau aussehen soll, da muss uns Prof. Zeilinger auf die Sprünge helfen. Ich schlage im vollen Ernst so eine Untersuchung vor. Ich erwarte zwar nicht, dass dies einen schlagenden Beweis für die Existenz Gottes bringt, jedoch soll man nichts unversucht lassen. Und wie es sich für einen guten Wissenschafter gehört, bin ich sofort bereit, meine Meinung zu ändern, falls die Fakten die Existenz Gottes glaubwürdig untermauern.
Ich möchte auch ausführen, warum der quantenmechanische Zufall keine Möglichkeit für Gott bietet, lenkend in den Lauf der Welt einzugreifen, im Gegensatz zu den Behauptungen von Prof. Zeilinger und Prof. Thirring. Vorgänge, die nach dem quantenmechanischen Zufall ablaufen, wie z.B. der Zerfall radioaktiver Atome, sind an ganz bestimmte statistische Gesetze gebunden. Eine Abweichung von diesen Gesetzen würde uns sofort auffallen, nicht nur im Physiklabor. Makroskopische Größen wie Luftdruck und -temperatur ergeben sich ebenfalls aus statistischen Gesetzen, denen der Mikrokosmos gehorcht und in denen der quantenmechanische Zufall eine Rolle spielt – eine Abweichung von diesen Gesetzen würde uns unweigerlich auffallen. Wenn man sich aber auf den Standpunkt stellt, dass Gott nicht im Großen – im statistischen Ensemble – eingreift, sondern im Kleinen – im einzelnen, quantenmechanisch zufälligen Ereignis – dann schwindet seine Einflussmöglichkeit gegen Null! Das, was früher „Gott der Allmächtige, der Schöpfer des Himmels und der Erde“ war, ist auf eine Miniaturausgabe zusammengeschrumpft. Die Aussage, „Zufall ist, wo Gott inkognito agiert“, ist meiner Ansicht nach also nicht haltbar.
Überhaupt schwingt in dem Gespräch immer die Diskussion von Eigenschaften Gottes mit, etwa bei der Frage von Thomas Kramar, ob Gott an die Gesetze der Logik gebunden ist. Ich kann meinen Physiker-Kollegen nur zustimmen, dass sie sich dieser Diskussion weitgehend verwehren – die Eigenschaften jedes Wesens kann man erst diskutieren, wenn seine Existenz außer Zweifel steht. Auf vergleichbare Weise entbehrlich wäre die Frage, ob rosa Einhörner den Paarhufern oder den Unpaarhufern zuzuordnen sind.
Die von Prof. Zeilinger eingeworfene Idee, dass die Physik etwas monotheistisches hat, etwa in der Form der Erhaltungssätze, halte ich für reinen christlichen Chauvinismus. Erhaltungssätze haben den Rang von Naturgesetzen, sie hätten also von jedem denkbaren Wissenschafter entdeckt werden könne, egal ob mit poly-, pan-, mono- oder atheistischem Hintergrund. Die Tatsache, dass hauptsächlich Physiker mit monotheistischem kulturellen Hintergründen zu deren Entdeckern gehören, ist nur dem (nicht quantenmechanischen) Zufall zu schulden, dass sie eben früher dran waren.
Weiters behauptet Prof. Thirring, dass heute die meisten Physiker an „die eine Urkraft“ glauben. Ersten bestreite ich, dass es wirklich „die meisten“ sind (dafür möchte ich gerne Zahlen einer entsprechenden Umfrage sehen), und zweitens ist mir absolut unklar, was mit dieser „Urkraft“ gemeint sein soll? Physiker suchen nach der sogenannten Dunklen Materie, versuchen zu ergründen, was die Dunkle Energie ist, sind auf der Suche nach der Grand Unified Theory und nach der Quantentheorie der Gravitation, aber all diese Konzepte werden verfolgt, um ganz konkrete Phänomene zu erklären. Was jedoch diese Urkraft sein soll, ist bisher an mir vorüber gegangen. Es kann sich nur um etwas Höchstspekulatives handeln, das in der gegenwärtigen physikalischen Diskussion kein brauchbares Konzept ist.
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