Mit am befremdlichsten ist jedoch für mich die Diskussion der Theodizee, der Frage, wie ein allmächtiger und gütiger Gott so viel Leid zulassen kann. Diese Frage wäre eigentlich ein hervorragendes Beispiel für Ockhams Rasiermesser, das besagt, dass die einfachste, unkomplizierteste Theorie mit den wenigsten Annahmen (meist) auch die richtige ist. Wendet man Ockhams Rasiermesser konsequent an, kann die Antwort auf die Theodizee nur sein, dass es keinen Gott gibt und das Leid durch unser freies Tun bzw. Naturereignisse (z.B. Erdbeben) in die Welt kommt. Damit sind alle argumentativen Verrenkungen, die in der Geschichte und auch im vorliegenden Gespräch der drei Physiker zuhauf zu finden sind, elegant umgangen. Das einzige was es dazu braucht, ist der Mut, die Grundannahme, dass es einen (allmächtigen und gütigen) Gott gibt, fallen zu lassen. Abgesehen davon wird jeder Philosoph bestätigen, dass Gut und Böse etwas Relatives und nichts Absolutes sind und somit auch keine Triebfeder für den Fortschritt, die biologische Evolution oder die individuelle Entwicklung sein können; es sind Behauptungen wie diese, die diesen Abschnitt des Gesprächs gelinde gesagt so schwer verdaulich machen.
Prof. Thirring hat bei seiner Antwort auf die Pilatusfrage („Was ist Wahrheit?“) wohl nicht sehr viel nachgedacht. Seine Antwort lauter: „Wahrheit ist, was in 2000 Jahren noch eine Richtigkeit haben wird.“. Damit hat er das Problem nur verschoben, denn was ist dann „Richtigkeit“? Jeder Logiker wird ob so einer Antwort nur den Kopf schütteln. Abgesehen davon ist die Zeit, wie lange etwas Bestand hat, nicht als Kriterium für den Wahrheitsgehalt einer Sache tauglich. Wenn das so wäre, müsste auch die Astrologie einen Wahrheitsgehalt haben, denn die gibt es auch schon mehr als 2000 Jahre lang.
Meine Antwort auf die Pilatusfrage lautet hingegen: „Wahrheit ist, was einer kritischen Überprüfung standhält und immer noch gültig ist, selbst wenn man nicht daran glaubt.“ Ich halte den Gottglauben für menschliches Wunschdenken. Das ist zwar menschlich verständlich, es bringt uns aber auch nichts, wenn wir uns einer Illusion hingeben. Wir hören besser auf, uns selber in die Tasche zu lügen und sollten uns endlich mit der Möglichkeit anfreunden, dass es keinen Gott geben könnte. Offensichtlich ist es selbst für manche hochgebildete Wissenschafter schwer, sich mit dieser Möglichkeit anzufreunden. Wo liegt die Schwierigkeit?
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es in den meisten großen Medien Österreichs verpönt zu sein scheint, überhaupt auszusprechen, dass es möglicherweise keinen Gott gibt. Ist das eine so ungehörige Aussage, die dem mündigen Bürger nicht zugemutet werden kann? Die drei Physiker müssen sich im Klaren sein, dass nun ihre Aussagen landauf landab in den Kirchen als „Beweis“ für die Existenz Gottes verkauft werden. Wenn das drei berühmte Wissenschafter sagen, wird es schon stimmen.Zweiflern wird ohnehin kein Gehör geschenkt, wenn man sich selber in die Tasche lügt
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