Dieser Artikel gehört zu meiner Serie “Tatort-Wissenschaft”. Wer damit nichts anfangen kann findet hier eine Erklärung. Es geht in diesem Artikel nicht um eine wissenschaftliche Erklärung der Tatort-Handlung sondern darum zu zeigen, dass Wissenschaft tatsächlich überall ist. Egal was wir (oder die Tatort-Kommissare) machen, es steckt Wissenschaft dahinter. Wir erleben die Welt aber meistens getrennt. Da gibt es “Wissenschaft” – und dann gibt es “alles andere”. Zum Beispiel Krimis wie den Tatort. Es mag konstruiert erscheinen, den Tatort mit wissenschaftlichen Phänomenen und Erklärungen in Verbindung zu bringen. Die Wissenschaft war aber schon die ganze Zeit da. Unsere gedankliche Trennung zwischen Krimi und Wissenschaft ist konstruiert. Ach ja, und wenn ihr nicht wissen wollt, wer der Mörder war, dann lest am besten nicht bis zum Ende…
————————————————————————————————————————Tatort-Folge Nummer 730 spielt in Berlin. Es geht um tote Tiere und tote Menschen. Es geht um die Unmöglichkeit, die Zeit zurück zu drehen und darum, dass die Dinge immer schlimmer werden. Und nicht einmal ein Perpetuum Mobile kann uns vor dem Verfall retten.

Die Hauptstadt kann manchmal ein wenig kalt und unfreundlich sein. Das gilt auf jeden Fall dann, wenn man in einem Kühlraum sitzt. Und dort finden die Kommissare Ritter und Stark auch die Leiche der heutigen Tatort-Folge. Der Tote ist der Chef eines großes Fleischbetriebs in dem Schweine am Laufenden Band geschlachtet und zerlegt werden. Zumindest dann, wenn die Arbeiter da sind, was hier aber nicht der Fall ist. Die sind alle verschwunden und die Firma scheint generell ein wenig in Auflösung begriffen zu sein. Der Juniorchef und Sohn des Toten ist gerade dabei, die Firma an zwielichtige (was auch sonst!) Geschäftsleute aus er Ukraine zu verkaufen. Und die Chefsekretärin ist ganz dem Klischee entsprechend äußerst unfreundlich. Für die verschwundenen Arbeiter ist ein Subunternehmer und ehemaliger Mitarbeiter der Firma verantwortlich, der gerade dabei ist eine Überdosis Tabletten in Alkohol aufzulösen als er von seiner Freundin (die auch im Fleischereibetrieb arbeitet) davon abgehalten wird, das Zeug zu trinken.

Alles ein wenig durcheinander und verwirrend; genauso wie die aufgelösten Tabletten im Alkoholglas angesichts deren man sich eine ganz klassische Frage der Physik stellen kann: Wieso lösen sich solche Tabletten immer auf, wenn man sie eine Flüssigkeit gibt? Warum rührt man nie ein Glas Wasser um, nur um plötzlich festzustellen, dass sich die aufgelösten Tablettenbestandteile wieder zu einer ganzen Tablette zusammengesetzt haben? Der physikalische Grund dafür heißt Entropie und die ist ein äußerst kniffliges Stück Physik! (Ich habe dazu früher schon mal hier mehr geschrieben)

Jede Menge Unordnung!

Jede Menge Unordnung!

Man kann sich die Sache leicht machen und dieses Wort mit “Unordnung” übersetzen und alles mit “Die Dinge werden halt von selbst nicht ordentlich!” erklären. Aber da “Unordnung” physikalisch nicht unbedingt exakt definiert ist und in unseren Köpfen meistens Bilder von unaufgeräumten Zimmern und anderen Dingen hervorruft, die mit dem Thema nichts zu tun hat, sollte man das besser vermeiden.

Physikalisch korrekter ist es, die Entropie als Maß für die möglichen Zustände zu definieren, die ein System einnehmen kann. Und der Zustand in dem eine Tablette unaufgelöst im Wasser liegt ist eben ziemlich einzigartig, wenn man ihn mit den unvorstellbaren vielen verschiedenen Zuständen vergleicht, die eine aufgelöste Tablette im Glas einnehmen kann. Das Prinzip dahinter ist besser zu verstehen, wenn man den beiden Kommissaren auf ihre Suche nach den verschwundenen Arbeitern folgt. Beziehungsweise nur Kommissar Stark, denn sein Kollege Ritter wurde von der Freundin des suizidalen Subunternehmers K.O. geschlagen und liegt nun im Koma. Stark lässt sich davon nicht beeinflussen und durchsucht die bruchreife Barracke, in der der die ausgebeuteten Gastarbeiter aus Bulgarien untergebracht waren. Dort findet er einen Erpresserbrief, der aus einzelnen Buchstaben zusammengesetzt ist, die aus einer Zeitung ausgeschnitten worden sind.

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Kommentare (6)

  1. #1 Sepp
    15. August 2013

    Ich finde die Kategorie super 🙂

  2. #2 Florian Freistetter
    15. August 2013

    @Sepp: Vielen Dank!

  3. […] Das Problem mit der Unterordnung und ein Perpetuum Mobile bei “Schweinegeld”, Astrodicticum simplex am 15. August […]

  4. #4 Liebenswuerdiges Scheusal
    18. August 2013

    Was ist nun eher ein Zustand geringer Entropie, im Koma zu liegen, oder bei Bewusstsein zu sein?

    Ist mir grad so eingefallen, auch ich find die Serie durchaus gelungen.

  5. #5 Dexter
    18. August 2013

    Sehr schön! Mehr, mehr, mehr! 🙂

  6. #6 Florian Freistetter
    22. August 2013

    @Scheusal: “Was ist nun eher ein Zustand geringer Entropie, im Koma zu liegen, oder bei Bewusstsein zu sein?”

    Sorry, hab die Frage jetzt erst gesehen. Philosophisch verzwickt. Physikalisch auch. Der Mensch ist ja entropisch gesehen ein Widerspruch. Wir sind ein Subsystem des Universums, dass einen niedrigentropischen Zustand aufrecht erhält, obwohl eigentlich alles immer entropischer werden sollte. Aber dafür brauchen wir halt Energie. Wenn wir die Energie nicht mehr haben (aka tot sind), dann nehmen wir den wesentlich wahrscheinlicheren Zustand einer langsam verwesenden Leiche ein. Koma und Lebendig sein würde ich in der Hinsicht als so ziemlich gleich entropisch ansehen. Man muss ja auch Energie reinstecken, um einen Menschen im Koma zu erhalten.