Man kann aber auch die Stabilität des Systems als ganzes betrachten. Je mehr Planeten sich gegenseitig beeinflussen, desto komplexer ist das gravitative Wechselspiel und desto weniger Freiheiten gibt es im Aufbau des Systems. Sind manche Planeten zu schwer oder zu nahe beieinander, dann werden die Störungen zu groß und das System wird instabil. Bei KOI-351 hat man daher die Bewegung der Planeten numerisch am Computer simuliert und nachgesehen, bei welchen Werten für die Massen der Planeten alles auseinander fliegt.
Beide Methoden liefern natürlich keine exakten Ergebnisse für die planetaren Massen aber sie zeigen auf jeden Fall übereinstimmend, dass es sich um Planeten handeln muss und keine kleinen Sternen. Die kleinen inneren Planeten haben ungefähr die dreifache Erdmasse; die drei Supererden sind ungefähr 10 Mal schwerer als die Erde; der kleinere Gasriese ist 1,7 Mal so schwer wie der Gasplanet Neptun und der große Gasplanet ist mit dem 0,8fachen der Jupitermasse fast so schwer wie der größte Planet in unserem Sonnensystem.
Ist KOI-351 also ein “zweites Sonnensystem”? Ja und Nein. Ja, weil es das erste wirklich komplette Planetensystem ist, das wir kennen. Es gibt dort kleine Planeten von Erdgröße; es gibt Supererden und es gibt Gasriesen. Bis jetzt hatten wir immer nur einzelne Planeten um Sterne entdeckt oder Planetensysteme mit vielen großen oder vielen kleinen Planeten. KOI-351 hat alles was das Planetenspektrum zu bieten hat und scheint das erste echte Planetensystem zu sein, das wir außerhalb des Sonnensystems gefunden haben. Natürlich gehen wir davon aus, dass es jede Menge solcher Systeme gibt und das jedes System auf seine Art “komplett” ist. Aber wir haben bis jetzt eben immer nur mal hier ein Stück und da ein Stück gefunden aber nie ein vollständiges System auf einmal (es besteht natürlich auch bei KOI-351 die Möglichkeit, dass dort noch weitere Planeten existieren die wir noch nicht gefunden haben). Die Entdeckung der 7 Planeten erlaubt es uns, die Entstehung und Entwicklung von Planetensystemen auf eine ganz neue Art zu untersuchen und es besteht Hoffnung das wir in Zukunft noch mehr solcher Planetensysteme finden.
KOI-351 ist also insofern ein zweites Sonnensystem, als es das zweite System mit vielen und einer großen Vielfalt an Planeten ist. Es ist aber KEIN “Zwilling” unseres eigenen System. Es gibt dort keine “zweite Erde”; es ist sind keine Kopien der Planeten in unserem Sonnensystem. Bei uns gibt es zum Beispiel keine Supererden – KOI-351 hat gleich drei davon. Und dann ist KOI-351 noch wesentlich kompakter. Alle sieben Planeten sind näher an ihrem Stern als die Erde an der Sonne!
Aber auch wenn es kein echtes “zweites Sonnensystem” ist, ist KOI-351 auf jeden Fall höchst interessant. Vielleicht findet man dort auch den ersten extrasolaren Mond. Die Beobachtungen des Transist des kleineren Gasriesen zeigen ein paar vielversprechende Unregelmäßigkeiten:
Die blauen Punkte im Diagramm zeigen die Beobachtungsdaten für die Helligkeit des Sterns. Jedesmal wenn der Planet von uns aus gesehen vor dem Stern vorüber zieht, leuchtet der Stern ein wenig schwächer. Die grüne Linie zeigt wo der Transit eigentlich statt finden sollte. Man sieht gut, dass die Daten kaum mit den Vorhersagen übereinstimmen. Es gibt immer kleinere Abweichungen, die auf die gravitativen Störungen der anderen Planeten zurückzuführen sind. Dramatisch ist aber der Unterschied im letzten Bild ganz rechts unten. Hier ist der Planet mit 25,7 Stunden über einen ganzen Tag zu spät zu seinem Transit gekommen! Das ist die größte Transitzeitvariation die bisher gemessen wurde. Bei der komplizierten Interaktion von sieben Planeten kann sowas schon mal vorkommen – aber es besteht auch die Möglichkeit dass die Störungen eines Mondes die Abweichungen noch verstärken. Im dritten Bild rechts oben zeigt ein schwarzer Pfeil auf etwas, das ein kleinerer Transit sein könnte. Hier könnte vielleicht ein Mond gemeinsam mit dem Planeten am Stern vorüber gezogen sein. Die Daten reichen noch nicht aus, um hier definitive Aussagen zu machen.
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