Dieser Artikel ist Teil einer fortlaufenden Besprechung des Buchs “Wenn Gott würfelt: oder Wie der Zufall unser Leben bestimmt” (im Original: “The Drunkard’s Walk: How Randomness Rules Our Lives”) von Leonard Mlodinow. Jeder Artikel dieser Serie beschäftigt sich mit einem anderen Kapitel des Buchs. Eine Übersicht über alle bisher erschienen Artikel findet man hier.
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Im ersten Kapitel des Buchs hat Mlodinow anschaulich dargelegt, wie sehr der Zufall unser Leben bestimmt und vor allem dort, wo wir nicht damit rechnen. Das zweite Kapitel hat sich mit den grundlegenden Regeln der Wahrscheinlichkeit beschäftigt. Im dritten Kapitel präsentiert Mlodinow das fiese Ziegenproblem, das unser Unverständnis der Wahrscheinlichkeit eindrucksvoll präsentiert. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit den Methoden zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten die vor allem Blaise Pascal im 17. Jahrhundert entwickelt hat. Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, was Wahrscheinlichkeiten in der realen Welt eigentlich bedeuten. Kapitel 6 erklärt die verwirrende Bayesschen Wahrscheinlichkeiten die für unser Alltagsleben von großer Bedeutung sind.
In Kapitel 7 wechselt Leonard Mlodinow das Thema. Bis jetzt ging es immer um Wahrscheinlichkeitsrechnung. Nun taucht das erste Mal die Statistik auf. Die beiden Themen sind zwar verwandt, aber unterschiedlich. In der Wahrscheinlichkeitsrechnung kennt man die Wahrscheinlichkeiten, mit der bestimmte Ereignisse eintreten schon vorher und nutzt sie, um die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt anderer Ereignisse zu berechnen. Aber in der Realität will man oft auch andere Probleme lösen. Zum Beispiel in der Wissenschaft: Da geht es meistens nicht darum, dass man den Wert einer bestimmten Messgröße kennt und die Wahrscheinlichkeit bestimmen will, mit der die Messungen diesen Wert erreichen. Da hat man jede Menge Messungen und will damit den konkreten Wert der Messgröße bestimmen. Und dafür braucht man die Statistik.
Man muss sich außerdem im klaren darüber sein, dass jede reale Messung ein zufälliges Element beinhaltet (und dabei rede ich jetzt nicht von der Quantenmechanik). Mlodinow bringt das Beispiel der Englischlehrerin seiner Tochter. Hausarbeiten werden dort auf einer Skala von 1 bis 100 beurteilt. Aber was bedeutet es wirklich, wenn eine Arbeit mit der Note “92” beurteilt wird und wie unterscheidet sich diese Arbeit von einer mit der Note “93”? Kann ein Lehrer wirklich objektiv so feine Unterscheidungen treffen? Studien zeigen, dass das nicht der Fall ist.
Lässt man unterschiedliche Lehrer die gleichen Arbeiten nach den gleichen Kriterien beurteilen, kommen sie trotzdem selten zum gleichen Ergebnis. Es spielen eben zu viele zufällige Faktoren eine Rolle. Genau so wie bei anderen subjektiven Beurteilungen, zum Beispiel dem Geschmack von Wein. Auch hier zeigen Studien regelmäßig, dass auch Experten nicht in der Lage sind, konsistente Beurteilungen abzugeben. Zu viele zufällige und psychologische Faktoren spielen Rolle. Weine, von denen man erwartet dass sie gut schmecken, werden besser beurteilt als sie beurteilt werden wenn die Tester vorher der Meinung sind sie würden schlecht schmecken. Zwei identische Weißweine werden unterschiedlich beurteilt wenn einer davon mit einem geschmack- und geruchlosen Farbstoff rot gefärbt wird und selbst wenn es nur daraus geht aus drei Weinen die beiden herauszuschmecken die identisch sind, sind die Experten nicht in der Lage, das zuverlässig zu tun. Und das gilt natürlich nicht nur für Wein: In Tests scheitern die Menschen auch regelmäßig daran, Coca Cola von Pepsi Cola zu unterscheiden, selbst wenn sie davon überzeugt sind, die eine Marke zu mögen und die andere nicht.
Wenn also 15 Weinexperten einem Wein (auf einer Skala von 1 bis 100) die Noten 80, 81, 82, 87, 89, 89, 90, 90, 90, 91, 91, 94, 97, 99 und 100 geben: Was hat das dann zu bedeuten? Und wie unterscheidet sich so ein Urteil von 15 Experten die dem Wein alle eine Note von 90 Punkten geben? Berechnet man den Durchschnitt der Noten, erhält man jedesmal 90 Punkte. Aber ganz offensichtlich unterscheidet sich der eine Fall vom anderen. In der ersten Serie gibt es viel mehr Variation und die wird mit der Standardabweichung beschrieben. Sie beträgt in diesem Fall 6 Punkte und alles was man über diesen Wein sagen kann ist, dass er eine Note hat, die irgendwo zwischen 84 und 96 liegt.
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