Dieser Artikel ist Teil einer fortlaufenden Besprechung des Buchs “Wenn Gott würfelt: oder Wie der Zufall unser Leben bestimmt” (im Original: “The Drunkard’s Walk: How Randomness Rules Our Lives”) von Leonard Mlodinow. Jeder Artikel dieser Serie beschäftigt sich mit einem anderen Kapitel des Buchs. Eine Übersicht über alle bisher erschienen Artikel findet man hier.
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Im ersten Kapitel des Buchs hat Mlodinow anschaulich dargelegt, wie sehr der Zufall unser Leben bestimmt und vor allem dort, wo wir nicht damit rechnen. Das zweite Kapitel hat sich mit den grundlegenden Regeln der Wahrscheinlichkeit beschäftigt. Im dritten Kapitel präsentiert Mlodinow das fiese Ziegenproblem, das unser Unverständnis der Wahrscheinlichkeit eindrucksvoll präsentiert. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit den Methoden zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten die vor allem Blaise Pascal im 17. Jahrhundert entwickelt hat. Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, was Wahrscheinlichkeiten in der realen Welt eigentlich bedeuten. Kapitel 6 erklärt die verwirrende Bayesschen Wahrscheinlichkeiten die für unser Alltagsleben von großer Bedeutung sind. In Kapitel 7 wechselte Mlodinow von der Wahrscheinlichkeitsrechnung zur Statistik und die bleibt auch weiterhin das Thema.
Kapitel 8 beschäftigt sich mit der Ordnung im Chaos und den Wegen, diese Ordnung mittels Statistik zu erkennen. Mlodinow zeigt eine der paradoxen Eigenschaften der Statistik: Obwohl viele Vorgänge in unserem Alltagsleben einzeln betrachtet vollkommen willkürlich und chaotisch erscheinen, zeigt die Statistik bei der Betrachtung großer Mengen eine erstaunliche Gleichmäßigkeit. Als Beispiel hat sich Mlodinow die amerikanischen Autofahrer ausgesucht. Jeder Amerikaner fährt jedes Jahr so viel oder so wenig Auto wie es eben gerade nötig war. Im Durchschnitt ist aber jeder von ihnen 14.300 Meilen gefahren. Wollte man, dass die Amerikaner im folgenden Jahr genau die gleiche Durchschnittsstrecke zurücklegen, könnte man sich ein kompliziertes System ausdenken, dass jedem Fahrer eine bestimmte Quote zuweist, damit sich am Ende alles ausgleicht. Oder man lässt sie einfach weiterhin so fahren, wie sie wollen. Und auch wenn jeder einzelne vielleicht völlig anders fährt als im Vorjahr wird am Ende wieder eine ähnliche Durchschnittsleistung herauskommen. Die entsprechende Statistik zeigt das auch: In den betrachteten Jahren unterschieden sich die Strecken nur um 100 Meilen. Einzelprozesse mögen völlig zufällig und chaotisch sein. Die Statistik großer Mengen ist es aber nicht und das macht ihre Besonderheit aus.
Einer der ersten, der das erkannte war John Graunt im 17. Jahrhundert. Er wertete die damals erstmalig ausführlich angelegten Sterbedaten aus und demonstrierte, dass man daraus allgemeine Erkenntnisse über die Gesellschaft gewinnen konnte. Aus den Daten konnte er das eine halbwegs genau Schätzung für die Einwohnerzahl von London durchführen und zeigen, dass man sie bisher völlig überschätzt hatte. Er konnte außerdem berechnen, wie stark sich der Zuzug von Landbewohnern auf die Bevölkerung der Stadt auswirkte.
Graunts Arbeit war der Beginn einer regelrechten Statistikwelle in den Ländern Europas. Überall sammelte man Daten und überlegte, wie man sie am besten auswerten kann. Einer der besonders viele Daten sammelte, war Adolphe Quetelet und er stieß überall in den Daten auf die letzten Kapitel beschriebene Normalverteilung. Quetelet erkannte auch, dass man die Normalverteilung von Daten nutzen konnte, um Betrügereien aufzudecken.
Er untersuchte zum Beispiel die Größenmessungen von 10.000 französischen Rekruten und fand, dass sie der Normalverteilung folgten. Mit einer Ausnahme: Es gab ein bisschen zu wenig Männer, die 1,58 Meter groß waren. Bei dieser Größe wich die tatsächlich Verteilung von der erwarteten Normalverteilung ab. Dafür gab es zuviele Männer, die knapp unter 1,58m groß waren. Quetelet schloss daraus, dass bei den Musterungen geschummelt worden war, den 1,58 m war genau die Grenze unter der man als untauglich ausgemustert wurde.
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