Trotzdem ignorieren wir den Einfluss des Zufalls und tun so, als könnten wir die Zukunft aus der Vergangenheit vorhersagen. Mlodinow bringt dazu ein schönes Beispiel aus der Wirtschaft. Er hat die Performance von 800 Fundmanagern in den Jahren 1991 bis 1995 in einem Diagramm aufgetragen. Ungefähr die Hälfte hat überdurchschnittlich viel Gewinn gemacht; die andere Hälfte lag unter dem Durchschnitt. Und ordnet man die Manager nach ihrem Gewinn bzw. Verlust bekommt man eine schöne ordentliche Kurve (ich kann die Bilder hier leider nicht reproduzieren), aber man kann es sich ungefähr vorstellen. Wir Menschen neigen nun dazu, vergangenen Erfolg als Maßstab für die Fähigkeiten eines Menschen anzusehen. Die Fondsmanager, die viel Geld gewonnen haben, wissen offensichtlich, wie man so etwas anstellen muss; sie sind Experten, sie sind begabt und diejenigen, die verloren haben sind offensichtlich Loser ohne Ahnung. Aber wenn das tatsächlich so ist, dann müsste man das in der Zukunft bemerken. Deswegen hat Mlodinow die gleichen Daten noch einmal aufgetragen, nur diesmal für die Jahre zwischen 1996 und 2000. Wenn die erfolgreichen Manager deswegen erfolgreich waren, weil sie entsprechende bessere Fähigkeiten hatten, dann müsste sie eigentlich auch in den nächsten 5 Jahren erfolgreich sein und gewinnen. Die zweite Kurve sollte also ungefähr so aussehen wie die erste Kurve. Das tut sie aber nicht; sie verläuft komplett zufällig und es gibt Zusammenhang zwischen der Performance von 1991-1995 und der von 1996-2000.
Die Vergangenheit ist offensichtlich kein guter Maßstab um daraus die Zukunft abzuleiten und trotzdem tun wir das ständig. Mlodinow berichtet von einem weiteren interessanten Experiment. Forscher schufen mit Hilfe von knapp 14.000 Testpersonen 9 künstliche Hitparaden. Sie legten den Leuten 48 Lieder unbekannter Bands vor; die Menschen konnten sich die Lieder anhören, bewerten und “kaufen”. Die Testpersonen wurden in 9 Gruppen eingeteilt, die isoliert voneinander arbeiteten. Bei 8 Gruppen konnten die Testpersonen sehen, wie die anderen in ihrer Gruppe die Lieder bewerteten, in der 9. Gruppe nicht (und natürlich wusste niemand, was außerhalb seiner eigenen Gruppe passiert). Die 9. Gruppe war der Maßstab für die “intrinsische Qualität” der Lieder. Wenn es tatsächlich diese Qualität ist, die über den Erfolg der Bands bestimmt, dann sollten die 8 anderen Gruppen unabhängig voneinander zu gleichen bzw. zumindest ähnlichen Ergebnissen kommen. Das war aber nicht der Fall. In allen Gruppen landeten unterschiedliche Bands an der Spitze der Hitparade und es gab keine Übereinstimmung untereinander oder mit der Kontrollgruppe. Anscheinend reichten schon kleine Fluktuationen am Anfang, um am Ende zu ganz unterschiedlichen Ergebnisse zu kommen – wie das in chaotischen und vom Zufall dominierten Systemen zu erwarten ist. Eine Band hatte aus zufälligen Gründen am Anfang des Experiments einen kleinen Vorsprung und wurde von ein paar Leuten mehr gut gefunden als die anderen Bands. Und weil wir eben davon ausgehen, dass Erfolg nicht auf Zufall zurückzuführen ist sondern auf Fähigkeiten, denken wir uns: “Hey, die Band wird von vielen Leuten gut gefunden? Die müssen was können; die finde ich auch gut!” Und in einer anderen Gruppe ist es dann eben eine andere Band die auf diese Art zufällig an der Spitze landet…
Wir können das wahre Potential von Menschen als Außenstehender selten bzw. gar nicht beurteilen. Wir sehen nur, was diese Person in der Vergangenheit geleistet hat und nehmen das als Maßstab um die Fähigkeiten der Person zu beurteilen. Dass Bruce Willis ein Hollywood-Superstar ist; Bill Gates ein Computer-Milliardär und J.K. Rowling die erfolgreichste Schriftstellerin aller Zeiten mag mit ihren jeweiligen Fähigkeiten zu tun haben. Aber wäre Willis nicht zufällig nach Los Angeles geflogen und dort zufällig bei einem Casting gelandet wäre er heute vielleicht immer noch ein Barkeeper in New York der kleine Rollen in Werbespots spielt. Wenn Rowling nach den ersten Absagen der Verlage nicht weiter gemacht hätte, wäre sie heute immer noch unbekannt. Und auch Gates’ Karriere basiert auf vielen Zufällen. Wenn wir diese Superstars aber heute betrachten, dann kommen wir nicht umhin zu denken, dass sie dafür “bestimmt” waren, so groß zu werden und vergessen, dass es auch ganz anders kommen hätte können.
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