Wir leben in einer großen Galaxie. Die Milchstraße besteht aus etwa 200 Milliarden Sterne und unsere Sonne ist nur einer unter vielen, die in Form einer großen Scheibe mit Spiralarmen angeordnet sind. Von einer Seite bis zur anderen durchmisst die sichtbare Scheibe der Milchstraße ungefähr 100.000 Lichtjahre und sie ist knapp 3000 Lichtjahre dick. Aber selbst diese gewaltige Struktur aus Sternen ist eingebettet in eine größere Gruppe, die aus knapp 100 bekannten Galaxien besteht. Bis jetzt dachten wir, dass die Milchstraße das massereichste Objekt dieser “Lokalen Gruppe” aus Galaxien ist oder zumindest nicht wesentlich kleiner als der Rest. Neben ihr ist nur noch die benachbarte Andromeda-Galaxie so richtig groß, die restlichen Galaxien sind eher kleinere Zwerggalaxien. Neue Daten zeigen nun aber, dass die Milchstraße mit der Andromeda doch nicht mithalten kann und deutlich leichter ist, als man bisher angenommen hatte.

Räumliche Verteilung der Galaxien in der Lokalen Gruppe (Bild: CWitte, CC-BY-SA 3.0)
Es ist schwer, die Masse einer ganzen Galaxie korrekt zu bestimmen. Man kann natürlich einfach ihre Helligkeit bestimmen und daraus auf die Menge der in ihr enthaltenden leuchtenden Sterne schließen. Und genau so hat man früher auch die Masse bestimmt. Aber schon seit den 1960er Jahren weiß man, dass das nicht einwandfrei funktioniert. Denn damals bemerkte die Astronomin Vera Rubin, dass die leuchtende Materie nicht alles sein kann. Sie betrachtete die Bewegung von Sternen in einer Galaxie. So wie die Planeten unsere Sonne umkreisen, umkreisen auch Sterne das Zentrum ihrer Galaxie (die Sonne braucht für eine Runde durch die Milchstraße beispielsweise knapp 220 Millionen Jahre). Die Geschwindigkeit mit der sie das tun, hängt von der Menge an Materie ab, die sich innerhalb ihrer Bahn befindet und vom Abstand zum Zentrum. Rubin stellte bei ihren Beobachtungen fest, dass die Werte nicht zusammenpassten. Die Sterne bewegten sich so, als wäre neben der sichtbaren Materie noch sehr viel mehr unsichtbare Materie in der Galaxie vorhanden. Mittlerweile haben auch viele andere Beobachtungen die Existenz dieser “dunklen Materie” nahe gelegt (siehe hier für einen kompletten Überblick) und wir wissen, dass sie den überwiegenden Teil der Masse einer Galaxie stellt.
Die Gesamtmasse aus leuchtender und dunkler Materie zu bestimmen ist jetzt schon ein wenig schwieriger. Man kann zum Beispiel die Bewegung von Satellitengalaxien (wie zum Beispiel den beiden Magellanschen Wolken, die die Milchstraße begleiten) betrachten und so die Masse berechnen. Aber die dunkle Materie macht eben wirklich einen großen Teil der gesamten Materie aus und sie bildet riesige Wolken, in deren Inneren die leuchtenden Sterne nur einen kleinen Bereich einnehmen. Bei der Beobachtung der Zwerggalaxien kann man die Masse in den Zentralbereichen recht gut bestimmen, verpasst aber das, was sich weiter außen abspielt.
Jorge Peñarrubia von der Universität Edinburgh und seine Kollegen haben sich die Sache nun nochmal ganz genau angeschaut. In einem umfassenden Computermodell haben sie die bekannten Beobachtungsdaten der Objekte der Lokalen Gruppe mit einem dynamischen Modell kombiniert, dass die Entwicklung und Bewegung des Galaxienhaufens demonstriert (“A dynamical model of the local cosmic expansion”). Mit jeder Menge komplexer Statistik haben sie aus ihren Simulationen diejenigen Fälle identifiziert, die den Beobachtungsdaten am besten entsprechen. Bei solchen Computermodellen reicht die simple Berechnung der gravitativen Wechselwirkung allerdings nicht mehr aus. Man muss auch die Expansion des Universums berücksichtigen, da sie der Gravitationskraft entgegen wirkt. In der Lokalen Gruppe überwiegt zwar noch die Gravitationskraft und die Galaxien bewegen sich tendenziell eher aufeinander zu, als dass sie auseinander streben. Aber ignorieren darf man den Effekt bei den Berechnungen auch nicht.
Solche komplexen Simulationen wurden bisher noch nicht durchgeführt und die Ergebnisse sind überraschend. Die simultane Beobachtung von Milchstraße und Andromeda und die Modellierung der Bewegung all der kleineren Galaxien um sie herum hat gezeigt, dass die Milchstraße nicht annähernd gleich schwer bzw. sogar ein bisschen schwerer ist als Andromeda, wie man früher dachte. Sondern tatsächlich deutlich kleiner: Die Andromeda hat doppelt so viel Masse als unsere eigene Galaxie! Insgesamt wiegt unsere Milchstraße knapp 800 Milliarden Mal so viel als die Sonne; die Andromeda dagegen bringt 1,6 Billionen Sonnenmassen auf die Waage. Der Unterschied liegt hauptsächlich in der Menge der dunklen Materie in den äußeren Regionen begründet und genau diesen Bereich hat man bisher nicht so gut untersuchen können.
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