Die Wassertemperaturen steigen kontinuierlich und das auch in der Tiefsee: Das zeigen die Langzeitdaten des Hausgartens und die Erwärmung beeinflusst das Ökosystem. Man hat in den letzten Jahren völlig andere Planktonblüten beobachtet oder auch aus dem südlicheren Atlantik eingewanderte Flohkrebsarten, die nun auch in der Framstrasse heimisch sind und sich dort fortpflanzen können.

Aber auch trotz des einzigartigen Hausgartens ist die Erforschung der Tiefsee ein mühsames Geschäft. Im Gegensatz zur Astronomie kann man nicht einfach “nur” ein paar Bilder machen und sie mit Computeralgorithmen auswerten (was allerdings auch nicht unbedingt trivial ist und durchaus sehr viel Zeit kosten kann). Die Plankton-Proben aus dem Ozean können nur einmal im Jahr eingesammelt werden, nämlich dann, wenn das Forschungsschiff “Polarstern” den Hausgarten anfährt. Und dann bleibt nichts anderes übrig als alles händisch unter dem Mikroskop zu sortieren und zu analysieren.

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Eines der Hauptprobleme bei der Erforschung der Tiefsee ist die Energieversorgung. Man könnte sich ja zum Beispiel eine Art “Unterwasser-Rover” vorstellen, der – analog zu den Marsrover – unter der Meeresoberfläche herumfährt und selbstständig Analysen durchführt. Oder Unterseeboote, die automatisch die Tiefsee kartieren und hochauflösende Bilder des Meeresbodens erstellen, so wie das die Satelliten tun, die wir zu anderen Planeten schicken. Rein technisch könnte man solche Geräte zwar sicher bauen. Aber woher sollen sie ihre Energie bekommen? Satelliten und Raumsonden können Sonnenenergie verwenden, aber in der Tiefsee ist es dunkel. Das heißt, man muss die gesamte Energie, die man unten benötigt, von oben mitbringen. Will man ein Jahr oder länger autark unter Wasser agieren, braucht man entsprechende Batterien und die wären in diesem Fall zu teuer und vor allem viel zu sperrig. Im Weltraum benutzt man in solchen Fällen Radionuklidbatterien, aber der Einsatz von Forschungssonden mit radioaktiven Antrieben in den Ozeanen dieser Welt würde wohl – aus verschiedenen guten Gründen – auf großen Widerstand stoßen.

Man könnte lange Kabel in der Tiefsee verlegen, an denen “Unterwasserrover” entlang fahren, sich Energie holen und darüber Daten zurück nach oben schicken. Aber das kostet Geld und ist sehr aufwändig…

Die Tiefsee wird ihre Geheimnisse nicht so schnell frei geben. Die Forscher werden vorerst weiterhin auf die punktuellen Daten angewiesen sein, die von den Forschungsschiffen gesammelt werden können. Für die Polarforschung des AWI ist das noch einmal extra kompliziert, denn nur im Sommer ist die Framstraße eisfrei (zumindest derzeit noch). “Kein Mensch weiß: Was macht der Meeresboden dort im Winter?”, sagt Thomas Soltwedel abschließend. Wir werden es noch länger nicht wissen. 230 Millionen Euro haben die AWI-Forscher für ein unterseeisches Energiekabel veranschlagt, dass eine dauerhafte und intensive Erforschung der für sie interessanten Polarregionen ermöglichen würde. Wenig Geld, verglichen mit anderen wissenschaftlichen Großprojekten (und quasi gar kein Geld, verglichen mit anderen – zum Beispiel militärischen – Ausgaben). Aber viel Geld, wenn man es als Forscher irgendwo auftreiben muss…

Wir kennen die Tiefsee tatsächlich viel schlechter als die Oberfläche von Mond oder Mars. Und die Astronomen haben keine Schuld daran…

Alle Artikel aus meiner Serie zum Klimawandel gibt es hier.

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Kommentare (14)

  1. #1 StrangerInAStrangeLand
    27. August 2014

    Vielen Dank für einen weiteren netten Beitrag aus dem Alfred Wegener Institut … und eine Erinnerung, wie unglaublich hässlich doch der Neubau des AWIs ist. 🙂

  2. #2 Bernd
    27. August 2014

    Ich finde man könnte durchaus die Bemühungen um die Tiefseeerforschung steigern. Wer in Zukunft Methanhydrat aus dem Meer holen will, der sollte sich auch verpflichtet fühlen in die Erforschung der Tiefsee zu investieren.

  3. #3 inge schuster
    Wien
    27. August 2014

    Österreich hat eine lange Tradition in der Tiefseeforschung. Diese wird nun von dem international renommierten Meeresforscher Gerhard Herndl fortgesetzt. Zu Herndls Forschungsgebieten gehören vor allem: mikrobielle Gemeinschaften der Tiefsee, deren Stoffumsatzraten, die Diversität und Funktion mikrobieller Nahrungsnetze und die biogeochemischen Zyklen der Ozeane.

    Wie diese Forschung erfolgt und wesentliche, daraus resultierende Ergebnnisse (Herndl hat u.a. den “Meeresschnee” entdeckt) siehe:
    https://scienceblog.at/tiefseeforschung-in-österreich#.
    https://scienceblog.at/das-mikrobielle-leben-der-tiefsee#

  4. #4 Witold Ch.
    27. August 2014

    Aber die Tiefsee kann doch ausgehorcht werden, “unter Wasser akustisch” sozusagen, – wird im Institut auch in diese Richtung geforscht?

  5. #5 bikerdet
    27. August 2014

    @ Witold Ch. :
    Stelle Dir bitte vor, Du stehst in der Sahara und willst Afrika nur durch ‘abhorchen’ erkunden. Glaubst Du wirklich, das Du so den Kontinent umfassend beschreiben kannst ? Und die Tiefsee umfasst rund 50% der Erdkugel, Afrika nur etwa 6%. Somit müßtest Du 8x Afrika rechnen. Das einzige was Du bei viel Glück hören kannst, sind die Rufe der Wale. Die reichen zwar bis zu 100 Km weit, aber das macht bei der Fläche auch nicht viel aus.

  6. #6 Witold Ch.
    28. August 2014

    @ bikerdet

    Okay, und Du magst Dir vorstellen, Du ständest auf einem Schiff, dass zB durch die Ostsee pflügt und mit dem Sonar die rostigen Bomben und Minen ortet, die dort verklappt worden sind und nur darauf warten, dass sie von mutigen Tauchern oder Robotern entschärft und geborgen werden …

    Und was die Wale und Delphine betrifft, wenn sie noch Hände hätten, würden sie sich wohl meistens die Ohren zu halten …

  7. #7 bikerdet
    28. August 2014

    Ja, klar. Natürlich kann ich mit dem Sonar den Boden absuchen. Aber nur nach Dingen, die zum einem groß und zum anderen massiv genug sind. Die Tier- und Pflanzenwelt wirst Du nicht erfassen, nur unseren Schrott. Aber überlege einmal, das wir 73 Jahre gebraucht haben, um die Titanic zu finden. Kein gutes Argument für die Sonarforschung.
    Und btw. die Ostsee ist überhaupt keine Tiefsee. Tiefsee beginnt nämlich definitionsgemäß erst bei 800m , der tiefste Punkt der Ostsee ist bei 459m , also etwas mehr als die Hälfte, erreicht.
    Außerdem hat Schall einen gravierenden Nachteil bei großen Strecken : Der Schallkegel wird schnell breiter. Je tiefer ich sondieren will, desdo größer müssen die gesuchten Gegenstände sein. Traurigstes Beispiel sicher der Flug MH370, wo seit März ein ganzes Flugzeug verschwunden ist.

    Das die Tiere unseren Lärm ertragen müssen, nicht nur im Wasser ! , ist traurig. Aber kein Indiz, das sich aus dem Lärm auch Informationen gewinnen lassen. Im Gegenteil würde der Lärmpegel die Forschung sogar behindern. Außerdem verstehe ich nicht, das Du Dich über dem bereits vorhandenen Lärm beschwerst, aber gleichzeitig weltweite Forschungen mit genau diesen Mitteln forderst. Irgendwie passt das für mich nicht zusammen.

  8. #8 Jakob
    28. August 2014

    Vielleicht könnte man das Energieproblem durch Meeresströmungen lösen, indem man mit einem kleinen Generator aus der Strömung Strom erzeugt. Aufgrund der höheren Dichte von Wasser kann das Ganze mechanisch wesentlich kleiner als ein Windrad vergleichbarer Leistung gebaut werden.

    Ansonsten könnte man auch Batteriepakete entlang der vorgesehenen Strecke versenken, so dass der Rover unterwegs immer wieder neue Batterien findet. Bevor man damit anfängt, müsste man jedoch erst mal brauchbare tiefseetaugliche Unterwasser-Rover entwickeln. Auch mit Batterien sind wahrscheinlich zumindest einige Wochen/wenige Monate autonomer Betrieb am Meeresboden möglich. Im Gegensatz zu beispielsweise einer Marsmission kostet der Transport von Material an die Tiefsee keine enormen Summen pro Kilogramm und das Gewicht kann man durch den Auftrieb zumindest teilweise kompensieren.

  9. #9 Kallewirsch
    28. August 2014

    indem man mit einem kleinen Generator aus der Strömung Strom erzeugt.

    Ich mag mich täuschen, aber ich glaube nicht, dass es in 2000 Meter Tiefe am Meeresgrund noch nenneswert große Strömungen gibt.
    Die Oberflächenströmungen im Meer (zb Golfstrom) sind nur deswegen relevant, weil dort riesige Wassermengen (volumsmässig) beteilgt sind. Die Geschwindigkeit ist hingegen eher gering. Wenn du im Golfstrom schwimmst, hast du keinesfalls eine “Strömung”, gegen die du als Schwimmer ankämpfen müsstest.

    Ansonsten könnte man auch Batteriepakete entlang der vorgesehenen Strecke versenken, so dass der Rover unterwegs immer wieder neue Batterien findet.

    Das Meer und insbesondere der Meeresboden ist groß.

    Im Gegensatz zu beispielsweise einer Marsmission

    … hast du am Meeresboden keinen Funkverkehr mehr. D.h. der Robot ist tatsächlich dann monatelang auf sich allein gestellt. Oder aber ein entsprechend langes Kabel führt vom Begleitschiff in die Tiefe. Was dann wieder ganz neue Probleme aufwirft.

  10. #10 dude
    28. August 2014

    #28

    Die geschwindigkeiten des Golfstroms und anderer Oberflächenströmungen (Kuroshio z.B.) können bei 2 m/s und mehr liegen, sind also keines Falls gering. Und natürlich gibt es auch in der Tiefsee Strömungen (thermohaline Zirkulation).

    Windinduzierte Strömungen und die daraus resultierenden Ekmanströmungen haben eine deutlich höhere Geschwindigkeit als die Tiefenwasserströmungen, wirken aber nur in den oberen 100m.

    Durch “topografische Führung” können aber auch tiefere Wassermassen beachtliche Strömungsgeschwindigleiten erreichen, in Meerengen wie der Florida Straight z.B.

    Richtig ist, das die Strömung nicht ausreicht um genug Energie für meerestechnische Gerät zu liefern.

    Langzeitverankerungen, die 1 Jahr oder länger (stationär) im Ozean verbleiben und autark Messungen vornehmen, sind aber ein Standardinstrument der Meeresforschung. Autarke Drifter (z.B das Argo-Programm) sind auch eine erfolgreiche Strategie, um Daten zu gewinnen.

  11. #11 dude
    28. August 2014

    #4

    Akustische, geophysikalische Methoden werden Standardmässig bei jeder Schiffsexpedition angewandt und natürlich ist die Seismik ein Riesenforschungsfeld, in dem auch das AWI sehr aktiv ist.

    Allerdings kann man damit “nur” die Oberflächenbeschaffenheit des Untergrunds, sowie die des tieferen Untergrunds und der Erdkruste erforschen. Informationen über die Wassersäule, die Biologie, Strömungen, Biogeochemie, etc. lassen sich damit nicht gewinnen.

  12. #12 Alderamin
    28. August 2014

    @Kallewirsch

    … hast du am Meeresboden keinen Funkverkehr mehr.

    Funk geht nicht gut unter Wasser, aber wie sieht’s mit Schall aus? Gertude lässt grüßen 🙂

    Im Prinzip müsste man nur einen der früher gebräuchlichen Akustikkoppler an einen hinreichend starken Lautsprecher bzw. Unterwasser-Mikrofon anschließen, mit Richt-Trichter, und könnte dann immerhin ein paar kbit/s übertragen. Da unten in der Tiefe sollte es relativ still sein.

  13. #13 dude
    28. August 2014

    AUV (autonomeous underwater vehicles), also autonome Tiefseeroboter kommunizieren und orten sich mit Schall. Dazu werden zunächst in allen Ecken des Arbeitsgebiets Transceivers verankert. Durch anpingen, kann dann durch Triangulation die Position bestimmt werden. Das Senden von Daten vom Meeregrund an die Oberfläche geht aber nicht.

  14. #14 dude
    28. August 2014

    Kallewirsch, sowas wie Gertrude funktioniert nur horizontal. Vertikal ist die Thermokline ein unüberwindliches Hindernis.