Mars One wird scheitern. Oder besser gesagt: Mars One wird nicht einmal die Gelegenheit haben, zu scheitern weil Mars One nie stattfinden wird. Momentan ist die privat organisierte bemannte Mission zum Mars ja wieder einmal überall in den Medien. Vor drei Tagen wurden 100 Kandidaten vorgestellt, aus denen die Personen ausgewählt werden sollen, die dann tatsächlich die Reise zum Mars antreten können. Ich habe früher schon mal kurz erklärt, dass ich von diesem Projekt nicht viel halte und überzeugt davon bin, dass es nicht erfolgreich sein wird. Aber ich denke, ich sollte das noch einmal etwas genauer ausführen.
Mars One ist eine niederländische Stiftung die vom Unternehmer Bas Lansdorp geführt wird. Ziel des Projekts ist es, Menschen zum Mars zu bringen. Ein gutes Ziel, gegen das ich absolut nichts einzuwenden habe! Die Art und Weise, wie Mars One das erreichen möchte, ist aber mehr als nur fragwürdig.
Die “Astronauten” sind keine speziell für diese Aufgabe ausgebildeten Leute, sondern Freiwillige aus aller Welt, die sich für den Flug ins All beworben haben. Man musste nur älter als 18 Jahre, englisch sprechen können und gesund sein. Mehr als 200.000 Menschen haben sich – laut den Aussagen der Projektverantwortlichen – auf den ersten Aufruf gemeldet; mittlerweile wurden daraus 50 Frauen und 50 Männer ausgewählt (darunter ein Österreicher, ein Schweizer und zwei Deutsche. Der große Ansturm an potentiellen Raumfahrern ist nicht verwunderlich: Ins Weltall zu fliegen ist für viele Menschen ein großer Traum und einer, den sich nur die allerwenigsten erfüllen können. Astronaut zu werden ist ein langer, schwieriger und harter Prozess den nur die wenigsten erfolgreich durchlaufen. Wenn man sich dann aber “einfach so” für eines der größten Weltraumabenteuer der Menschheitsgeschichte anmelden kann, dann ist es kein Wunder, wenn das viele Menschen tun.
Die Menschen, die mit Mars One zu unserem Nachbarplaneten fliegen wollen, träumen diesen Traum aber mit Sicherheit noch ein wenig intensiver als der Rest der Welt. Denn wenn sie ins Weltall fliegen, dann werden sie nicht mehr zur Erde zurück kommen. Die Mission sieht nur eine Hinreise vor; eine Rückkehr ist nicht geplant. Wer zum Mars fliegt, der bleibt auch dort und der stirbt dort auch.
Aber das schreckt die “Astronauten” nicht ab:
“Angst habe er keine, die dürfe man auch nicht haben, weil man habe im Leben nur einmal die Chance zu so etwas. Seine drei Kinder im Alter von sechs, acht und 17 Jahren stünden hinter ihm, vor allem der Jüngste sei Feuer und Flamme und wolle nun auch selbst Astronaut werden. Bedenken habe Golob keine: “Sie werden schon erwachsen sein, wenn die ersten Menschen zum Mars fliegen und ich da dabei bin.”
berichtet derStandard.at über den österreichischen Kandidaten. Ob sie den Verlust ihres Vaters leichter verschmerzen, nur weil sie dann “schon erwachsen” sind, bezweifle ich allerdings. Im Gegensatz dazu machen sich beim deutschen Kandidaten Robert Schröder die Eltern Sorgen um ihr Kind, wie die Stuttgarter Nachrichten berichten:
“Meine Eltern lieben mich über alles und wollen mich auf der Erde halten. Aber sie wissen, dass ich als Steinbock ein Sturkopf bin. Die Trennung wird sehr schwer sein.”
Sieht man sich die Biografien der potentiellen Marsreisenden an, dann fällt dabei auf, dass sie alle sehr von Science-Fiction, Naturwissenschaft und Raumfahrt begeistert sind. Verständlich, denn wer keine Faszination für das Universum empfindet, wird auch wenig Interesse daran haben, zu einem anderen Planeten zu fliegen. Aber gerade weil diese Menschen so fasziniert, inspiriert und motiviert sind, wird die Enttäuschung um so größer sein, wenn sie am Ende auf der Erde bleiben müssen und all die Mühen umsonst auf sich genommen haben. Denn genau das wird passieren. Mars One wird scheitern.
Es braucht mehr, als nur eine Vision, jede Menge sehr motivierte Amateur-Astronauten und eine Homepage mit hübschen Computergrafiken von Marssiedlungen, um tatsächlich Menschen von der Erde zu einem anderen Planeten zu bringen! Wie enorm schwierig und komplex die Raumfahrt immer noch ist, zeigt ja die Realität. Die echten Astronauten, die zur Internationalen Raumstation fliegen, müssen dafür jahrelang oder jahrzehntelang trainieren. Der Aufwand, den die Raumfahrtagenturen treiben, um die entsprechenden Raketen und die Infrastruktur im All bereitzustellen, ist ebenfalls enorm. Man kann nicht einfach irgendwas bauen; jedes Gerät das ins Weltall geschafft wird, muss speziell geplant, gebaut und getestet werden. Und all das ist nötig, obwohl die Raumstation nur knapp 400 Kilometer entfernt ist!
Wir fangen (unter anderem dank der Erkenntnisse die auf der ISS gewonnen wurden) gerade erst an zu verstehen, wie verdammt schwierig ein langer Aufenthalt im Weltraum sein wird. Und wie gefährlich… Die Raumstation ist schnell erreicht und selbst zum Mond waren die Apollo-Astronauten nur ein paar Tage unterwegs. Zum Mars muss man aber mehrere Monate lang durch den Weltraum fliegen und ist dabei im wesentlichen auf sich selbst gestellt. Die Entfernungen sind zu groß, als das man von der Erde eingreifen und irgendwelche Probleme lösen kann. Und dann wollen die Leute ja auch noch für immer auf dem Mars bleiben!
Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, eine bemannte Mission zum Mars durchzuführen. Ich sage nicht einmal, dass es unmöglich ist, den Mars dauerhaft zu besiedeln. Aber es ist meiner Meinung nach unmöglich, das auf die Art und Weise und in dem Zeitrahmen zu machen, wie Mars One es machen will. Wir wissen nicht, welche physiologischen Auswirkungen ein so langer und isolierter Flug durchs All wirklich auf die Menschen hat. Wir wissen allerdings mittlerweile sehr gut, wie gefährlich es dort draußen wirklich ist. Der Marsrover Curiosity hat zum Beispiel zwischen August 2012 und Juni 2013 die Strahlenbelastung auf der Oberfläche des Mars gemessen. Im Gegensatz zur Erde ist unser Nachbarplanet ja weder durch ein Magnetfeld, noch durch eine dichte Atmosphäre von der schädlichen kosmischen Strahlung geschätzt. Und die von Curiosity gemessenen Werte waren hoch! Schon nach ein paar Monaten hätte ein Astronaut die Dosis abbekommen, die für europäische Astronauten derzeit als Grenzwert für sein/ihr gesamtes Leben festgelegt ist (1000 Millisievert).
Aber selbst wenn die Mars-One-Astronauten akzeptieren, dass sie einem dramatisch viel höheren Krebsrisiko ausgesetzt sind und auf dem Mars ein viel kürzeres Leben führen werden, als sie es auf der Erde führen hätte können, macht das die Mission nicht besser. Bevor die Leute die Gelegenheit kriegen, auf dem Mars an Krebs zu sterben, müssen sie erst Mal die ganzen anderen Gefahren überleben. Die gewaltigen Staubstürme. Die Temperaturen, die alles andere als lebensfreundlich sind. Die fehlende Atmosphäre. Sie müssen es vor allem schaffen, in einer toten Wüste, ohne Wasser, ohne Pflanzen, ohne irgendwas zu überleben. Dafür braucht es sehr viel sehr komplexe Infrastuktur. Man muss sich ein völlig autarkes Habitat bauen, das sich jahrzehntelang selbst erhalten kann. Genau so etwas hat man Anfang der 1990er Jahre im Rahmen des Projekts “Biosphäre 2” auf der Erde probiert. Und es hat nicht funktioniert!
Wenn man nicht einmal auf der Erde ein Habitat konstruieren kann, in dem Menschen dauerhaft und unabhängig von der Außenwelt überleben können: Wie soll das dann auf dem Mars funktionieren? Vor allem: Wie soll das funktionieren, ohne das man sich entsprechend darauf vorbereitet? Natürlich, Mars One hat jede Menge Pläne. Satelliten sollen von der Erde zum Mars fliegen und dort Vorräte abladen. Marsrover sollen passende Siedlungsplätze aussuchen. Wohnmodule und anderer Kram soll von unbemannten Raketen zum Mars geschafft werden, bevor dort die ersten “Bewohner” eintreffen. Klingt alles gut und beeindruckend – bis man einen Blick auf die Statistik wirft. 15 Landungen von (unbemannten) Raumfahrzeugen wurden bis jetzt auf dem Mars versucht. 8 davon waren erfolgreich, also gerade mal 53 Prozent! Nimmt man alle Marsmissionen zusammen (auch die Sonden, die nur eine Umlaufbahn erreichen sollten), dann waren nur 51 Prozent von ihnen erfolgreich. Bis jetzt hat überhaupt nur die NASA erfolgreich sanfte Landungen auf dem Mars geschafft; die sowjetischen/russischen Landeinheiten haben es alle nicht geschafft (bis auf Mars 3, der aber nur 15 Sekunden lang Informationen sendete und dann ausfiel) und der britische Lander Beagle 2 hat nach neusten Erkenntnissen zwar vielleicht im Jahr 2003 tatsächlich unbeschadet den Marsboden erreicht, war aber nicht in der Lage, einen Kontakt mit der Erde herzustellen.
Es ist schwierig den Mars zu erreichen, selbst wenn es nur um vergleichsweise kleine und unbemannte Raumfahrzeuge geht. Und diejenigen, die bei fast der Hälfte der Missionen gescheitert sind, waren die Supermächte im Weltraum! Wenn es selbst den USA und der Sowjetunion so enorm schwer fällt, den Mars zu erreichen: Warum sollte es eine privat finanzierte Stiftung einfacher haben? Vor allem weil man ja nicht nur einmal einen kleinen Rover dort absetzen will, sondern vor hat, eine ganze Siedlung dort einzurichten, die in vielen Flügen aufgebaut werden muss.
Dazu braucht es nicht nur sehr viel Erfahrung und technisches Wissen, sondern auch sehr viel Geld. Das besorgt sich Mars One durch Spenden ihrer potentiellen Astronauten (auf den Informationsseiten über die Kandidaten werden die diversen “Abzeichen” präsentiert, die sie für ihre Spendentätigkeit erhalten haben) und Fans der Mission. Und den großen Rest der veranschlagten sechs Milliarden Dollar will man durch eine Fernsehshow einnehmen. Denn die endgültige Auswahl der Astronauten soll im Rahmen einer weltweiten Reality-TV-Sendung erfolgen und deren Vermarktung soll die nötigen Milliarden für Mars One bringen.
Vermutlich ist das der einzige realistische Teil der Mission: Die Fernsehsendung wird vermutlich stattfinden (ob sie das ganze Geld aufbringen wird, halte ich aber für zweifelhaft). Aber ich bezweifle, dass jemals auch nur irgendeine Mars-One-Rakete von der Erde starten wird; geschweige denn eine mit Menschen an Bord. Dafür ist einfach viel zu viel Grundlagenforschung nötig, die Mars One mit ihrem kurzen Zeitplan nicht schaffen kann. Und als langfristig angelegte Förderaktion für Forschungsprojekte über Jahre oder Jahrzehnte hinweg funktioniert das PR-lastige Mars-One-Konzept nicht.
Der Zeitplan sieht für 2015 vor, dass Trainingshabitate für die Crew auf der Erde errichtet und für Tests benutzt werden. Es sind sogar zwei solcher Test-Siedlungen geplant; eine davon irgendwo in der arktischen/antarktischen Wildnis. Wenn das klappen soll, müsste man langsam mal mit dem Bau beginnen… Vor allem, weil für 2018 schon der Start einer Mission zum Mars geplant ist, bei der Techniken getestet werden sollen; inklusive der Installation eines Kommunikationssatelliten. Eine Marsmission in so kurzer Zeit zu planen, zu bauen und zu starten würde selbst erfahrenen Organisationen wie der NASA schwerfallen. Dass Mars One das hinkriegt, ist illusorisch. WIE illusorisch, das zeigen auch aktuelle Meldungen, nach denen Mars One anscheinend gar nicht mehr versucht, irgendwelche Raumfahrzeuge zu bauen und Aufträge an entsprechende Firmen zurück zieht bzw. nicht mehr verlängert.
Und wenn dann Jahr um Jahr vergeht, ohne das irgendwas tatsächlich von der Erde zum Mars fliegt, werden zuerst die Medien das Interesse an der Aktion verlieren. Die Sponsoren und die Öffentlichkeit werden abspringen und irgendwann werden auch die potentiellen Astronauten feststellen, dass ihr großer Traum geplatzt ist.
Ich habe anfangs gesagt, dass ich es für ein absolut lohnendes Ziel halt, eine bemannte Mission zum Mars durchzuführen. Und genau deswegen ärgern mich Projekte wie Mars One auch so sehr. Hier wird dieser großer Traum der Menschheit und die vielen kleinen Träume der Kandidaten für PR-Zwecke ausgenutzt. Ihnen wird erzählt, sie könnten Teil eines gewaltigen Abenteuers sein; könnten Dinge erreichen, die kein Mensch bis jetzt je erreicht hat und die Pioniere eines völlig neuen Zeitalters sein. Aber um das zu verwirklichen braucht es mehr als nur große Worte.
Es braucht langfristiges Engagement in Wissenschaft und Forschung. Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen, uns zuerst das nötige Wissen für längere Aufenthalte im Weltall aneignen und herausfinden, wie wir die dort vorhandenen Ressourcen tatsächlich effektiv nutzen können. Wir müssen lernen, wie man im Weltraum lebt anstatt ihm – so wie jetzt – nur ab und zu kurze Besuche abzustatten. Das alles ist schwierig, teuer und dauert lange, aber es ist möglich (wie das funktionieren könnte, habe ich in meinem Buch “Asteroid Now” erklärt).
Mars One dagegen ist eine PR-Aktion, die nicht nur nicht durchdacht, nicht nachhaltig geplant sondern auch moralisch fragwürdig ist. Ich werde jedesmal regelrecht wütend, wenn ich wieder irgendwo im Fernsehen ein Interview mit einem der hoffnungsvollen Astronauten-Kandidaten sehen, der so von der Vision des Marsflugs gefangen genommen ist, dass er kein Problem damit zu haben scheint, seiner Familie zu erklären, dass er sie bald für immer verlassen will. Ich bin wütend, weil man hier den Missbrauch der Faszination dieser Menschen für das Universum so klar und deutlich sieht. Sie sind bereit, buchstäblich ihr Leben für dieses Projekt zu opfern und wenn Mars One am Ende scheitert, werden sie auch vor den Trümmern ihrer Träume stehen.
Ich bin optimistisch. Wir werden den Mars irgendwann erreichen. Weil wir Menschen von Natur aus Entdecker sind, werden wir nicht anders können, als irgendwann auch dort unseren Fußabdruck zu hinterlassen. Aber wenn der erste Mensch seinen Fuß in den roten Staub unseres Nachbarplaneten setzt, dann wird es keiner der 100 Kandidaten von Mars One sein. Denn Mars One wird scheitern.
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