Heute vor genau 25 Jahren ist das hier passiert:
Am 25. April 1990 hat das Spaceshuttle Discovery das Weltraumteleskop Hubble im Weltall ausgesetzt. Einen Tag zuvor war es mit gehöriger Verspätung in den Weltraum aufgebrochen. Eigentlich hätte es schon ein paar Jahre früher losfliegen und seine kostbare Fracht in einen Orbit um die Erde bringen sollen. Aber dann explodierte im Jahr 1986 die Raumfähre Challenger und alle weiteren Shuttle-Flüge wurden gestoppt. Aber angesichts der langen Vorgeschichte des Weltraumteleskops kam es auf diese paar Jahre eigentlich auch nicht mehr.
Sieht man von diversen vagen Plänen von Raumfahrtpionieren ab, begann die Geschichte von Hubble am 1. September 1946. Da veröffentlichte der amerikanische Astronom Lyman Spitzer eine Arbeit mit dem Titel “The Astronomical Advantages of an Extraterrestrial Observatory” (und ich habe leider keine Online-Version dieses Texts gefunden). Das erste Mal wurden ganz konkret die Vorteile eines Teleskops im All vorgestellt und Pläne, wie so ein Vorhaben zu bewerkstelligen war.
So ein Instrument würde ein Problem lösen, unter dem die Astronomen von Anfang an gelitten haben: Jeder Blick auf das Universum muss zuerst die Atmosphäre der Erde durchqueren. Und die stört unsere Sicht auf Planeten, Sterne und Galaxien. Die Turbulenzen in der Luft machen die Bilder unscharf und es war unmöglich, viele Dinge zu beobachten. Ferne, nur schwach leuchtenden Galaxien, Details auf den Oberflächen der Planeten, die Struktur kosmischer Nebel und so weiter: All das war von der Erde aus nicht sichtbar und hielt den Fortschritt der Astronomie auf. Man konnte zwar Hypothesen über die Entwicklung von Galaxien oder Sternen und die Beschaffenheit von Planeten aufstellen, aber hatte keine Möglichkeit, sie auch durch Beobachtungen zu überprüfen. Der einzige Ausweg war ein Teleskop außerhalb der Atmosphäre.
Natürlich erschien so ein Vorhaben in den 1940er Jahren noch absurd. Die Raumfahrt hatte noch nicht einmal richtig begonnen und Spitzer schlug vor, ein Teleskop mit einem Spiegel von 15 Metern Durchmesser ins All zu schießen. Das war deutlich größer, als alles was damals auf der Erde existierte! Aber Spitzer hielt an seinen Plänen fest, versuchte Mitstreiter zu finden und in den 1960er Jahren hatte sich die Lage geändert. Jetzt waren nicht nur die Kollegen von der Durchführbarkeit überzeugt, auch die Politiker waren bereit, so ein Projekt zu finanzieren.
Also begann man mit der Planung des Instruments. In den 1970er Jahren musste Geld aufgetrieben werden; es mussten konkrete technische Pläne gemacht werden und das Teleskop musste auch gebaut werden. Gegen Ende der 1980er Jahre war man soweit und zu Beginn des letzten Jahrzehnts des letzten Jahrtausends flog das Instrument tatsächlich ins All!
Am 20. Mai 1990 warteten die Astronomen gespannt auf das erste Bild des neuen Teleskops. Endlich würde es scharfe Bilder von Himmelsobjekten geben, die bis jetzt unsichtbar waren. Stattdessen aber zeigten die Bildschirme das hier:
Das Bild eines Sterns, viel unschärfer als die Bilder, die von der Erde aufgenommen wurden. Der Spiegel von Hubble war fehlerhaft und die Astronomen waren immer noch hinter der störenden Atmosphäre gefangen. Aber das Teleskop war von Anfang an dafür ausgelegt gewesen, regelmäßig von Shuttles besucht und gewartet zu werden. Und drei Jahre später konnten Astronauten dann eine neue Optik einbauen, die fast 50 Jahre nach Spitzers ersten Plänen endlich das lieferte, was sich alle wünschten: Einen völlig neuen Blick auf das Universum!
In den Jahren und Jahrzehnten danach hat Hubble unser Verständnis des Universums revolutioniert! Die Bedeutung dieses einzelnen Teleskops für die gesamte Astronomie lässt sich kaum überschätzen. Es hat weit über 10.000 wissenschaftliche Facharbeiten hervor gebracht. Es hat weiter hinaus ins All geblickt als alle anderen. Es hat uns neue Dinge gezeigt, die wir zuvor noch nie gesehen haben und schon bekannte Objekte in nie gekanntem Detailreichtum abgebildet. Um all das zu würdigen, was Hubble geleistet hat, müsste man ein ganzes Buch schreiben. Und tatsächlich sind viele Bücher über Hubble geschrieben worden (was ein weiteres Mal zeigt, wie besonders dieses Teleskop ist).
Eines davon heißt “The Universe in a Mirror: The Saga of the Hubble Space Telescope and the Visionaries Who Built It”*, wurde von Robert Zimmermann geschrieben und ich kann es euch nur empfehlen. Es ist allerdings nicht so sehr ein Buch über Hubbles Arbeit, sondern ein Buch über Hubble selbst. Enorm detailliert, aber auch enorm spannend berichtet Zimmermann über den langen Prozess, der schließlich so erfolgreich die Astronomie revolutioniert hat. Er hat mit vielen Technikern und Wissenschaftlern gesprochen, die an der Planung und Konstruktion von Hubble beteiligt waren und es ist faszinierend (und erschreckend), wie viel Aufwand nötig ist, um so ein Projekt erfolgreich abschließen zu können. In Zimmermanns Buch lernt man die Biografien von Wissenschaftlern kennen, die man sonst selten zu lesen bekommt. Von Nancy Roman zum Beispiel, die als erste Frau die Leitung der Astronomie-Abteilung der NASA übernahm und als “Mutter” von Hubble gilt. Über Bob O’Dell, der anscheinend nicht mal eine eigene Seite bei Wikipedia hat, aber trotzdem eine der wichtigsten Personen im Hubble-Projekt war. Über John Bahcall, Sandra Faber oder James Westphal, der die erste Kamera des Teleskops baute.
Man erfährt in dem Buch auch viel über die komplizierten politischen Verwicklungen die zu lösen sind, bevor ein Projekt dieser Größenordnung finanziert werden kann. Man wird von der absurd verworrenen Struktur der NASA mit all ihren konkurrierenden Unterorganisationen fast erschlagen und wenn man das alles dank Zimmermanns Erklärungen durchblickt, dann versteht man auch, wie es zu dem Fehler bei Hubbles Spiegel kommen konnte. So wie beim Challenger-Unglück hörten die Manager nicht auf das, was die Techniker sagten. Konstruktionsfirmen machten viel zu billige Angebote, gerieten beim Bau unter Zeitdruck und verzichteten auf viele Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Die Kommunikation zwischen den Abteilungen fand nicht statt. Und am Ende hatte dann niemand gemerkt, dass das Messinstrument mit dem eigentlich Fehler im Spiegel entdeckt hätten werden sollen, selbst fehlerhaft war. Und auf die, die es gemerkt hatten, hatte niemand gehört…
Zimmermann beschreibt auch wunderbar, wie Hubble die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit verändert hat. Angesichts der enorm vielfältigen PR-Arbeit, die heute jede Mission der großen Weltraumagenturen begleitet, erscheint es fast unvorstellbar, dass sich damals so gut wie niemand darüber Gedanken gemacht hat, ob und wie Presse und Öffentlichkeit die ersten Hubble-Bilder zu sehen bekommen würden…
Hubble war und ist eines der wichtigsten astronomischen Instrumente aller Zeiten. Aber trotz seiner langen Lebensdauer (ursprünglich sollte es nur 15 Jahre aktiv sein) ist sein Ende absehbar. Nach dem nun keine Shuttles mehr fliegen, kann es nicht mehr gewartet werden und auch die Umlaufbahn kann nicht mehr korrigiert werden. Das muss aber regelmäßig getan werden, damit das Teleskop nicht zu nahe an die Erde gerät. Das wird nun irgendwann um das Jahr 2024 herum passieren und dann wird Hubble von dem zerstört, was zu überwinden seine Aufgabe war: der Atmosphäre der Erde!
Die Welt der Astronomie hat sich seit 1990 gewandelt. Mittlerweile wird an großen Sternwarten die Technik der adaptiven Optik eingesetzt, die auch vom Erdboden aus Bilder liefert, die mit den Aufnahmen aus dem Weltraum mithalten können. Ins Weltall schickt man heute eigentlich nur noch Teleskope, die Teile des elektromagnetischen Spektrums beobachten sollen, die von der Erdatmosphäre blockiert werden. Infrarotstrahlung, Röntgenstrahlung oder UV-Licht zum Beispiel. Die optischen Weltraumteleskope sind kleiner geworden und haben spezielle Aufgaben (wie zum Beispiel die Suche nach Asteroiden oder extrasolaren Planeten). Das James-Webb-Space-Telescope das mit seinem 6,5 Meter großen Spiegel gegen Ende des Jahrzehnts ins All fliegen soll, gilt als Hubbles “Nachfolger”. Aber es ist kein optisches Teleskop wie Hubble, sondern ein Infrarotteleskop (was es natürlich nicht weniger cool oder wertvoll macht!).
Große optische Allround-Instrumente wie Hubble, die noch dazu regelmäßig mit Raumfahrzeugen angeflogen werden müssen, wird es so schnell nicht mehr geben. Trotz allem hat sich der Aufwand gelohnt. Hubbles Weg in den Weltraum war lang, beschwerlich und teuer. Aber er war auch nötig – ohne Hubble und seinen nur 2,4 Meter durchmessenden Spiegel im All wäre die Astronomie heute nicht da, wo sie ist.
Normalerweise müsste man in einem Artikel über Hubble ja jetzt jede Menge beeindruckende Weltraumbilder zeigen. Die Säulen der Schöpfung zum Beispiel. Oder den Mystic Mountain. Aber es gibt SO VIELE tolle Bilder, das die Auswahl unmöglich ist – und abgesehen davon könnt ihr sie ja sowieso in so gut wie allen anderen Hubble-Artikeln sehen. Ich habe mich daher entschieden, das Instrument selbst zu zeigen.
Hier also ist das Hubble-Weltraumteleskop, das uns in den letzten 25 Jahren so viele faszinierenden Geschichten über das Universum erzählt hat:
Eigentlich wäre es ja fast angebracht, noch ein letztes Mal zu Hubble hinauf in den Weltraum zu fliegen, das Teleskop einzusammeln und ihm auf der Erde den Ehrenplatz einzurichten, der ihm gebührt. Leider wird das nicht passieren, denn ich kann mir nicht vorstellen, das irgendein Politiker Geld für so eine “sinnlose” Mission genehmigt. Aber verdient hätte es das Instrument und auch wir Menschen hätten es verdient. Hubble ist nicht weniger ein “Wunder” unserer Welt, als es die Pyramiden, der Eiffelturm, die chinesische Mauer oder die Höhlen von Altamira sind. Ich würde mir ja wünschen, das irgendeiner der Milliardäre die sich gerade in der privaten Raumfahrt engagieren, diesen Job übernimmt und Hubble einfach kurz vorm Ende einsammelt und zurück nach Hause bringt.
Aber auch wenn das große Teleskop tatsächlich im nächsten Jahrzehnt zerstört werden wird: Seine Arbeit und vor allem die Erkenntnisse über das Universum, die wir ihm verdanken werden bleiben!
P.S. Wer noch mehr über Hubble lesen will: In der aktuellen Ausgabe der österreichischen Wochenzeitschrift “Profil” habe ich auch einen längeren Artikel geschrieben, der hier online zu finden ist.
Kommentare (19)