Gauß war aber nicht nur einer der größten Mathematiker aller Zeiten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte er eine neue und bessere Methode, um die Beobachtungsfehler der Astronomen bei den Berechnungen so zu behandeln, dass die Positionsbestimmung von Himmelskörper viel genauer möglich war als vorher. Damit half er, den erst kürzlich zuvor gefundenen ersten Asteroiden – Ceres – wieder zu entdecken, der wegen der ungenauen Bahnbestimmung verschollen war. Gauß beschränkte sich aber nicht darauf, als Himmelsmechaniker die mathematischen Bereiche der Astronomie abzudecken, sondern wandte sich auch der beobachteten Astronomie zu. Er lernte, wie man den Teleskopen und Geräten umgehen muss und wurde schließlich Direktor der Sternwarte in Göttingen. Seine “Methode der kleinsten Quadrate” in der Fehlerrechnung war mindestens ebenso revolutionär und einflussreich wie seine anderen mathematischen Arbeiten – aber die Aufmerksamkeit, die die Wiederentdeckung von Ceres nach sich zog, machte Gauß auf einen Schlag in der Fachwelt und der Öffentlichkeit überall auf der Welt bekannt.
Berühmter Mathematiker und berühmter Astronom – aber Gauß war noch lange nicht fertig! Er widmete sich der Landvermessung und erfand dabei gleich auch noch ein – wieder einmal – revolutionäres Gerät: Mit seinem “Heliotrop” konnten Messpunkte in der Landschaft über viel größere Distanzen anvisiert werden als zuvor. Mit seiner Fehlerrechnung und seinem Wissen über die nicht-euklidische Geometrie (d.h. die Geometrie gekrümmter Oberflächen) konnte er Karten erstellen, die genauer waren als ihre Vorgänger und große Teile Deutschlands erstmals vernünftig vermessen. Und dann war Gauß natürlich auch noch Physiker. Er erforschte mit Wilhelm Weber in Göttingen den Magnetismus; entwickelte ein Gerät mit dem sich die Stärke eines Magnetfelds messen ließ und richtete eine magnetische Telegraphenleitung zwischen Sternwarten und Physikinstitut ein (lange bevor der Telegraph überall auf der Welt die Kommunikation revolutionieren würde).
Ich habe es früher schon gesagt und sage es gerne immer wieder: Gauß war einer der größten und vor allem vielfältigsten Wissenschaftler. Es lohnt sich immer, sich mit seinem Leben und Werk zu beschäftigen. Das kann man besonders gut mit dem Buch “Gauß: Eine Biographie” von Hubert Mania tun. Der Schreibstil von Mania ist einzigartig und so gar nicht mit dem üblichen trockenen Ton der meisten anderen Biografien zu vergleichen. Oft vergisst man bei der Lektüre, dass man ein Sachbuch liest und hat das Gefühl, der Handlung eines spannenden Romans zu folgen. Manias Biografie von Gauß ist zwar schon ein wenig älter, aber trotzdem und auf jeden Fall immer noch enorm lesenswert! Gauß war ein faszinierender Mensch und ein großartiger Wissenschaftler. Und übrigens: Morgen, am 30. April 2015, würde er seinen 238. Geburtstag feiern. Also nutzt die Gelegenheit, lest ein bisschen was über Gauß und backt einen Gaußkuchen! (Ok, den “Gaußkuchen” hab ich gerade erfunden. So etwas existiert offiziell leider nicht. Bis jetzt! Ich bin fest entschlossen, diesen neuen Brauch durchzusetzen 😉 Warum soll man immer nur am Pi-Tag Kuchen essen? Jetzt muss ich nur noch ein Rezept für Gaußkuchen entwicklen. Mal sehen – vielleicht mach ich nen Wettbewerb daraus! Schickt mir doch einfach Rezeptvorschläge und – sofern vorhanden – Bilder eurer fertig gebackenen Gaußkuchen!).
Und weil Hubert Mania so schöne Sachbücher schreiben kann, habe ich auch gleich noch “Kettenreaktion: Die Geschichte der Atombombe” gelesen. Es ist gewissermaßen das Gegenstück zu “Die Nacht der Physik” (das ich im März vorgestellt habe). Dort hat Richard von Schirach von den gescheiterten und fast schon stümperhaften Versuchen der deutschen Physiker erzählt, eine Atombombe zu bauen. In “Kettenreaktion” fasst Mania die Geschichte der erfolgreichen Bombenbauer in den USA zusammen. “Kettenreaktion” beginnt aber schon lange vor dem zweiten Weltkrieg und bietet auch eine schöne und verständliche Übersicht über die Erforschung der Radioaktivität. Lest es, auch wenn ihr denkt, schon alles über die Atombomben zu wissen, was man wissen muss!
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