Ein weiterer Forschungszweig der erst während des zweiten Weltkriegs so richtig an Bedeutung gewonnen hat, war die Radioastronomie. Zwar hatte schon in den 1930er Jahren Karl Jansky die ersten astronomischen Beobachtungen mit Radioteleskopen angestellt und der Nachrichtentechniker Grote Reber erstellte in den 1940er Jahren die erste Radiokarte des Himmels. Aber erst als der zweite Weltkrieg vorüber war, konnten all die Wissenschaftler ihr während des Kriegs gewonnenes Wissen über Radio- bzw. Radarstrahlung auch zu zivilen Zwecken anwenden. All die Erkenntnisse und Technik, die man aus militärischen Gründen entwickelt hatte, wurden nun benutzt, um den Himmel nach kosmischen Radioquellen abzusuchen.
Dabei entdeckte man Radioquellen im Universum, die enorm viel Energie im Radiobereich abstrahlten. So viel Energie, dass man sich kaum vorstellen konnte, wie die erzeugt werden sollte. Und noch schlimmer: Nicht nur kam von diesen fernen “Radiosternen” enorm viel Energie – die Beobachtungen zeigten auch, dass diese Energie in einem vergleichsweise kleinen Volumen erzeugt werden musste, dass kaum größer als unser Sonnensystem war. Da draußen im All waren also Objekte, die mehr Energie ausstrahlten als ganze Galaxien voller Sterne produzieren können und trotzdem nur wenig größer waren als ein typisches Planetensystem. Es dauerte ein wenig, bis man erkannte, dass es sich dabei um die Zentren sehr weit entfernter Galaxien handeln musste (ich habe hier mehr dazu erzählt). Und es dauerte noch länger, bis man erkannte, woher sie ihre Energie bezogen und das schwarze Löcher dafür verantwortlich waren.
Aber das ist eine andere Geschichte für spätere Teile dieser Serie. Hier möchte ich einen Aspekt aufzeigen, der mir aktuell bei der Lektüre von Bartusiaks Buch über schwarze Löcher aufgefallen ist: Sowohl die Simulation des gravitativen Kollaps schwerer Sterne als auch die Radioastronomie wurden bei ihrer Entwicklung maßgeblich von der militärischen Forschung für den zweiten Weltkrieg beeinflusst. Und auch in anderen Bereichen (und zu anderen Zeiten) hat der Krieg sich als Motor für Innovationen herausgestellt. Selbstverständlich ist das absolut kein Grund, so etwas Grauenhaftes wie einen Weltkrieg zu rechtfertigen! Aber ich frage mich trotzdem, welche Erkenntnis sich daraus ziehen lässt. Wäre der wissenschaftliche Fortschritt auch ohne den Krieg passiert? Wäre er vielleicht sogar schneller passiert? Vielleicht erliege ich auch der subjektiven Wahrnehmung, denn es ist nicht unlogisch, dass während eines Krieges in gewissen Bereichen sehr massiv und ohne Rücksicht auf die üblichen finanziellen und personellen Beschränkungen geforscht wird. Und wenn sich später herausstellt, dass genau diese Art der Forschung auch zivile Anwendungen hat, ist es kein Wunder, wenn ein Krieg zu einem sprunghaften Erkenntnisgewinn auf gerade diesem Gebiet führt. Aber in anderen Bereichen verhindern kriegerische Auseinandersetzungen mit Sicherheit auch ebenso massiv den Fortschritt.
Der Zusammenhang zwischen Krieg und Wissenschaft ist komplex und ein kritisches Thema. Aber ich denke, es ist auch ein Thema, über das nachzudenken sich lohnt. Und über das man auch gut diskutieren kann – wozu ich alle Leserinnen und Leser herzlich einladen. Für weitere Meinungen und Denkanstöße empfehle ich übrigens auch noch die Folge “Does Science Need War” des sowieso immer hervorragenden “The Infinite Monkey Cage”-Podcasts mit Physiker Brian Cox und Komiker Robin Ince.
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