Schwarze Löcher gehören zu den faszinierendsten Objekten im Universum. Lange Zeit galten sie nur als mathematische Kuriosität; heute wissen wir, dass sie überall im Kosmos zu finden sind und großen Einfluss auf seine Entwicklung haben. Über schwarze Löcher gibt es viel zu erzählen und über sie existieren viele falsche Vorstellungen. Ich wollte schon seit längerer Zeit eine ausführliche Serie über schwarze Löcher schreiben. Und da Marcia Bartusiak kürzlich ein tolles Buch* zu diesem Thema veröffentlicht hat, nehme ich das als Anlass, um diese Serie endlich zu schreiben. Alle Teile der Serie findet ihr hier.
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In den letzten Teilen dieser Serie habe ich mich mit der Geschichte der schwarzen Löcher beschäftigt. Und die bestand hauptsächlich aus Wissenschaftlern, die der Meinung waren, das es so etwas nicht geben könne (beziehungsweise dürfe) und wenigen Forschern, die das Gegenteil zu zeigen versuchten. Die allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein, die ja der Ausgangspunkt der modernen Forschung über schwarze Löcher war, geriet in der Mitte des 20. Jahrhunderts auch ein wenig in Vergessenheit. Die Wissenschaftler konnten damals ihre Relevanz für den Rest der Physik nicht erkennen und waren viel mehr mit der Quantenmechanik beschäftigt, anstatt sich mit den esoterischen Konzepten der Einsteinschen Raumzeit-Verformungen zu beschäftigen.
Bei den schwarzen Löchern war man ebenfalls nicht sonderlich weiter gekommen. Es wurde zwar immer klarer, dass ein Stern, der groß genug war, am Ende seines Lebens unaufhaltsam in sich zusammenfallen muss. Wenn erstmal der Druck der Strahlung aus seinem Inneren nach dem Aussetzen der Kernfusion verschwunden ist, gab es ab einer gewissen Grenzmasse keinen Mechanismus, der der Gravitation entgegen wirken konnte. Irgendwann musste der Sternenrest unweigerlich so weit schrumpfen und sich dabei so stark verdichten, dass das Resultat nur das sein konnte, was schon lange vorher von Karl Schwarzschild als “Singularität” in der Raumzeit theoretisch beschrieben worden war.
Bis sich diese Erkenntnis aber wirklich durchsetzen konnte musste erst noch ein bisschen Zeit vergehen. Und es dauerte ebenfalls noch bis in die 1960er Jahre, bevor die Astronomen die ersten konkreten Himmelskörper beobachteten, die auf die Existenz realer schwarzer Löcher im Universum hinwiesen. Interessanterweise spielte in beiden Fällen der zweite Weltkrieg eine wichtige Rolle.
Einer der wenigen der sich in der Mitte des 20. Jahrhunderts wirklich intensiv mit schwarzen Löchern beschäftigte, war der Amerikaner John Wheeler. Er kam eigentlich aus der Teilchenphysik und war auch maßgeblich an der Forschung zur Atom- bzw. der späteren Wasserstoffbombe beteiligt. Sein Gegenüber in der Sowjetunion war Jakow Borissowitsch Seldowitsch. Auch er arbeitete an den sowjetischen Atomwaffen und auch er gehörte zu den wenigen, die sich noch intensiv mit der allgemeinen Relativitätstheorie und den schwarzen Löchern beschäftigen. Und beide erkannten bald, dass die Forschung und die (noch recht primitiven) Computersimulationen zu den Explosionen atomarer Waffen auf ähnlichen Prinzipien beruhten wie die Rechnungen die nötig waren, um den gravitativen Kollaps sterbender Sterne zu verstehen (sie nutzen die Relativitätstheorie bei ihren wenigen persönlichen Treffen auch, um sich möglichst unauffällig über die Atomwaffenforschung austauschen zu können).
Unter anderem aus dieser sehr speziellen und kriegsrelevanten Forschung folgten später dann die Ergebnisse, die zu einem besseren Verständnis der schwarzen Löcher führten. Die Wissenschaftler stellten fest, dass es 1) tatsächlich keinen bekannten Mechanismus gibt, der den Kollaps eines Sterns aufhalten kann. Sie merkten aber auch, dass sie sich 2) zu sehr darauf konzentriert hatten zu verstehen, was mit der Materie des Sterns bei so einem Kollaps passiert. Relevant ist aber (zumindest aus der Außensicht) der Ereignishorizont. Sobald ein Stern unter diese Grenze hinaus weiter schrumpft, spielt es im wesentlichen keine Rolle mehr, was mit seiner Materie passiert. Alle Eigenschaften, die so ein Stern haben könnte, verschwinden hinter dem Horizont und von außen ist nichts mehr davon zu sehen. Die Masse verschwindet quasi aus unserem beobachtbaren Universum und zurück bleibt nur noch ihr Gravitationsfeld. Das, was wir vom schwarzen Loch noch registrieren können ist der Ereignishorizont und das ist aus unserer Sicht auch “das” schwarze Loch. Und wie Wheeler und seine Kollegen zeigen konnten, lässt sich darüber kaum noch etwas sagen. Ein schwarzes Loch hat eine Masse, einen Drehimpuls und eine elektrische Ladung. Mehr nicht. Diese drei Zahlen sagen einem alles, was man über das Loch wissen kann. In der Hinsicht ist es einem Elementarteilchen ähnlich – was für so ein komplexes Ding wie ein schwarzes Loch ziemlich überraschend ist!
Ein weiterer Forschungszweig der erst während des zweiten Weltkriegs so richtig an Bedeutung gewonnen hat, war die Radioastronomie. Zwar hatte schon in den 1930er Jahren Karl Jansky die ersten astronomischen Beobachtungen mit Radioteleskopen angestellt und der Nachrichtentechniker Grote Reber erstellte in den 1940er Jahren die erste Radiokarte des Himmels. Aber erst als der zweite Weltkrieg vorüber war, konnten all die Wissenschaftler ihr während des Kriegs gewonnenes Wissen über Radio- bzw. Radarstrahlung auch zu zivilen Zwecken anwenden. All die Erkenntnisse und Technik, die man aus militärischen Gründen entwickelt hatte, wurden nun benutzt, um den Himmel nach kosmischen Radioquellen abzusuchen.
Dabei entdeckte man Radioquellen im Universum, die enorm viel Energie im Radiobereich abstrahlten. So viel Energie, dass man sich kaum vorstellen konnte, wie die erzeugt werden sollte. Und noch schlimmer: Nicht nur kam von diesen fernen “Radiosternen” enorm viel Energie – die Beobachtungen zeigten auch, dass diese Energie in einem vergleichsweise kleinen Volumen erzeugt werden musste, dass kaum größer als unser Sonnensystem war. Da draußen im All waren also Objekte, die mehr Energie ausstrahlten als ganze Galaxien voller Sterne produzieren können und trotzdem nur wenig größer waren als ein typisches Planetensystem. Es dauerte ein wenig, bis man erkannte, dass es sich dabei um die Zentren sehr weit entfernter Galaxien handeln musste (ich habe hier mehr dazu erzählt). Und es dauerte noch länger, bis man erkannte, woher sie ihre Energie bezogen und das schwarze Löcher dafür verantwortlich waren.
Aber das ist eine andere Geschichte für spätere Teile dieser Serie. Hier möchte ich einen Aspekt aufzeigen, der mir aktuell bei der Lektüre von Bartusiaks Buch über schwarze Löcher aufgefallen ist: Sowohl die Simulation des gravitativen Kollaps schwerer Sterne als auch die Radioastronomie wurden bei ihrer Entwicklung maßgeblich von der militärischen Forschung für den zweiten Weltkrieg beeinflusst. Und auch in anderen Bereichen (und zu anderen Zeiten) hat der Krieg sich als Motor für Innovationen herausgestellt. Selbstverständlich ist das absolut kein Grund, so etwas Grauenhaftes wie einen Weltkrieg zu rechtfertigen! Aber ich frage mich trotzdem, welche Erkenntnis sich daraus ziehen lässt. Wäre der wissenschaftliche Fortschritt auch ohne den Krieg passiert? Wäre er vielleicht sogar schneller passiert? Vielleicht erliege ich auch der subjektiven Wahrnehmung, denn es ist nicht unlogisch, dass während eines Krieges in gewissen Bereichen sehr massiv und ohne Rücksicht auf die üblichen finanziellen und personellen Beschränkungen geforscht wird. Und wenn sich später herausstellt, dass genau diese Art der Forschung auch zivile Anwendungen hat, ist es kein Wunder, wenn ein Krieg zu einem sprunghaften Erkenntnisgewinn auf gerade diesem Gebiet führt. Aber in anderen Bereichen verhindern kriegerische Auseinandersetzungen mit Sicherheit auch ebenso massiv den Fortschritt.
Der Zusammenhang zwischen Krieg und Wissenschaft ist komplex und ein kritisches Thema. Aber ich denke, es ist auch ein Thema, über das nachzudenken sich lohnt. Und über das man auch gut diskutieren kann – wozu ich alle Leserinnen und Leser herzlich einladen. Für weitere Meinungen und Denkanstöße empfehle ich übrigens auch noch die Folge “Does Science Need War” des sowieso immer hervorragenden “The Infinite Monkey Cage”-Podcasts mit Physiker Brian Cox und Komiker Robin Ince.
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