In letzter Zeit haben sich bei mir ein paar Bücher zum Themenbereich Medizin/Pseudomedizin angesammelt, die ich euch hier kurz vorstellen möchte. Es sind trotzdem des gemeinsamen Gesundheits-Themas drei sehr unterschiedliche Bücher die sich daher auch für ganz unterschiedliche Zielgruppen eignen.
Der Krankheitswahn
Das erste Buch beschäftigt sich mit dem, was der Autor auch gleich im Titel als Problem identifiziert hat: “Der Krankheitswahn: Wir sind gesünder, als wir uns fühlen und die Industrie uns glauben lässt”* von Sebastian Herrmann.
Herrmann beschäftigt sich darin mit der Frage, warum wir uns heutzutage anscheinend viel zu oft einbilden, krank zu sein. Das Buch ist keines der üblichen “Alternativmedizin ist Unsinn”-Bücher, in denen der Reihe nach irgendwelche absurden pseudomedizinischen Ansichten vorgestellt und widerlegt werden, sondern betrachtet das Thema quasi ganzheitlich 😉 Herrmann macht sich Gedanken darüber, wieso der Gedanke an Krankheiten bzw. an ein “gesundes Leben” unser Denken immer mehr zu bestimmen scheint. Es scheint ja heutzutage kaum noch möglich, tatsächlich gesund zu sein. Und selbst wenn wir glauben, wir wären es, dann wartet irgendwo schon jemand auf uns um uns zu erklären, dass wir unbedingt ein Haus brauchen, das vor bösen elektromagnetischen Feldern abgeschirmt ist. Oder wir auf keinen Fall mehr Weizen essen dürfen, denn der sei für mehr oder weniger alle Krankheiten verantwortlich, die man so kriegen kann. Oder es werden plötzlich irgendwelche Richtlinien geändert und der Blutdruck, der gestern noch normal war, macht einen heute auf einmal krank und behandlungsbedürftig. Und wir wollen behandelt werden: Selbst wenn es nur ein simpler Schnupfen ist, brauchen wir Medikamente (auch wenn wir sie eigentlich gar nicht brauchen).
Hermann erklärt die medizinischen, psychologischen und gesellschaftlichen Hintergründe, die den “Krankheitswahn” anfeuern und er tut das auf sehr amüsante und lesenswerte Art und Weise. Sein Buch basiert auf wissenschaftlichen Forschungsarbeiten, die man bei Bedarf im Anhang nachschlagen kann – ist aber absolut nicht wissenschaftlich-trocken geschrieben. Ich kann es nur allen empfehlen – die Lektüre macht Spaß und man ist danach wieder einmal überrascht und ein klein wenig verärgert über das eigene Gehirn, dass einfach nicht in der Lage zu sein scheint, halbwegs vernünftig zu denken…
Hier gibts auch noch ein kurzes Werbevideo, in dem der Autor selbst über das Buch erzählt:
Anders heilen? Wo die Alternativmedizin irrt
Ganz anders ist das Buch “Anders heilen?: Wo die Alternativmedizin irrt”*, herausgegeben von Dittmar Graf und Christoph Lammers. Es ist ein dünner Band der acht Aufsätze verschiedener Autorinnen und Autoren versammelt. Darunter sind bekannte Namen wie Edzard Ernst, Colin Goldner oder Markus Schulte von Drach. Thematisch werden die klassischen Bereiche der Pseudomedizin abgedeckt: Homöopathie, Anthroposophie, Impfkritik, Heilpraktik, und so weiter. Es enthält auch allgemeine Aufsätze wie “Wer heilt, hat nicht immer Recht” von Martin Hermann oder “Parawissenschaft und Paramedizin als Ausdruck illusionären Denkens und Handelns” von Martin Mahner.
Man findet in den einzelnen Kapitel jede Menge sehr interessante Informationen zu all den Themenbereichen, aber auch nicht wirklich viel überraschend Neues. Zumindest dann nicht, wenn man sich nicht sowieso schon vorher mit der Kritik der Pseudomedizin beschäftigt hat. Aber es eignet sich gut als Nachschlagewerk und Referenz für alle, die regelmäßig damit zu tun haben. Durch die wissenschaftliche Aufmachung mit all den Fußnoten und eingeschobenen Informationskästen ist es – zumindest meiner Meinung nach – auch nicht wirklich für eine breite Leserschaft ohne Vorbildung in diesen Themenbereichen geeignet. Für diese Zielgruppe ist die Informationsdichte dann doch zu hoch – “Anders heilen?” ist mehr ein Buch, das man “durcharbeitet” und keines das man “einfach so” liest. Aber für alle, die möglichst viele Informationen mit möglichst vielen konkreten Quellen auf kleinem Raum zusammengefasst bekommen möchten, ist es ein gutes Nachschlagewerk.
100 Medizin-Mythen
Ganz definitiv ein Nachschlagewerk ist “100 Medizin-Mythen”*, herausgegeben vom Verein für Konsumenteninformation und unter Beteiligung des den Stammlesern dieses Blogs sicher bekannten Videobloggers Jörg Wipplinger. Jörg ist aber nicht nur Videoblogger, sondern auch Teil der Initiative Medizin Transparent über deren Arbeit erst vor kurzem ein sehr interessanter Bericht in der Wochenzeitung “Falter” erschienen ist. Bei “Medizin Transparent” geht es darum, die vielen, vielen Medienberichte über Gesundheitsthemen zu bewerten, die wir Tag für Tag in allen Zeitungen und Fernsehsendungen sehen können, nach wissenschaftlichen Maßstäben zu bewerten. Und das Resultat ist leider in den meisten Fällen deprimierend. Nur an etwa 10 Prozent der Berichte, die von “Medizin Transparent” untersucht worden sind, gab es nichts auszusetzen.
Das Buch “100 Medizin-Mythen” ist gewissermaßen eine Zusammenfassung dieser Arbeit. Wie der Titel schon nahelegt, werden 100 in den Medien immer wieder auftauchende medizinische Aussagen erklärt und bewertet. Darunter finden sich Klassiker wie “Sind Zahnfüllungen aus Amalgam gesundheitsschädlich?” oder “Ist Gemüse, das im Mikrowellenherd zubereitet wurde, weniger gesund als auf andere Art zubereitetes Gemüse?” aber auch durchaus speziellere Fragen wie “Können Probiotika Durchfall infolge einer Antibiotikabehandlung vorbeugen?”. Jede dieser Aussagen wird kurz und knapp erläutert und anhand wissenschaftlicher Publikationen (die am Ende als Quellen aufgeführt sind) eingeschätzt. Für jeden “Mythos” wird festgestellt, ob die Beweislage “unzureichend”, “niedrig”, “mittel” oder “hoch” ist.
“100 Medizin-Mythen” ist ein Buch, das auf dem Schreibtisch eines jeden Journalisten liegen sollte, der sich mit Gesundheitsthemen beschäftigt. Einerseits als konkretes Nachschlagewerk, andererseits auch als ständige Erinnerung, dass nicht jede Behauptung auch richtig ist und eine fette Schlagzeile verdient, nur weil sie interessant klingt. Es kann auch nicht schaden, wenn sich ein paar Ärzte dieses Buch zulegen – um selbst darin zu lesen und um es ihren Patienten als Wartezimmerlektüre anzubieten. Eigentlich aber ist es ein Buch, das gar kein Buch sein sollte – sondern eine Smartphone-App oder ein Browser-Plugin das immer dann Alarm schlägt, wenn man wieder mal irgendwo im Gesundheitsressort eines Mediums groben Unfug über angebliche Studien lesen kann, die dieses oder jenes beweisen! Denn da draußen gibt es mit Sicherheit mehr als nur “100 Medizin-Mythen” und sie sollten alle ihre entsprechende wissenschaftliche Bewertung erfahren…
(Disclaimer: Alle Bücher wurden mir von den Autoren kostenlos zur Verfügung gestellt)
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