Ich habe mich mal ein wenig im Internet umgesehen um herauszufinden, an welchen astronomischen Fragen die Leute besonders interessiert sind. Eine Frage, die anscheinend bei Google besonders oft gestellt wird lautet Welcher Planet ist der Erde am nächsten? Wer ein bisschen Ahnung von Astronomie hat, wird dadurch vermutlich nicht vor sonderlich große Probleme gestellt und kann die Antwort darauf schnell geben. Aber wenn man ein bisschen genauer darüber nachdenkt, finden sich trotzdem noch ein paar interessante Aspekte, über die mehr zu erzählen sich durchaus lohnt. Und darum habe ich diese Frage auch für den heutigen Eintrag in meiner Serie “Fragen zur Astronomie” ausgewählt.
Betrachtet man den Aufbau unseres Sonnensystems, dann ist die Antwort eigentlich klar. Der nächstgelegene Planet kann eigentlich nur die Venus sein. Der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne beträgt 150 Millionen Kilometer. Unsere beiden Nachbarn sind die Venus, die innerhalb der Erdbahn um die Sonne kreist und der Mars, der das außerhalb der Erdbahn tut. Im Mittel ist die Venus knapp 105 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt, beim Mars sind es 225 Millionen Kilometer. Der Abstand zwischen Erde und Venus ist also kleiner als der Abstand zwischen Erde und Mars.
Aber: Die Planeten bewegen sich um die Sonne. Und wie wir spätestens seit der Arbeit von Johannes Kepler wissen, tun sie das umso langsamer, je weiter sie von der Sonne entfernt sind. Die Venus ist also schneller als die Erde und die wiederum schneller als der Mars. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten führen dazu, dass sich der tatsächliche Abstand zwischen den Planeten ständig ändert. Die Zahlen, die ich vorhin genannt habe, gelten ja nur für den mittleren Abstand und je nachdem wie Erde, Mars und Venus in Bezug aufeinander gerade stehen, können die Werte sich deutlich ändern.
Es kann zum Beispiel sein, dass Sonne, Erde und Mars genau in dieser Reihenfolge genau in einer Linie stehen. Dann ist der Abstand zwischen Erde und Mars minimal. Wenn die drei Himmelskörper dagegen in der Reihenfolge Mars, Sonne und Erde in einer Linie stehen ist der Abstand maximal. Der erste Fall, in dem sich Erde und Mars auf der gleichen Seite der Sonne befinden wird Opposition des Mars genannt. Den zweite Fall, in dem die Planeten sich auf unterschiedlichen Seiten der Sonne aufhalten nennt man Konjunktion des Mars. Dieses Bild zeigt das ganze noch einmal:
Steht der Mars in Opposition, kann der Abstand zur Erde bis auf 54,6 Millionen Kilometer schrumpfen. Aber auch dieser Wert verändert sich, denn nicht nur die Planeten bewegen sich, auch die Bahnen auf denen sie das tun, wandeln sich im Laufe der Zeit. Ich habe das hier genauer erklärt: Sie wackeln im Laufe der Zeit im Raum hin und her, werden mehr oder weniger kreisförmig und auch größer und kleiner. Deswegen kann der Mars der Erde in den nächsten Jahrzehnten nur auf höchstens etwa 58 Millionen Kilometer nahe kommen (im Jahr 2013 hat er mit 56 Millionen Kilometer einen Minimalwert erreicht, der in den nächsten 50.000 Jahren nicht mehr unterschritten wird). Die nächste Opposition wird am 22. Mai 2016 stattfinden und der Abstand wird dann 75,3 Millionen Kilometer betragen. Die darauf folgenden Oppositionen finden am 27. Juli 2018 (57,6 Millionen Kilometer) und am 13. Oktober 2020 (62,1 Millionen Kilometer) statt.
(Übrigens: Die im Internet immer wieder Mal auftauchende Behauptung, nach der der Mars angeblich “demnächst” der Erde so nahe kommen soll wie seit Jahrtausenden nicht mehr und dabei am Himmel so groß wie der Vollmond erscheinen wird, ist völliger Unsinn, wie ich hier erklärt habe.)
Das war der Mars – und wie ist es bei der Venus? Hier gibt es keine Opposition und Konjunktion; man spricht stattdessen von “oberer Konjunktion” und “unterer Konjunktion”, je nachdem ob sich die beiden Planeten auf der gleichen Seite der Sonne befinden oder nicht. Das sieht dann so aus:
Steht die Venus in unterer Konjunktion, kann der Minimalabstand zur Erde bis auf 38 Millionen Kilometer schrumpfen. Aber auch hier gilt wieder: Die Bahnen ändern sich und dieser Wert wurde zwar in der Vergangenheit erreicht (vor ungefähr 400.000 Jahren); die Abstände bei zukünftigen unteren Konjunktionen sind allerdings etwas größer. Das nächste Mal kommen sich Venus und Erde am 15. August 2015 besonders nahe und werden dann 43 Millionen Kilometer voneinander entfernt sein. Am 25. März 2017 sind sie sich mit 42 Millionen Kilometer noch ein bisschen näher.
Die Nähe der Venus zeigt sich auch ganz offensichtlich beim Blick auf den abendlichen (oder morgendliche) Himmel. Das, was man oft “Abendstern” oder “Morgenstern” nennt, ist natürlich kein Stern, sondern die Venus. Sie leuchtet wegen ihre Nähe zur Erde meistens heller als jeder andere Himmelskörper und wird nur noch vom Mond und natürlich der Sonne selbst übertroffen. Selbst der Mars kann sie nicht übertreffen. Auch wenn er der Erde manchmal sehr nahe kommt, ist er eben doch viel kleiner als die Venus, die fast so groß wie die Erde selbst ist.
Zusammengefasst: Die Venus kann der erdnächste Planet sein, muss es aber nicht unbedingt. Die Venus kann sich bis auf 261 Millionen Kilometer von der Erde entfernen und sich bis auf rund 40 Millionen Kilometer nähern. Der Abstand zum Mars schwankt zwischen 56 Millionen und 441 Millionen Kilometer. Damit gibt es genug Möglichkeiten, bei denen nicht die Venus, sondern der Mars zumindest kurzfristig zu unserem nächsten Nachbar im All werden kann. Die Frage “Welcher Planet ist der Erde am nächsten” ist also gar nicht so einfach zu beantworten, wie sie zu sein scheint. Es kommt immer darauf an, wann man fragt 😉
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
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