“Es ist eine schöne und interessante Entdeckung. Aber noch keine Entdeckung der “zweiten Erde”. Die wird es erst geben können, wenn wir neue und bessere Instrumente haben; Instrumente mit denen wir auch das Licht der Planeten direkt sehen und analysieren können. Die wird es in knapp 10 Jahren geben und bis dahin kann jede Meldung zur Entdeckung einer “zweiten Erde” nur übertriebene PR bzw. schlecht recherchierter Journalismus sein. Ich zweifle eigentlich nicht daran, dass wir in den nächsten Jahrzehnten eine echte zweite Erde finden werden. Ich zweifle allerdings auch nicht daran, dass wir bis dahin noch sehr oft von der Entdeckung einer “zweiten Erde” hören werden, die eigentlich gar keine ist…”
Die oben stehenden Sätze habe ich im April 2014 geschrieben als das Weltraumteleskop Kepler eine “zweite Erde” entdeckt hatte. Es ging um den Planeten Kepler-186f, dessen Entdeckung überall mit großem Medienrummel begleitet worden ist. Und Kepler-186f war bei weitem nicht die einzige “zweite Erde”, die bisher entdeckt worden ist. Das wurde 2012 schon mal behauptet (als man den Planeten GJ667c-b entdeckte); es wurde auch schon 2011 verkündet (als man den Planeten HD 85512b entdeckte) und es wurde noch in vielen anderen Fällen mal mehr und mal weniger laut gefeiert. Gestimmt hat es allerdings nie. Eine echte “zweite Erde”, so wie sich die Öffentlichkeit das vorstellt, wurde in keinem der Fälle gefunden. Und sie wurde auch heute nicht gefunden, auch wenn überall schon wieder entsprechende Berichte kursieren…
Diesmal geht es um den Planeten Kepler-452b. Und die Schlagzeilen sind wieder mal dramatisch: “Say Hello To Earth 2.0! Historic Kepler Discovery Suggests We Are Not Alone” (WebCite) lautet zum Beispiel eine davon. Nicht ganz so hysterisch ist “Kepler Data Reveals What Might Be Best ‘Goldilocks’ Planet Yet” (WebCite). Bei Focus-Online ist man dagegen gewohnt sensationalistisch: “Das sagt die Nasa zur Entdeckung der „zweiten“ Erde” (WebCite). Ich erspare mir die Auflistung weiterer Schlagzeilen – es finden sich auf jeden Fall genug. Vielleicht nur noch kurz meinen Favoriten: “Zweite Erde entdeckt! Keppler186f : NASA gibt auf Pressekonferenz Sensation und Jahrtausend-Nachricht bekannt” (WebCite). Eine Sensation UND eine Jahrtausend-Nachricht… Na dann!
Die NASA selbst ist in ihrer Pressmitteilung deutlich zurückhaltender und schreibt: “NASA’s Kepler Mission Discovers Bigger, Older Cousin to Earth”. Keine “zweite Erde” also sondern ein “Erd-Cousin”: Der gefundene Planet – Kepler-452b – ist um 60 Prozent größer als die Erde und das ist schon ein ordentliches Stück mehr. Es handelt sich also um eine sogenannte Supererde und keinen erdähnlichen Planeten. Die Masse von Kepler-452b ist nicht bekannt (man weiß nur, dass der Planet mindestens dreimal und höchstens sieben mal schwerer als die Erde ist) und daher weiß man auch nichts über die Zusammensetzung oder darüber, ob es sich um einen Himmelskörper mit fester Oberfläche handelt oder doch um einen kleinen, neptunähnlichen Gasplaneten.
Der Planet befindet sich in der habitablen Zone seines Sterns, was bedeutet, dass er nicht zu viel und nicht zu wenig Strahlung abbekommt und theoretisch flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche existieren könnte. Was nicht heißt, das dort auch flüssiges Wasser existieren muss.
Der Stern, den Kepler-452b umkreist ist 1400 Lichtjahre entfernt, (vermutlich) um 20 Prozent heller als unsere Sonne, um 10 Prozent größer und 1,5 Milliarden Jahre älter. Mehr kann ich dazu nicht sagen, da der entsprechende Fachartikel nicht mit der Pressemitteilung veröffentlicht worden und derzeit auch nicht anderweitig frei verfügbar ist. Und da ich in meinem Blog nur über frei verfügbare Forschungsarbeiten berichte, muss ich diese Arbeit leider auslassen. (Nachtrag: Der Artikel wurde mittlerweile öffentlich gemacht – ich werde vielleicht bei Gelegenheit mehr über die Arbeit schreiben)
Das Weltraumteleskop Kepler hat also einen Planeten entdeckt, der sich in der habitablen Zone befindet und definitiv nicht erdähnlich ist. Das mag vielleicht für die Medien langweilig sein, die immer nur auf den Ausdruck “zweite Erde” anzuspringen scheinen. Für die Astronomie ist so eine Entdeckung aber natürlich trotzdem sehr interessant. Vor allem, weil es auch nicht die einzige ist! In der Pressemitteilung wurde auch erwähnt, dass man auch jede Menge neue Planetenkandidaten entdeckt hat; der Katalog von Kepler ist nun auf 4696 Einträge angewachsen. Nicht alle davon sind im Detail nachträglich untersucht worden, aber Kepler-452b schon. Und die Bestätigung von Kepler-452b als Planet hat die Liste der bestätigten Planeten auf 1030 Himmelskörper erhöht.
Das aus meiner Sicht eigentlich interessante Ergebnis stammt wird vom Astronom Jeff Coughlin in der Pressemitteilung so zusammengefasst:
“We’ve been able to fully automate our process of identifying planet candidates, which means we can finally assess every transit signal in the entire Kepler dataset quickly and uniformly,” said Jeff Coughlin, Kepler scientist at the SETI Institute in Mountain View, California, who led the analysis of a new candidate catalog. “This gives astronomers a statistically sound population of planet candidates to accurately determine the number of small, possibly rocky planets like Earth in our Milky Way galaxy.”
Der Prozess der Datenauswertung beim Kepler-Teleskop läuft also jetzt vollautomatisch ab. Und die Astronomen haben mittlerweile ausreichend Daten zur Verfügung, um vernünftige Statistik zu betreiben. Statistik mag nicht so schlagzeilenkompatibel sein wie die “zweite Erde”. Aber Statistik ist wichtig! Wenn wir die Planeten nicht nur entdecken, sondern auch verstehen wollen, dann müssen wir über möglichst viele davon Bescheid wissen. Nur dann können wir herausfinden, welche Planeten “normal” sind und bei welchen es sich um seltsame/interessante Sonderfälle handelt. Nur dann können wir verstehen, wie die Prozesse ablaufen, durch die Planeten entstehen und wovon es abhängt, ob ein Stern von einem Planetensystem wie dem unseren umkreist wird oder nicht. Und nur dann können wir auch herausfinden, wie häufig Planeten wie unsere eigene Erde im Universum sind!
Was wir aber definitiv nicht können ist folgendes: Eine “zweite Erde” zu entdecken, so wie sich das die Öffentlichkeit meistens vorstellt. Also einen Planeten, auf dem die gleichen Bedingungen herrschen wie auf der Erde. Das können wir nicht, weil wir die dafür nötigen Instrumente noch nicht besitzen! Wir können momentan nur feststellen, wie groß ein Planet ist, wie schwer er ist und wie weit entfernt er seinen Stern umkreist. Das reicht, um erdgroße/erdschwere Planeten in der habitablen Zone zu entdecken und das ist auch enorm interessant. Aber wie es auf dem Planeten dann tatsächlich aussieht, können wir so nicht herausfinden.
Die Venus ist das beste Beispiel dafür: Unser Nachbarplanet ist fast so groß wie die Erde. Er ist fast so schwer wie die Erde. Und – je nach Definition – befindet sich auch die Venus in der habitablen Zone der Sonne. Trotzdem ist die Venus alles andere als eine “zweite Erde” sondern so ziemlich der lebensfeindlichste Planet, den man sich nur denken kann (mit Oberflächentemperaturen von weit über 400 Grad Celsius!). Das liegt unter anderem an der völlig anderen Atmosphäre die die Venus besitzt (und auch noch an weiteren Gründen, wie zum Beispiel ihrem Magnetfeld). Wollen wir wissen, wie die Bedingungen auf einem anderen Planeten wirklich sind, müssen wir zwingend auch die genaue Zusammensetzung seiner Atmosphäre kennen und das schaffen wir mit den bisherigen Instrumenten nicht. Dazu müssen wir noch ein paar Jahre warten, bis die besseren Teleskope fertig werden, die man derzeit gerade baut.
Wir werden die zweite Erde schon noch finden. Wenn die Erde kein Einzelfall ist und dort draußen noch andere Himmelskörper mit entsprechenden Umweltbedingungen vorhanden sind, dann werden wir sie in den nächsten 20 Jahren entdecken. Aber jetzt geht das eben noch nicht. Was aber vermutlich nichts daran ändern wird, das wir wohl auch in den nächsten Jahren immer wieder “Zweite Erde entdeckt!!”-Schlagzeilen und Pressemitteilungen lesen werden…
Kommentare (116)