Laut Roland Reuß bin ich also tief verzweifelt (zumindest im Kierkegaardschen Sinn). Ich selbst bin Herrn Reuß aber gewissermaßen dankbar für das Buch (und auch Julia, die mir dieses Buch geschenkt hat!). Denn es hat mir wieder ins Bewusstsein gerufen, warum ich Bücher so sehr mag. Warum ich meine Wohnung mit immer mehr Büchern anfülle und warum auch die Zahl der Bücher auf meinem Ebook-Reader immer weiter wächst. Warum ich weiterhin Tag für Tag Texte verfasse, die sowohl elektronisch als auch gedruckt erscheinen. Vielen Dank, Herr Reuß! Und vielen Dank auch, dass ihr “Buch” genaugenommen nur eine Broschüre von 88 Seiten Länge ist (ich wäre eigentlich überzeugt gewesen, dass alles ohne harte Buchdeckel rundherum ebenfalls des Teufels ist). Mehr hätte ich auch auf keinen Fall vertragen…
Blasmusikpop und Makarionissi
Wenden wir uns wieder erfreulichen Büchern zu. Im Kurzurlaub Anfang August war ich kurzfristig ohne Buch. In einem Buchladen habe ich dann “Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam” von Vea Kaiser gefunden. Die Existenz dieses Buchs war mir natürlich bewusst. Als es 2012 erschienen ist, gab es ja jede Menge Rummel um “Blasmusikpop” und die Autorin. Gefühlt wurde damals auf jedem Fernsehsender und in jeder Zeitschrift darüber berichtet und ausschließlich positiv und euphorisch. Ich bin dann bei sowas ja immer automatisch ein wenig skeptisch, irrational stur und lese das Buch dann absichtlich nicht. Aber eben weil das irrational ist habe ich mir das Buch nun doch besorgt. Ich habe mich auf die Terrasse gesetzt, die erste Seite aufgeschlagen und angefangen zu lesen. Und nachdem ich ein paar Stunden später die letzte Seite umgeblättert hatte, kann ich nun berichten: “Blasmusikpop” ist ein absolut großartiges Buch und der ganze Rummel damals war mehr als gerechtfertigt!
Vea Kaiser kommt aus Niederösterreich. Und ihr Buch spielt auch in Österreich; in einem nicht näher lokalisierten Bergdorf in den Alpen: St. Peter am Anger. Das liegt so richtig am Arsch der Welt und ist entsprechend rückständig und von ebenso rückständigen Bauern bewohnt. Bis eines Tages einer der Bewohner an einem Bandwurm erkrankt, nicht arbeiten kann und sich die Zeit damit vertreibt, alles über Bandwürmer zu lernen, was es zu lernen gibt. Fasziniert von der Medizin beschließt er, das Dorf zu verlassen, nach Wien zu gehen und Medizin zu studieren. Das tut er auch – lässt aber Frau und Tochter zurück. Der ungebildete Handwerker kommt als gebildeter Arzt wieder nach St. Peter und verzweifelt dort nicht nur an der Ignoranz der restlichen Bevölkerung sondern auch seiner Tochter. Sein Enkelkind aber will er aus der dumpfen Dorf-Tristesse retten und sorgt für dessen Bildung. Johannes wächst zu einem echten “Nerd” heran, dessen Interesse aber eher bei Geschichte und Geisteswissenschaft liegen, womit er aber wunderbar in das Klostergymnasium des Nachbarorts passt.
Das Buch überspannt mehrere Generation und endet in der Gegenwart. Vea Kaiser erzählt die Geschichte des Dorfes und vor allem die Geschichte von Johannes, der nicht nur mit den üblichen Problemen des Erwachsenwerdens zu kämpfen hat sondern auch mit einem bildungsfeindlichen Umfeld und einer bildungsfeindlichen Familie. Das Buch ist – wie schon gesagt – absolut hervorragend. Es ist spannend, es ist ist skurril, es ist lustig, es ist intelligent und ich habe schon lange keinen Roman mehr gelesen, der mir so viel Spaß gemacht hat! Wenn ihr es noch nicht kennt, dann lest es bitte auf jeden Fall!
Noch beeindruckender ist der Erfolg von “Blasmusikpop” wenn man berücksichtigt, dass es der Debütroman von Vea Kaiser war, sie das Buch während ihres Studiums geschrieben hat und bei der Veröffentlichung erst 23 Jahre alt war. Das lässt einerseits auf eine große Karriere als Schriftstellerin hoffen; andererseits aber auch befürchten, dass es nur ein einmaliger Erfolg war. Ich hab mir aber trotzdem direkt im Anschluss an “Blasmusikpop” das im Mai diesen Jahres erschienene zweite Buch von Kaiser besorgt: “Makarionissi oder Die Insel der Seligen”.
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