Dass ich ein großer Fan der Asteroiden bin, dürfte bekannt sein. Asteroiden sind großartig und man kann mit ihnen so gut wie alles machen. Unsere Zukunft führt über die Asteroiden und man kann sich daher gar nicht genug mit den Felsbrocken im All beschäftigen. Aber: Kann man Asteroiden auch essen?
Dumme Frage, könnte man meinen. Wir essen ja hier auf der Erde auch keine Steine; warum sollten wir dann Steine aus dem Weltall essen? Aber so weit hergeholt ist die Vorstellung auch wieder nicht. Wenn wir unsere Nahrung auf einer molekularen bzw. atomaren Ebene betrachten, dann finden wir dort die gleichen Elemente, die wir auch in den Asteroiden finden: Hauptsächlich Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff oder “CHON”, wie diese vier Elemente oft gemeinsam abgekürzt werden. In der Science-Fiction-Literatur (insbesondere in der empfehlenswerten “Gateway-Trilogie”* von Frederik Pohl) nutzt die Menschheit daher auch Asteroiden und Kometen, um deren CHON-Materie in Lebensmittel zu transfomieren und so den enormen Lebensmittelbedarf der immer weiter wachsenden Menschheit zu befriedigen.
Aber das ist natürlich nur Science Fiction! In der Realität sind wir noch lange nicht so weit, um so etwas auch nur annähernd zu bewerkstelligen. Eine Technologie, die Nahrungsmittel direkt aus molekularen Bausteinen zusammenstellt ist wohl selbst langfristig noch nicht denkbar. Vielversprechender ist die Methode, “künstliches” Fleisch im Labor wachsen zu lassen. Dazu entnimmt man tierische Zellen (wobei das Tier selbst keinen Schaden nimmt) und lässt daraus im Labor größere Mengen an Fleisch wachsen. Diese Technik hat den Vorteil, dass der ganze Aufwand der industriellen Massentierhaltung mit all seinen ethischen und ökologischen Problemen weg fällt. Und sie hat einen weiteren großen Vorteil: Sie funktioniert! Der erste “In-vitro-Burger” wurde im Jahr 2013 offiziell vorgestellt und verkostet. Der Nachteil: Noch ist das alles viel zu teuer, um wirklich effektiv eingesetzt zu werden. Aber die Forscher rechnen damit, dass die Technik in ein paar Jahren so weit ist, vernünftiges Fleisch zu halbwegs brauchbaren Preisen herzustellen.
Und es ist auch kein Wunder, dass die NASA an entsprechender Forschung interessiert ist. Auch im Weltall müssen die Astronauten essen. Momentan reisen die Menschen nicht weit; nur ein paar hundert Kilometer bis zur Raumstation. Dorthin können von der Erde aus auch regelmäßig neue Nahrungsmittel geliefert werden. Es ist aber immer noch enorm teuer irgendwas von der Erde ins All zu bringen, egal ob es sich um Lebensmittel oder etwas anderes handelt. Und das ganze funktioniert gar nicht mehr, wenn wir uns doch noch irgendwann dazu entschließen sollten, zum Mars zu fliegen oder uns noch weiter hinaus in den Weltraum zu wagen. Wenn Menschen Monate oder gar Jahre lang von der Erde abgeschnitten sind, müssen sie sich selbst versorgen. Vorräte kann man nur bedingt für so lange Zeiten mitnehmen (das wäre dann auch wieder ein Gewichtsproblem, den in so einem Raumschiff ist nicht beliebig viel Platz). Wenn man sich Fleisch unterwegs immer dann züchten könnte, wenn man es braucht, wäre das ein großer Vorteil für diverse zukünftige Raumfahrtprojekte. Deswegen hat die NASA schon im Jahr 2002 Forschungsarbeiten gefördert, bei der es unter anderem um die Züchtung künstlicher Fischzellen ging.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir die Sache mit dem künstlichen Fleisch in nicht allzu ferner Zukunft so weit in den Griff bekommen, dass es sowohl auf der Erde als auch im Weltraum als Nahrung dienen kann. Aber Fleisch allein reicht für eine ausgewogene Ernährung nicht aus. Wollen wir uns langfristig im All aufhalten, müssen wir herausfinden, wie man dort nicht nur Fleisch produziert, sondern auch andere Lebensmittel. Wir müssen die Landwirtschaft die wir auf der Erde betreiben irgendwie in den Weltraum verlagern. Und das ist gar nicht so einfach, wie man denken möchte.
Man kann ja nicht so einfach irgendwelche Samen ins All mitnehmen und auf das Beste hoffen. Beziehungsweise: Man kann schon. Der Astronaut Ed White hat das 1964 während der Gemini 4 Mission gemacht, wo er als erster Amerikaner einen Weltraumspaziergang absolvierte. Dabei trug er ein paar Senfkörner in seiner Tasche – allerdings nicht aus botanischen Gründen sondern um das “Gleichnis vom Senfkorn aus der Bibel und seinen christlichen Glauben zu propagieren.
In den folgenden Jahrzehnten hat man immer wieder mit Pflanzen im Weltall experimentiert um herauszufinden, ob und wie sie in der Schwerelosigkeit wachsen. Hauptsächlich aus Gründen der botanischen Forschung und noch nicht zur Nahrungsmittelproduktion. Die fehlende Gravitation hat sich als nicht sonderlich förderlich für das Wachstum der Pflanzen herausgestellt. Sie entwickelten Mutationen, wuchsen nicht wie sie es sollten, erzeugten keine Samen bzw. trieben gar nicht erst aus.
Tatsächlich hat es bis zum August 2015 gedauert, bevor Astronauten auf der ISS das erste Mal im Weltall gewachsene Nahrung verzehrt haben: Es gab Salat – der wuchs auch schon davor auf der Raumstation, aber die erste Ernte hatte man ungegessen zur Erde transportiert um sie dort zu untersuchen damit sichergestellt ist, dass die Weltraumpflanzen nicht gesundheitsschädlich sind.
Aber mit ein paar Blättern Salat kann man natürlich keine Langzeitmissionen im Weltraum durchführen. Dafür braucht es große Gewächshäuser. Und selbst kleine Gewächshäuser sind schwer zu realisieren. Wissenschaftler aus den USA und Mazedonien haben letztes Jahr erfolgreich ein Mini-Gewächshaus entwickelt, in dem zwei Generationen der Acker-Schmalwand (eigentlich ein “Unkraut”, aber ein guter Modellorganismus in der Botanik) erfolgreich auf der ISS gezüchtet werden konnten. Die ganze Ökologie der Pflanzen wurde streng kontrolliert und zwar ferngesteuert von der Erde aus. Aus diesem Experiment hat man gelernt, dass es enorm wichtig ist, die Umweltbedingungen möglichst exakt zu kontrollieren.
Besonders wichtig sind diese Bedingungen, wenn es darum geht, Pflanzen auf anderen Himmelskörpern anzubauen. Wir wollen ja vielleicht irgendwann mal dauerhaft besiedelte Stationen auf dem Mond oder dem Mars errichten. Dann müssen wir dort auch Pflanzen züchten und können den dafür nötigen Erdboden von der Erde ins All transportieren. Aber es ist enorm aufwendig und teuer, so viel Erde per Rakete durch die Gegend zu fliegen. Besser wäre es, die Pflanzen direkt im Mars- oder Mondboden anzubauen. Besser, aber auch schwieriger.
Denn Pflanzen brauchen auch entsprechende Nährstoffe, damit sie vernünftig wachsen können. Und die sind anderswo nicht zwingend vorhanden. Im Marsboden fehlt zum Beispiel der Stickstoff, der als Dünger essentiell ist. Außerdem gibt es dort im Boden Stoffe, die für uns giftig sind und in die Pflanzen gelangen könnten. Entsprechende Experimente mit simulierten Marsböden zeigen, wie kompliziert die ökologischen Zusammenhänge sind und das es gar nicht so einfach ist, außerhalb der Erde etwas zum Wachsen zu bringen.
Und hier kommen nun endlich die Asteroiden ins Spiel! Direkt essen können wir sie – wie gesagt – nicht. Aber sie könnten uns als wichtige Quelle für Dünger dienen! Der neuseeländische Chemiker Michael Mauthner hat 2014 untersucht wie sich Asteroiden als Düngemittel einsetzen lassen. Er nutzte dazu auf der Erde gefundene Meteoriten und bestimmte die Menge in ihnen enthaltener Nährstoffe. Besonders die “C-Typ-Asteroiden” scheinen ein guter Ausgangspunkt für entsprechende Ressourcen zu sein. Der Name bezieht sich auf den vergleichsweise hohen Kohlenstoffgehalt dieser Himmelskörper (was man auch an ihrer dunklen Farbe erkennt). C-Typ-Asteroiden sind häufig; circa 75 Prozent aller bekannten Asteroiden gehören dazu. Und, wie Mauthner berechnet hat, ein etwa 100 Kilometer großer Brocken würde genug Nährstoffe enthalten, um 10.000 Menschen für eine Milliarde Jahr lang zu versorgen!
Das sind viele Menschen und es ist eine lange Zeit! Eine zukünftige Marskolonie täte also gut daran, sich unterwegs einen kleinen Asteroiden einzufangen um ihn als dauerhafte Quelle für Dünger zu benutzen. Und wenn wir uns irgendwann mal in (vermutlich leider) der fernen Zukunft über das ganze Sonnensystem ausbreiten, könnten wir mit allen C-Typ-Asteroiden des Sonnensystems eine ganze Milliarde Menschen eine Milliarde Jahre lang ernähren!
Wieder einmal zeigt sich also: Die Asteroiden sind unsere Zukunft! Sie sind eine gewaltige Rohstoffquelle für so gut wie alle Zwecke und wir können es uns eigentlich nicht leisten, sie zu ignorieren. Die Asteroiden müssen weiterhin (und viel intensiver als bisher) erforscht werden!
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