Weihnachten kommt. Und damit auch meine Buchempfehlungen für das Fest. Diesmal habe ich mich von den üblichen Bestsellern und aktuellen Erscheinungen fern gehalten (obwohl das nicht ganz geklappt hat) und aus meiner Bibliothek ein paar besondere Werke heraus gesucht. In den meisten Buchhandlungen findet man ja in der Abteilung für populärwissenschaftliche Sachbücher (sofern es dort so etwas überhaupt gibt) ja immer nur das gleiche Angebot. Die Bücher von Stephen Hawking und der kleinen Handvoll anderer Autoren naturwissenschaftlicher Bestseller. Ein paar “Neue lustige Fakten über xyz”-Bücher. Ein paar große Bildbände, Lexika und Nachschlagewerke. Aber richtige Vielfalt gibt es in den meisten Buchläden nicht mehr. Wenn man aber ein bisschen stöbert – und warum das heutzutage fast nur noch online funktioniert habe ich hier erklärt – dann findet man Dinge, mit denen man nicht gerechnet hätte.
Das sind dann Bücher, bei denen definitiv klar ist, dass sie nicht geschrieben worden sind, weil die Autoren damit unbedingt Geld verdienen wollte. Bücher, die so spezielle Themen behandeln, dass die Zielgruppe dafür verschwindend gering sein muss. Aber eben auch Bücher mit Geschichten, die irgendjemand unbedingt erzählen wollte. Und wenn sie gut erzählt werden, dann lohnt es sich immer, sie zu lesen – auch wenn man sich vielleicht beim ersten Blick denkt: “Ein ganzes Buch über dieses Thema? Wer braucht denn sowas?”
A Short Bright Flash
Wer braucht denn sowas? Ich! Das hab ich mir zumindest sofort gedacht, als von der Existenz des Buches “A Short Bright Flash: Augustin Fresnel and the Birth of the Modern Lighthouse”* erfahren habe. Geschrieben hat es die Historikern Theresa Levitt und es behandelt die Geschichte der Fresnel-Linse. Wer nicht zufällig schon mal ein wenig intensiver mit Optik zu tun gehabt hat, wird mit diesem Begriff wenig anfangen können. Genau so wenig wie mit Augustin Jean Fresnel, dem französischen Physiker der dieses Teil Anfang des 19. Jahrhunderts erfunden hat.
Aber es lohnt sich, sich mit seinem Leben und seiner Arbeit zu beschäftigen. Fresnel hat nicht nur jede Menge faszinierende grundlegende Arbeit in der Optik geleistet; er hatte auch ein sehr bewegtes Leben inmitten der französischen Revolution und all ihrer politischen Folgen. Und dann war da noch die Linse, die seinen Namen trägt und die Geschichte der Leuchttürme. Die kennen wir heute hauptsächlich als malerische Sehenswürdigkeiten vor denen man sich beim Urlaub am Meer fotografieren lässt (oder in denen zu wohnen man sich immer so romantisch vorstellt, obwohl die Realität vermutlich enorm langweilig ist…).
Aber wie wichtig ein verlässliches Netz von Leuchttürmen für den damaligen Welthandel war, bedenken wir meistens nicht. Genau so wenig, wie schwierig es ist, einen Leuchtturm zu bauen, der auch seinen Zweck erfüllt und gut sichtbar leuchtet. Das klappte erst mit Fresnels spezieller Art optischer Linsen und wie diese Geschichte abgelaufen ist, kann man in Levitts Buch verständlich, unterhaltsam und packend nachlesen. Ein ideales Buch für die letzten Wochen des Internationalen Jahr des Lichts, das unter anderem auch Fresnels Leistung feiert.
Die verlorenen Konstellationen
Noch ein klein wenig spezieller ist das Buch “The Lost Constellations: A History of Obsolete, Extinct, or Forgotten Star Lore”* von John Barentine (und angesichts des Preises wohl auch nur etwas für wirkliche Liebhaber). Es geht darum um Sternbilder. Die spielen zwar für die moderne Astronomie keine Rolle mehr; sind aber aus historischer Sicht immer noch interessant. Und vor allem ein Fundus faszinierende Fakten und Geschichten über die Ursprünge und Entwicklung der Astronomie.
Von den 88 offiziellen Sternbildern wird man aber in Barentines Buch keines finden (wer daran interessiert ist, sollte einen Blick in “In den Sternen: Die 88 Konstellationen im Portrait”* oder “The Stargazer’s Guide”* werfen). Barentine beschäftigt sich mit all den Sternbildern, die es nicht mehr gibt. Und das sind einige! Wir haben im Laufe der Zeit alle möglichen Figuren und Geschichten am Himmel gesehen und sie in Sternbildern verewigt. Später gab es dann jede Menge Forscher, die selbst ihre Spuren hinterlassen wollten und neue Sternbilder kreierten um politische Förderer, eigene Erfindungen oder ähnliches zu ehren. Die meisten davon haben nicht bis heute überlebt, in der (astronomischen) Literatur der Vergangenheit aber trotzdem noch auftauchen.
Nach einer kurzen allgemeinen Einführung zum Thema “Sternbilder” und den historischen Entwicklungen die zur aktuellen “offiziellen” Liste geführt haben, geht Barentine all diese verlorenen Konstellationen durch. Er erklärt, wie sie entstanden sind; welche Sterne sie umfassen; wie sie definiert und dargestellt wurden und wann/warum sie verschwunden sind. Das Buch ist aber nicht unbedingt ein astronomisches Buch. Man erfährt kaum etwas über die Sterne und anderen Himmelsobjekte die sich im Bereich der Konstellationen befinden. Dafür gibt es aber jede Menge Informationen über die zugrunde liegende Mythologie bzw. die Entstehungsgeschichte der Bilder. Ihre künstlerische und wissenschaftliche Darstellung wird anhand der verfügbaren Quellen analysiert und die Gründe für ihr Verschwinden historisch untersucht. Das Buch beschränkt sich zwar auf den “westlichen” Himmel und ignoriert die Sternbilder anderer Zivilisationen, ist aber trotzdem eine wunderbare Sammlung von Geschichten über den Himmel, die man so bis jetzt vermutlich noch nicht gehört hat.
Der Dinge-Erklärer
All zu speziell will ich meine Empfehlungsliste dann aber doch nicht ausklingen lassen. Vor allem, weil ich auch noch ein Buch empfehlen möchte, an dem Kinder und Jugendliche ihren Spaß haben (was bei der Geschichte einer Linse und historischen Sternbildbetrachtungen wohl eher nicht der Fall ist). Darum gibts auch noch einen Bestseller auf der Liste: “Der Dinge-Erklärer: Komplizierte Sachen in einfachen Worten”* (im Original: “Thing Explainer: Complicated Stuff in Simple Words”*) von Randall Munroe. Den Autor der xkcd-Comics muss ich den meisten Leserinnen und Lesern meines Blogs wohl nicht mehr extra vorstellen und auch sein Buch werden wohl viele schon in den Buchhandlungen gesehen haben.
Das Konzept ist – wie das Buch selbst – einfach aber genial: Munroe erklärt Dinge und benutzt dafür nur die 1000 gebräuchlichsten Worte der englischen Sprache (bzw. “ten hundred” Wörter, da “thousand” nicht zu den 1000 häufigsten Wörter gehört). Wer wissen will, wie so etwas aussieht, kann sich den Comic “Up Goer Five” ansehen, der die Inspiration für dieses Buch war und mit genau diesem Konzept erklärt, wie die Saturn-V-Rakete der NASA funktioniert.
Im Buch selbst findet man dann aber viel mehr als nur die Rakete. Dort wird mehr oder weniger alles erklärt, von einer Körperzelle über einen Kernreaktor, eine Waschmaschine, einen Laptop oder einen Kugelschreiber bis hin zum Periodensystem der Elemente und dem Aufbau der Erde. Das ganze ist natürlich mit den für Munroe typischen Zeichnungen kombiniert und am Ende hat man ein Buch, von dem man lange etwas hat!
Es ist natürlich kein Kinderbuch an sich. Es ist ein Buch für alle, die sich für Wissenschaft bzw. die Welt interessieren. Aber aufgrund seiner Aufmachung ist es meiner Meinung nach eben auch ideal für Kinder und Jugendliche geeignet. Klar, ein kleines Kind wird alleine wenig mit dem Buch anfangen können. Aber es eignet sich wunderbar, um es gemeinsam zu betrachten. Und gemeinsam über die Bilder und Erklärungen in einfacher Sprache zu diskutieren (die dann trotzdem oft noch ein wenig “entschlüsselt” werden müssen). Es die Art Buch, die man als Kind bekommt und dann bis weit ins Erwachsenalter hinein immer wieder gerne zur Hand nimmt.
Ein Punkt ist da aber noch, bei dem ich ein wenig skeptisch bin. Als ich das erste Mal vom Konzept des “Thing Explainer” gehört habe, war ich begeistert. Ich hab ja schon oft genug gesagt, dass man sich gar nicht genug Mühe geben kann, Dinge einfach zu erklären. Und die Umsetzung von Munroe war äußerst originell. Aber ich dachte mir auch: Schade, dass es dieses Buch nie auf deutsch geben wird. Denn die 1000 häufigsten englischen Wörter entsprechen ja nicht den 1000 häufigsten deutschen Wörtern. Ein Buch wie “Thing Explainer” kann man nicht übersetzen, man kann es höchstens noch einmal komplett neu schreiben. Aber da sein letztes Buch “What if?” (über das ich hier mehr geschrieben habe) in Deutschland so ein großer Erfolg war, wollte man sich den Nachfolger wohl nicht entgehen lassen. Und ist dabei natürlich auf die offensichtlichen, gerade beschriebenen Schwierigkeiten gestoßen. Die “Übersetzer” erklären im Anhang des Buches, dass sie sich daher nicht auf die 1000 häufigsten deutschen Worte beschränkt haben. Sie haben auch alle Komposita benutzt, die sich daraus bilden lassen (was ja in der deutschen Sprache den Wortschatz gleich einmal gewaltig vergrößert – hier kann man ja quasi beliebig viele Wörter zusammenhängen und neue Worte bilden). Außerdem hat man noch Wörter aus dem “Grundwortschatz für Berliner Schulkinder der Klassen 1-4” benutzt. Und noch ein paar weitere “einfach so”… Es ist also auf deutsch nicht mehr ganz das Buch, das es ursprünglich war. Aber immerhin auf deutsch…
Kochen für Weihnachten
Und wenn noch jemand etwas ganz klassisches für die Vorweihnachtszeit sucht, habe ich noch eine Kochbuchempfehlung. Egal ob Klasiker wie Weihnachtsstollen oder Früchtebrot, eher exotisches wie Bratapfel-Lassi oder Schoko-Minz-Pudding, Schenkbares wie Bratapfelkonfitüre, Löffelschokolade oder gebrannte Mandeln bis hin zu kompletten, mehrgängigen Festtagmenüs: in “Mein veganer Adventskalender”* von Franzi Schädel findet man jede Menge leicht verständliche und leicht nachkochbare Rezepte und was dabei rauskommt schmeckt – wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann – äußerst hervorragend! Ich hatte mit dem Buch in der Adventszeit auf jeden Fall schon viel Spaß!
(Und ja, ich weiß, dass es ein veganes Kochbuch ist. Ich würde mich aber trotzdem freuen, wenn jetzt nicht wieder die üblichen nervtötenden Diskussionen ausbrechen würden die immer ausbrechen, wenn irgendwo im Internet das Wort “vegan” auftaucht. Es ist ein ganz normales Kochbuch. Mit ganz normalen Rezepten. In denen halt keine tierischen Produkte vorkommen. Mehr nicht – kein Grund zur Aufregung.)
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Das waren meine Buchempfehlungen für Weihnachten. Die üblichen monatlichen Buchempfehlungen gibt es dann Ende Dezember. Und wie immer freue ich mich über eure Empfehlungen! Ganz besonders, wenn es um die “speziellen” Bücher gibt, auf die man sonst nicht so einfach stößt! Wenn ihr zufällig ein paar dieser Bücher kennt, dann sagt bitte unbedingt Bescheid! Mein Stapel ungelesener Bücher (bei dem es sich mittlerweile genau genommen um ein Regal ungelesener Bücher handelt) wächst zwar ständig. Aber man muss ja etwas haben, auf das man sich freuen kann!
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