Bei der BILD-Zeitung heißt er “Angst-Asteroid”. Focus-Online nennt ihn “Armageddon-Kandidat”. Und beide sind sich mit dem Rest der Boulevard-Medien einig, dass er die Erde und die Menschheit zerstören könnte. Klingt dramatisch. Ist es auch. Aber nicht ob eines bevor stehenden Weltunterganges, sondern weil es sich bei diesem Asteroid um das Ziel einer der spektakulärsten Weltraummissionen der letzten Jahre handelt.
Offiziell heißt der Himmelskörper um den es hier geht “Bennu” (früher: 1999 RQ36). Den Namen hat er im Rahmen eines Wettbewerbs von einem amerikanischen Grundschüler bekommen, der meinte dass die Vogeldarstellung des ägyptische Totengottes gleichen Namens ein wenig so aussieht wie die Raumsonde OSIRIS-REx. Und die wird sich im September auf den Weg machen, um dem Asteroid einen Besuch abzustatten.
Über die große Bedeutung der Asteroiden für die Menschheit habe ich schon oft genug berichtet. Ich habe ein ganzes Buch zu dem Thema geschrieben und mich auch sonst immer wieder ausführlich mit den kleinen Himmelskörpern beschäftigt. Asteroiden sind wichtig und es ist daher auch nicht verwunderlich, dass sie in den letzten Jahren immer wieder von Raumsonden besucht worden sind. Die DAWN-Mission der NASA hat sich Ceres und Vesta im Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter aus der Nähe angesehen; New Horizons ist zu Pluto geflogen und derzeit auf dem Weg zu einem weiteren Asteroiden in den äußersten Bereichen des Sonnensystems. Die europäische Rosetta-Mission erforscht seit zwei Jahren einen Kometen auf dem sie demnächst landen wird. Und auch in Zukunft stehen einige Missionen an: Die japanische Weltraumagentur fliegt zum Asteroid Ryugu; die NASA will einen Asteroiden einfangen und zur Erde bringen.
Und es gibt OSIRIS-REx. Dieses (etwas bemühte) Akronym steht für “Origins, Spectral Interpretation, Resource Identification, Security, Regolith Explorer” und die Raumsonde soll im September 2016 ins Weltall starten. Zwei Jahre später, im September 2018 soll sie den Asteroid Bennu erreichen und wird ihn erstmal gründlich untersuchen. Die Oberfläche wird detailliert kartiert werden und man wird sich auch bemühen die Auswirkungen des Jarkowski-Effekts zu messen (also den Einfluss der Sonnenstrahlung auf die Bewegung des Asteroiden). Zu den wichtigsten Aufgaben von OSIRIS-REx gehört aber das Sammeln von Bodenproben. Das geschieht nicht durch eine Landung; die Sonde wird sich auf einer extrem engen Umlaufbahn der Oberfläche des Asteroiden sehr stark annähern, dann einen “Arm” ausklappen und mit ihm während des Vorbeiflugs ein wenig Material von Bennu “abkratzen” und sicher aufbewahren. Dann wird sie sich zurück auf den Weg zur Erde machen, wo sie 2023 ankommen soll. Dort wird sie die gesammelten Proben abwerfen und wir werden das erste Mal größere Mengen an Material zur Verfügung haben, das direkt von einem Asteroiden gesammelt worden ist!
(Übrigens: Wer Lust hat, kann sich mit diesem Bastelbogen sein eigenes OSIRIS-REx-Modell basteln)
Eine spektakuläre Mission die nicht nur jede Menge wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse über den Aufbau und die Eigenschaften von Asteroiden liefern wird, sondern auch über die Entstehung unseres Sonnensystems. Eine Mission, die auf jeden Fall Schlagzeilen in den Medien verdient hat. Aber vielleicht nicht unbedingt die, die momentan überall zu lesen sind. Dort beschränkt man sich leider meistens auf die Sache mit dem Weltuntergang… Und ja – es stimmt: Bennu könnte mit der Erde kollidieren. Aber! Wenn, dann erst irgendwann gegen Ende des 22. Jahrhunderts. Und selbst für diesen Zeitraum zwischen 2175 und 2196 beträgt die gesamte Kollisionswahrscheinlichkeit nur 0,037 Prozent. Oder anders gesagt: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,963 Prozent wird der Asteroid die Erde verfehlen. Die Story von Bennu, der demnächst die Erde auslöschen wird, ist ein typisches Sommerloch-Thema. Nachdem 2009 eine wissenschaftliche Arbeit (“Long-term impact risk for (101955) 1999 RQ36”) erschienen ist, die sich mit diesem Thema beschäftigte, gab es die ersten hysterischen Schlagzeilen. Im Sommer 2010 wurde alles ein weiteres Mal durch die Medien gejagt. Und jetzt, kurz vor dem Start der Mission, muss die Apokalypse wohl ein weiteres Mal aus der Kiste geholt werden…
Der Asteroid befindet sich derzeit nicht auf einer Kollisionsbahn. Auch im 22. Jahrhundert ist das nicht der Fall. Aber 2135 wird er sehr nahe an der Erde vorbeifliegen und die Gravitationskraft unseres Planeten könnte seine Bahn dann so abändern, dass er ein paar Jahrzehnte später mit ihr kollidiert. Das wäre angesichts seiner Größe von etwa 500 Metern durchaus nicht angenehm. Für ein globales Massensterben á la Dinosaurier wird es wohl nicht reichen (dazu sollte das Ding mindestens doppelt so groß sein), aber mit großräumige Zerstörung rund um das Einschlagsgebiet und längerfristigen Auswirkungen auf das Klima der Erde durch den aufgewirbelten Staub wäre sicherlich zu rechnen.
Aber wie gesagt: Es ist enorm unwahrscheinlich dass es passiert; wenn es passiert, dann wird es erst in knapp 200 Jahren passieren und in der Zukunft sind wir höchstwahrscheinlich auch schon in der Lage, solche Ereignisse zu verhindern. Und wir werden deswegen dazu in der Lage sein, weil wir in der Gegenwart Missionen wie OSIRIS-REx durchführen um so viel wie möglich über Asteroiden herauszufinden!
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