Das Weltall ist zwar im Allgemeinen ziemlich leer – aber trotzdem ist jede Menge los. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen: Jeden Tag landen Dutzende Tonnen Material aus dem All auf der Erde und auch andere Planeten werden ständig von kosmischen Geschossen getroffen. Aber umgekehrt läuft es genau so. Einschläge können Material von einem Planeten ins All schleudern dass dann später auf einem anderen Planeten landet. Wir haben hier auf der Erde schon Gestein vom Mars gefunden und vom Mond (und es kann gut sein, dass auch irgendwo Merkur-Meteorite rumliegen). Auf anderen Himmelskörpern sollten sich jede Menge Erdmeteorite finden lassen. Dieser Austausch von Material zwischen den Himmelskörpern ist einerseits relevant wenn es um die Frage nach der Entwicklung des Lebens geht. Mikroorganismen die im Inneren des Gesteins leben könnten beispielsweise von der Erde zum Jupitermond Europa oder auf den Mars transportiert worden sein. Andererseits bietet sich dadurch für die Wissenschaft auch die einmalige Möglichkeit Gestein anderer Himmelskörper direkt auf der Erde zu untersuchen!
Wir haben ein wenig Mondgestein von unseren Besuchen auf dem Mond mit zur Erde gebracht. Wir haben ein paar Meteorite vom Mars in unseren Sammlungen. Abgesehen davon sind wir auf komplexe und teure Raumfahrtmissionen angewiesen, die Roboter auf fremden Himmelskörpern absetzen und Forschung vor Ort durchführen. Das ist aber eben nicht nur teuer und komplex, sondern auch schwierig. Und funktioniert deswegen manchmal nicht. Im November 2011 schickte die russische Raumfahrtagentur die Sonde Fobos-Grunt ins All. Sie sollte auf dem Marsmond Phobos landen, dort Proben entnehmen und sie zurück zur Erde bringen. Abgesehen davon dass der Marsmond einen idealen Ausgangspunkt für die Erforschung des Mars darstellt wäre es auch interessant mehr über ihn selbst herauszufinden. Ist er tatsächlich ein eingefangener Asteroid? Wie wirken sich die Gezeitenkräfte des Mars auf den Mond aus? Und so weiter – es gäbe jede Menge Fragen die man durch die Erforschung der Marsmonde beantworten könnte. Aber leider hat es nicht geklappt. Fobos-Grunt schaffte es nicht die Erdumlaufbahn zu verlassen; die Kommunikation mit der Sonde fiel aus und am Ende verglühte sie Anfang 2012 über dem Pazifik.
Aber vielleicht müssen wir gar nicht zum Mars fliegen um an Material der Marsmonde zu kommen. Paul Wiegert und Mattia Galiazzo von der University of Western Ontario bzw. der Universitätssternwarte Wien haben kürzlich eine sehr interessante Arbeit veröffentlicht (“Meteorites from Phobos and Deimos at Earth?”). Darin haben sie untersucht was passiert wenn Objekte mit den Marsmonden Phobos und Deimos kollidieren und unter welchen Bedingungen bei solchen Einschlägen kleine Stücke der Monde ins All geschleudert werden. Und sie haben die Frage untersucht ob diese Stücke dann auch irgendwann auf der Erde landen können.
Dass es Einschläge auf den Marsmonden gibt ist klar. Das zeigen ja schon die vielen Krater auf ihrer Oberfläche. Die Masse der beiden Marsmonde ist vergleichsweise gering und das heißt dass die Fluchtgeschwindigkeit dort recht gering ist. Auf Deimos beträgt sie knapp 22 km/h – mit ein bisschen Training erreicht man das fast zu Fuß! Auf Phobos bräuchte man schon ein Fahrrad um in einen Orbit zu gelangen; dort sind es circa 40 km/h. Das bedeutet aber auch, dass schon vergleichsweise kleine Einschläge Material so stark beschleunigen können so dass die Bruchstücke nicht mehr zurück auf den Mond fallen sondern ins All entkommen.
Objekte schlagen auf den Marsmonden typischerweise mit Geschwindigkeiten von 10 bis 40 km/s (das sind 36.000 bis 144.000 km/h!) ein. Mit Computersimulationen haben Wiegert und Galiazzo nun nachgesehen, was mit Bruchstücken die bei Einschlägen produziert werden passiert. Das ist nicht ganz so einfach wie es klingt: Es kommt zum Beispiel darauf an, in welche Richtung die Brocken wegfliegen. Geschieht das in die Bewegungsrichtung des Mondes, erhöht sich deren Geschwindigkeit, ansonsten wird sie verringert. Phobos ist größer als Deimos und außerdem näher am Mars – Material von Phobos hat also eine größere Wahrscheinlichkeit auf dem Mars zu landen als in den interplanetaren Raum zu gelangen.
Je nach Stärke des Einschlags gibt es vier Möglichkeiten: Das Material kann wieder auf den Mond zurück fallen; es kann auf den Mars fallen; es kann in eine Umlaufbahn um den Mars gelangen oder aber es kann dem Einfluss des Mars entkommen. Dieser letzte Fall ist der, der interessant ist wenn wir wissen wollen, ob einige dieser Bruchstücke auf die Erde gelangen können.
Die Simulationen zeigen, dass es durchaus jede Menge Einschläge gibt die potentielle Phobos/Deimos-Meteorite erzeugen. 900 m/s bei Phobos und 600 m/s bei Demos müssen Bruchstücke erreichen um dem Einfluss des Mars komplett entkommen zu können. Abzuleiten wie viel Material genau von den Monden zur Erde gelangt ist allerdings schwierig; das hängt von der chemischen Zusammensetzung des Materials ab, vom gravitativen Einfluss der anderen Himmelskörper, und so weiter. Aber Wiegert und Galiazzo probieren eine anderen Frage zu beantworten: Kann man zumindest halbwegs vernünftigerweise davon ausgehen, dass wenigstens ein Phobos-Meteorit auf der Erde zu finden ist?
Die Antwort: Ja! Es reicht schon ein 0,3 Meter durchmessender Einschlagskörper um ausreichend schnelle und ausreichend viel Bruchstücke zu erzeugen. Und solch kleine Impaktoren hat es auf den Marsmonden in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Wir können also durchaus davon ausgehen, dass es irgendwo in den Meteoritensammlungen der Erde ein paar Stückchen Marsmonde gibt. Ob wir sie allerdings auch identifizieren ist eine andere Frage. Dazu müssten wir dann doch zuerst einmal direkt vor Ort die Eigenschaften von Phobos und Deimos untersuchen um einen Vergleich zu haben. Und eine Wiederholung von Fobos-Grunt ist leider derzeit nicht geplant…
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