Was ist das mit den Medien und dem Vollmond? Dass der Mond seine Phasen ändert ist ja nun wahrlich keine neue Erkenntnis. Der Wechsel von Vollmond zu Halbmond zu Neumond und zurück zum Vollmond ist ein astronomisches Phänomen das der Menschheit seit Jahrtausenden bewusst ist. Und so gut ich es auch finde wenn Astronomie in den Medien besprochen wird, so seltsam finde ich es was mittlerweile dort mit dem Mond angestellt wird.
Früher war ein Vollmond keine Schlagzeile wert. Es hat sich auch niemand dafür interessiert, wenn der Vollmond mal ein kleines bisschen heller war als üblich. Sowas kommt alle paar Monate vor, da die Bahn des Mondes um die Erde kein exakter Kreis ist sondern eine Ellipse und der Mond daher der Erde mal ein wenig näher ist und mal ein wenig ferner. Wenn der Mond am erdnächsten Punkt seiner Bahn gerade in der Vollmondphase ist, dann erscheint er besonders hell und groß. Was man aber mit freiem Auge so gut wie nicht bemerkt wenn man nicht wirklich geübt darin ist den Mond zu beobachten.
Die Bezeichnung “Supermond” für so einen Vollmond in Erdnähe ist auch kein astronomischer Fachbegriff, sondern die Erfindung eines Astrologen, der sich dieses Wort 1979 ausgedacht hat. In den letzten Jahren hat es sich aber irgendwie eingebürgert aus jedem Auftreten eines “Supermondes” eine mediale Sensation zu machen. Jedes Mal wenn der Vollmond im oder in der Nähe des erdnächsten Punktes stattfindet – was alle paar Monate vorkommt (es kann im Lauf von 413 Tagen bis zu drei “Supermonde” geben) – überschlagen sich die Nachrichten in den sozialen und Clickbait-Medien mit Hinweisen auf dieses “einmalige” Ereignis.
Es ist nervig genug, dass ein astronomisch normales Ereignis dank astrologischer Propaganda zu einer Sensation aufgeblasen wird. Immerhin gäbe es genug wirklich spektakuläre Sachen im Universum über die man berichten könnte. Aber beim “Supermond” war noch lange nicht Schluss. Ihm ist der “Blutmond” gefolgt: Also das, was früher einmal ganz einfach “Mondfinsternis” genannt wurde. Auch dieses Ereignis kommt regelmäßig vor (grob eine totale Mondfinsternis pro Jahr) und es ist ein Ereignis, das man sich definitiv ansehen sollte, wenn man die Gelegenheit hat. Wenn der Mond in den Schatten der Erde eintritt und langsam immer dunkler wird, ist das ein spektakulärer Anblick. Unter anderem deswegen, weil er dabei nicht komplett finster wird, sondern sich dunkelrot färbt. Das liegt daran, dass ein wenig Sonnenlicht durch die Erdatmosphäre trotzdem noch in Richtung Mond gelenkt wird. Dabei wird der blaue Anteil des Lichts aber gestreut und nur der rote Anteil kommt durch. Das Resultat ist ein rötlich leuchtender Mond.
Dieses Phänomen ist ebenfalls nicht neu; mittlerweile kommt aber kaum ein medialer Bericht mehr ohne das Wort “Blutmond” aus. Aus einem beeindruckenden astronomischen Phänomen ist ein mystisch-gruseliges Dingens geworden – auch hier motiviert und begleitet von Pseudowissenschaft, Weltuntergangsprophezeiung und Esoterik.
Aber selbst der “Blutmond” hat offensichtlich noch nicht gereicht. Gestern (am 19.2.2019) gab es wieder einmal einen Vollmond der im erdnächsten Punkt der Mondbahn stattgefunden hat. Aber neben der üblichen “Supermond!!!”-Hysterie haben sich die Medien diesmal etwas neues ausgedacht: Einen “Super-Wolfsmond”!
“Morgen erstrahlt der Super-Wolfsmond über Österreich” hat da zum Beispiel das Magazin “Wienerin” verkündet (WebCite) und erklärt dazu gleich auch: “Ein Vollmond im Februar wird unter Astronomen auch als Wolfsmond bezeichnet – warum dem so ist, ist allerdings nicht bekannt.”
Vermutlich ist es deswegen nicht bekannt, weil wir Astronomen einen Vollmond im Februar normalerweise “Vollmond im Februar” nennen und definitiv nicht “Wolfsmond”. Aber “Wolfsmond” klingt eindrucksvoll und wenn etwas eindrucksvoll klingt, dann landet es in den Medien! Bei “Woman” hat man neben dem Wolfsmond auch noch den “Schneemond” im Repertoire: “Schneemond: Der Super-Wolfsmond erstrahlt über Österreich”, konnte man dort lesen (WebCite). Die “Erklärung” dort lautet: “In der Nacht vom 19. Februar erwartet uns der größte und hellste Vollmond des ganzen Jahres. Man spricht dabei vom Wolfsmond oder auch Schneemond oder Sturmmond.”
Den “Sturmmond” hat auch die Zeitschrift “Jolie” (warum eigentlich immer diese “Frauenzeitschriften”??) im Angebot. In ihrem Text über den astrologischen Einfluss des Vollmonds (WebCite) liest man: “Der größte Vollmond des Jahres am 19. Februar, der auch als Wolfsmond oder Sturmmond bezeichnet wird […]”
Bei all diesen Bezeichnungen – Wolfsmond, Schneemond, Sturmmond – handelt es sich aber eben nicht um astronomische Fachbegriffe. Sie bezeichnen nicht den hellsten, größten oder sonst irgendwiesten Vollmond des Jahres. Es sind Begriffe, die wahlweise aus der amerikanischen Folklore beziehungsweise den neuheidnischen Hexenreligionen stammen. Es gibt ja – grob gesagt – in jedem Monat einen Vollmond (daher kommt ja auch das Wort “Monat”). Unser Kalender ist heute zwar eine Mischform aus Sonnen- und Mondkalender und darum gibt es auch mal Monate mit zwei Vollmonden. Aber früher gab es einen Vollmond pro Monat und es gab Bezeichnungen für die jeweiligen Vollmonde eines Jahres die zu den Bezeichnungen der Monate selbst geworden sind. Zumindest war das bei den amerikanischen Ureinwohnern so und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begannen amerikanische Hersteller von “Almanachen” (Jahrbücher mit Kalenderdaten, Sprüchen, Bauernregeln und ähnlichem Kram) die Namen dieser Monate zu veröffentlichen. Ohne allzu viel historische Belege und teilweise frei erfunden, aber sie kamen gut an und verbreiteten sich. Auch in der neuheidnischen Wicca-Religion verbreiteten sich solche mystisch klingenden Monatsbezeichnungen für diverse Rituale.
Recht konsistent ist die Angelegenheit aber trotzdem nicht. Der “Wolfsmond” ist mal die Bezeichnung für den Vollmond im Januar; mal für den Vollmond im Februar, der aber auch “Sturmond”, “Schneemond” oder “Hungermond” heißen kann. So oder so – das ganze ist vielleicht aus historischer und volkskundlicher Sicht interessant (und falls jemand aus der Leserschaft gute Quellen zur Herkunft der folkloristischen Mondbezeichnungen hat wäre ich sehr an Informationen interessiert!), mit Astronomie hat das ganze aber absolut gar nichts zu tun!
Ich weiß nicht, was ich angesichts dieses Vollmond-Irrsins (in englisch könnte ich jetzt “lunacy” schreiben) denken soll. Es ist natürlich schön, wenn Menschen so prominent und so oft aufgefordert werden, sich mit dem Mond und dem Himmel zu beschäftigen. Es lohnt sich, nachts zum Vollmond zu schauen! Aber es ist weniger schön, wenn das von so einer absurden Hysterie begleitet wird. Dem Hype um “Supermond”, “Blutmond” oder “Super-Wolfsmond” kann der arme reale Mond vermutlich gar nicht gerecht werden. Und wenn die Öffentlichkeit alle paar Wochen aufgefordert wird, so ein “einzigartiges Himmelsspektakel” zu betrachten, dann wird sich irgendwann Ernüchterung einstellen. Das fände ich schade – denn der Mond hat es verdient betrachtet zu werden! Gerade jetzt, wo die Nächte wieder etwas wärmer werden und man auch Abends Zeit im Freien verbringen kann, ist der Anblick des Monds am Himmel etwas, das man genießen kann und soll. Und ich fände es schön, wenn die Medien aufhören würden, sich mit absurden Mond-Superlativen zu überbieten! Die Realität ist doch beeindruckend genug, verdammt noch mal! Zeigt den Menschen das echte Universum, dann müsst ihr euch so einen Quatsch gar nicht ausdenken.
Den nächsten Vollmond im erdnächsten Punkt wird es am 21. März 2019 geben. Und ich hab schon ein wenig Angst, was sich die Medien dann ausdenken. Zur Wahl stünden etwa ein “Wurmmond” oder “Krähenmond”, aber auch ein “Reiner Mond” bzw. “Züchtiger/Keuscher Mond”…
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