Die “Himmelsscheibe von Nebra” ist eines der faszinierendsten Objekte, das wir bis jetzt aus der Vergangenheit der Menschheit gefunden haben. Sie ist 3600 Jahre alt, 30 Zentimeter groß und zeigt den Nachthimmel auf eine einzigartige Weise. Es handelt sich um die älteste konkrete bildliche Darstellung des Sternenhimmels, die wir kennen. Sie ist zu Recht Teil des UNESCO “Memory of the World” und eines der bedeutenden Dokumente der Menschheitsgeschichte. Sie ist der Schlüssel zu einer kompletten Kultur, von deren Existenz wir bis dahin noch nichts wussten.
Wir kennen die Hochkulturen aus Ägypten, Mesopotamien und Griechenland – vor allem dank ihrer schriftlichen Aufzeichnen und grandiosen Bauwerke. In Europa gab es damals natürlich auch Menschen und Kulturen – aber keine schriftlichen Dokumente. Und ohne solche Dokumente ist es schwer, ein Bild einer Kultur zu schaffen, mit dem sich großes Interesse wecken lässt. Hieroglyphen, Pyramiden, Keilschrifttafeln und Texte von Königen, Göttern und Pharaonen sind etwas ganz anderes als Knochen, kaputte Keramik und Löchern in der Erde in denen längst verrottete Holzpflöcke von Häusern gestanden haben. Die Vorgeschichte Europas hat lange unter einem Desinteresse der Wissenschaft gelitten und in der öffentlichen Wahrnehmung war da keine “Zivilisation” die irgendwas relevantes zustande gebracht hat. All das hat die Entdeckung und Erforschung der Himmelsscheibe dramatisch geändert.
So dramatisch, wie es die Entdeckung der Scheibe selbst war. Das war kein Fund, mit dem irgendwer gerechnet hätte. Nicht vergleichbar beispielsweise mit dem Fund der Stadt Troja durch Heinrich Schliemann, der genau diese Stadt gesucht hatte oder die Entdeckung des Grabs von Tutanchamun durch Howard Cater, der ja nicht anderes finden wollte als ein Pharaonengrab. Die Himmelsscheibe von Nebra kam für die moderne Wissenschaft aus dem Nichts; sie war etwas mit dem niemand auch nur ansatzweise gerechnet hatte und es gab keinen historischen Kontext in den sie gepasst hätte. Man hat sie in Sachsen-Anhalt gefunden, mitten in Europa und sie stammt aus einer Zeit aus der keine Kultur bekannt war, die so ein Ding schaffen hätte können. Man musste nicht nur die Scheibe selbst verstehen und verstehen, was ihr Zweck war und warum man sie gemacht hatte. Man musste auch erst die Kultur und das Volk finden, das zu so einem Akt in der Lage.
All das macht die Himmelsscheibe von Nebra zu so einem einmaligen und faszinierenden Objekt. Ihre Geschichte ist spannend wie ein Krimi und manchmal IST sie auch ein echter Krimi; mit Polizei, verdeckten Ermittlern und allem was sonst noch so dazu gehört. Sie vereint Astronomie, Physik, Archäologie, Geschichte, Kunst- und Literaturwissenschaft; sie ist eine Botschaft aus der tiefen Vergangenheit und von einer Kultur, deren Existenz wir längst vergessen haben.
All diese Geschichten und noch viele andere mehr haben Harald Meller, der Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt und hauptsächliche Erforscher der Scheibe und der Journalist Kai Michel in dem Buch ”Die Himmelsscheibe von Nebra – Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas”* erzählt. Das Buch gehört zu den besten Sachbüchern die ich in den letzten Jahren gelesen habe und weil es wirklich so großartig ist, möchte ich es nicht nur allen sehr dringend zur ausführlichen Lektüre empfehlen, sondern auch in einer Reihe von Artikeln hier in meinem Blog ein wenig genauer besprechen. Aber selbst so eine ausführliche Besprechung kann den eigentlichen Inhalt nur unzulänglich wiedergeben. Wenn ihr das, was ich schreibe, also interessant findet, dann solltet ihr das Buch auf jeden Fall lesen, denn dort findet ihr noch viel mehr das mindestens ebenso interessant ist!
Morgen geht es los; mit der ersten faszinierenden Geschichte: Der verworrenene Entdeckung der Himmelsscheibe von Nebra.
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