Über das großartige Weltraumteleskop Gaia habe ich hier im Blog schon oft berichtet. Ich habe live vom Start gebloggt; habe erzählt warum diese Mission so wichtig und großartig ist, wie enorm präzise die Messungen sind die mit Gaia angestellt werden und immer wieder auch von Resultaten der Beobachtung. Wobei das eigentliche Ergebnis keine einzelnen Entdeckungen sind sondern die Gesamtheit aller Messungen. Das, was Gaia so gut gemacht wie bis jetzt kein anderes wissenschaftliches Instrument ist ein großer Katalog voll mit Daten von Sternen.

GAIA vor der Milchstraße (Künstlerische Darstellung: ESA/ATG medialab; Galaxie: ESO/S. Brunier)

1.692.919.135 Sterne finden sich im aktuellen Katalog “Gaia DR2”. Von dieser gewaltigen Anzahl an Himmelskörpern hat man die Position gemessen; die Geschwindigkeit konnte zusätzlich bei mehr als 7 Millionen Sternen bestimmt werden; bei mehr als 161 Millionen Sternen war die Bestimmung der Temperatur möglich; bei fast 77 Millionen die Messung von Radius und Leuchtkraft. Diese Zahlen stellen alles bisherige in den Schatten und wer denkt, dass so ein Katalog eher langweilig ist, täuscht sich. Wie fundamental wichtig Sternkarten sind, habe ich schon vor langer Zeit anlässlich des Vorgängers von Gaia, dem Hipparcos-Katalog erklärt.

In der Astronomie hat man es ja nicht leicht. Wir können nur schauen; ansonsten haben wir keine Möglichkeit an Informationen über die Sterne zu kommen. Wir können von der Erde aus messen wo sich ein Stern am Himmel befindet. Wir können die Helligkeit des Sternenlichts messen. Und wir können das Lichtspektrum untersuchen, also die Zusammensetzung des Lichts. Das ist alles. Den ganzen Rest müssen wir aus diesen Messungen ableiten. Wollen wir wissen wie alt ein Stern ist, welche Masse er hat, woraus er besteht, wie er sich entwickelt, ob er Planeten hat, und so weiter: Dann geht das nur wenn wir die fundamentalen Daten kennen. Ohne zu wissen wo ein Stern ist, wie er sich bewegt und wie hell er leuchtet können wir gar nichts wissen. All die ganzen spektakulären Erkenntnisse von denen die Astronomie Tag für Tag berichtet sind nur deswegen möglich, weil es die “langweiligen” Kataloge gibt, die das Fundament unseres Wissens über den Kosmos darstellen.

Gaia DR2-Katalog – sieht langweilig aus, ist aber extrem wichtig (European Space Agency (ESA) mission Gaia, processed by the Gaia Data Processing and Analysis Consortium, DPAC).

Wie mühsam die Katalogerstellung ist, zeigt Gaia ganz besondes deutlich. Allein in unserer Milchstraße existieren ein paar hundert Milliarden Sterne. Gaia hat derzeit 1,7 Milliarden von ihnen vermessen. Das ist zwar deutlich mehr als die Million Sterne die im Vorgänger-Katalog enthalten waren. Aber immer noch fast nichts verglichen mit der Gesamtheit aller Sterne in der Milchstraße (vom ganzen Universum gar nicht zu sprechen). Aber das soll nicht heißen, dass man sich die Arbeit sparen hätte können. Im Gegenteil – Gaias Daten werden die Astronomie revolutionieren! Und wir sind noch nicht am Ende angelangt. Nach Gaia DR2 wird im Jahr 2021 Gaia DR3 publiziert werden und dann kommt Gaia DR4; der Katalog in dem dann wirklich alle Daten drin sind, die Gaia sammeln konnte. Dort sind die Messungen der Sterne dann so genau wie es Gaia und den mit der Auswertung beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern möglich war.

Und damit alles so exakt wird wie es werden kann, muss nicht nur Gaia den Himmel beobachten. Auch Gaia selbst muss beobachtet werden. Teleskope der Europäischen Südsternwarte messen die Position des Weltraumteleskops von der Erde aus. Je besser man weiß wo genau sich Gaia befindet, desto besser kann man die Daten am Ende auswerten. Gaia zu beobachten ist aber gar nicht so einfach. Das Weltraumteleskop befindet sich nicht in einer Umlaufbahn um die Erde. Es hat seine eigene Umlaufbahn um die Sonne auf der sie sich immer circa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt befindet. Da Gaia aber selbst (mit entfaltetem Sonnenschild) nur 10 Meter groß ist, ist es eine ziemliche Herausforderung, ihre Position mit Teleskopen von der Erde aus zu beobachten.

Die großen 8-Meter-Teleskope der Europäischen Südsternwarte aber haben genau das hinkriegt, wie dieses kürzlich veröffentlichte Bild zeigt:

Man muss genau schauen: Gaia ist keiner der hellen Punkte. Die Bahn des Teleskops wird durch die Reihe schwach sichtbarer Lichtpunkte im Zentrum des Bildes angezeigt. Hier ist das ganze noch mal beschriftet und vergrößert:

Jeder der winzigen Punkte ist ein Bild von Gaia, aufgenommen zu verschiedenen Zeitpunkten (die aber nicht weit auseinander lagen; das Teleskop bewegt sich ziemlich schnell durch das Bildfeld des Teleskops). Auch dieses Bild ist nicht so spektakulär wie wir die Bilder aus dem Kosmos mittlerweile gewohnt sind. Aber es gehört – so wie der “langweilige” Katalog – zu den Fundamenten auf denen all die beeindruckenden Erkenntnisse der Astronomie basieren.

Kommentare (3)

  1. #1 Bullet
    14. Mai 2019

    Und dann … in leider viel zu vielen Jahren … kommt der Nachfolger von Celestia heraus. Endlich VR-fähig, mit allen Sternen aus DR4 in der Datenbank, mit echter Zeitachse (Eigenbewegungen der Sterne werden näherungsweise berücksichtigt), und mit Filtern, mit denen die Sterne, die angezeigt werden sollen, nach Typ eingegrenzt werden können. Oder nach Alter. Oder Farbe. Oder was-sonst-noch.
    Bitte, liebe Astronomen, denkt daran: es gibt viele Interessierte, die gern mit so etwas spielen würden, und die ganz bestimmt auch in GAIAs Datensätzen die eine oder andere Information herausfiltern können, die den Profis entgangen ist. Siehe “Hanny’s Voorwerp” aus der Galaxy-Zoo-Bildersammlung.
    Bitte bitte.

  2. #2 Bullet
    14. Mai 2019

    Nachtrag:
    Oh Kagge. Jetzt hab ich den alten Artikel über Hipparcos aufgerufen, und was steht da als vierter Kommentar am 13.7.2011?

    Ich warte ungeduldig darauf, daß die Gaia-Daten in Celestias Nachfolger einfließen. Bis dahin hab ich auch eine kleine Kuppel und einen Beamer, der konvex projizieren kann…

    Autor: ich.
    Peinlich kann ich. 🙁

  3. #3 fherb
    Dresden
    14. Mai 2019

    Hallo Florian,

    1,7 Milliarden Sternenpositionen. Ich gehe davon aus, dass damit 3D-Positionen relativ zur Sonne gemeint sind, nicht die Winkelposition (2D). Richtig? Gaias Umlaufbahn um die Sonne hat ja den Zweck, durch Parallaxe neben der Richtung auch die Entfernung zu messen.

    Aber die 77Milionen Sternenradien sind doch bestimmt nicht wirklich gemessen, sondern aus den anderen Berechnet wurden. Oder?