Gestern habe ich mit dem 50tägigen Countdown zum 50. Jubiläum der ersten Mondlandung begonnen. Jeden Tag bis zum 21. Juli wird es hier einen Artikel geben der auf die eine oder andere Art mit dem Flug zum Mond zu tun hat. Und heute geht es um den Countdown selbst. Und die Frage, warum man das macht. Man MUSS ja nicht rückwärts bis 0 zählen um eine Rakete zu starten. Die würde genau so vom Boden abheben, wenn man einfach auf den Knopf drückt (oder halt das macht, was man machen muss um so ne Rakete zu starten). Man könnte ja einfach sagen: So, die Rakete startet heute um viertel nach fünf! Und um viertel nach fünf startet sie dann halt. Wieso die Rückwärtszählerei?

Natürlich ist es prinzipiell mal gut, den zeitlichen Überblick über all die Dinge zu behalten die passieren muss, bevor eine Rakete tatsächlich fliegt. Die ist ja kein Auto, wo man einsteigt, sich anschnallt, schnell die Spiegel kontrolliert und dann den Zündschlüssel umdreht. Da müssen teilweise schon Tage vorher wichtige Sachen geregelt werden und wenn die nicht rechtzeitig korrekt geregelt werden können, dann muss der Start verschoben werden. Aber dann könnte man ja immer noch vorwärts zählen und nicht rückwärts. Aber wenn so ein typischer Countdown tatsächlich ein paar Tage dauert – was er tut – dann müsste man halt auch ein paar hunderttausend Sekunden lang zählen. Und landet am Ende dann vielleicht bei sowas wie: “234.543 – 234.544 – 234.546 – Liftoff!”. Und beim nächsten Start dann “321.421 – 321.422 – 321.423 – Liftoff!”. Das ist verwirrend, das ist blöd und da kennt sich keiner aus. Wer sich nicht genau gemerkt hat, obs jetzt bei 234.546 oder 234.547 losgeht, verpasst den richtigen Moment. Was in Zeiten von Computern vermutlich wurscht ist. Aber in Sachen Öffentlichkeitsarbeit trotzdem nicht sehr erfolgreich sein wird.

Und genau da liegt auch der wirkliche Ursprung des Countdowns. Nur das “10 – 9 – 8 – 7 – 6 – 5 – 4 – 3 – 2 – 1 – 0” hat die nötige Dramatik. Und es ist für alle auf den ersten Blick ersichtlich, wann das ganze zu Ende ist. Je kleiner die Zahlen werden, desto aufgeregter kann man sein. Genau aus diesem Grund hat sich Fritz Lang exakt dieses Prozedere im Jahr 1929 ausgedacht. Lang war aber kein Raumfahrttechniker und Raketen sind zu der Zeit auch noch nicht im großen Maßstab in den Himmel geflogen. Nicht in der Realität auf jeden Fall, dafür aber in Büchern und Filmen. Genau so einen Film hat Lang damals gedreht. Er hieß “Frau im Mond”, hat eine aus heutiger Sicht ziemlich absurde Handlung (man will zum Mond weil da enorm viel Gold rumliegt) – aber es gibt eine Rakete und die soll möglichst dramatisch starten. Allerdings war es ein Stummfilm; mit Special Effects und spannungsgeladener Musik konnte man also nicht arbeiten. Trotzdem wollte Lang dem Publikum die nötige Spannung vor einem Raketenstart vermitteln. Und kam auf die Idee des Countdowns. Die immer kleiner werdenden Zahlen konnte er auch wunderbar im Stummfilm einblenden und den Zusehern war sofort klar, was hier abgeht, wie man in diesem Ausschnitt des Films sehen kann (die Musik dort ist allerdings nicht original).

Auch die Leute die die V2-Raketen gebaut und als Waffe eingesetzt haben, waren Fans der “Frau im Mond”…


Die Leute, die damals und in den Jahren danach damit beschäftigt waren echte Raketen ins All fliegen zu lassen, waren Ingenieure und Naturwissenschaftler. Und so wie ihre Pendants in der Gegenwart durchaus auch oft ziemliche Nerds die auf Science-Fiction stehen. Und kannten deswegen selbstverständlich auch den Film von Lang. Immerhin passierte dort ja genau das in der Fantasie, was sie so dringend auch in der Realität sehen wollten. Die Wissenschaftsnerds benennen geologische Strukturen auf Himmelskörpern nach Fantasyfiguren, Elementarteilchen nach Figuren aus der Sesamstraße oder reale Raumschiffe nach Science-Fiction-Vorbilder. Und die damaligen Sci-Fi-Fans übernamen den Countdown aus “Frau im Mond” für ihre echten Raketenstarts.

Den Original Countdown des Starts von Apollo 11 kann man sich übrigens hier anhören.

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Der komplette Countdown: 50 | 49 | 48 | 47 | 46 | 45 | 44 | 43 | 42 | 41 | 40 | 39 | 38 | 37 | 36 | 35 | 34 | 33 | 32 | 31 | 30 | 29 | 28 | 27 | 26 | 25 | 24 | 23 | 22 | 21 | 20 |19 | 18 | 17 | 16 | 15 | 14 | 13 | 12 | 11 | 10 | 09 | 08 | 07 | 06 | 05 | 04 | 03 | 02 | 01 | 0

Kommentare (24)

  1. #1 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    2. Juni 2019

    Raketenstarts sind vergleichsweise selten. Wer dennoch einen Countdown miterleben will macht bei einem Volkslauf mit oder guckt auch nur zu.

    Manchen Leuten mag der Vorgang wenig spektakulär erscheinen, doch innerhalb weniger Sekunden verdoppelt sich der Puls auch ohne körperliche Anstrengung und sorgt für einen optimalen Start.

  2. #2 Timo
    2. Juni 2019

    Na ja das (die Dramatik als Grund für den Countdown) ist eigentlich nur die halbe Wahrheit.

    Eigentlich gibt es den Countdown, weil man beim Raketnstart nicht einfach sagen kann: der Abflug findet Punkt 13:40 Uhr statt. Wegen technischer Probleme kann man sicher sein, der Zeitpunkt wird verschoben.

    Dann wird ganz einfach der Countdown angehalten. Sieht auch irgendwie doof aus die Uhr anzuhalten, aber immer noch besser als die Uhrzeit des Abflugs immer wieder zu verändern.

    Außerdem müssen x-Minuten/Sekunden vor dem Start die immer selben Arbeiten ausgeführt werden. Ist halt einfacher zu dokumentieren 14 Minuten 50 Sekunden vor dem Start muß folgende Aktion durchgeführt werden.

  3. #3 Florian Freistetter
    2. Juni 2019

    @Timo: “. Ist halt einfacher zu dokumentieren 14 Minuten 50 Sekunden vor dem Start muß folgende Aktion durchgeführt werden.”

    Hab ich aber auch im Artikel erklärt…

  4. #4 Braunschweiger (DE)
    2. Juni 2019

    Professor und Astronaut Ulrich Walter berichtete — in einer Sendung wie “Spacetime” oder ähnlich –, dass die Russen keinen Countdown machen würden, zumindest keinen öffentlich übertragenen. Vermutlich, um sich von den Amis deutlich zu unterscheiden, so wie sich Kosmonauten von Astronauten unterscheiden.

    Bei den Russen ist anscheinend so einiges anders. Sojus-Rakten und vermutlich auch weitere Systeme werden waagerecht zusammengebaut und erst am Startplatz aufgerichtet. Dazu werden sie traditionell frühmorgens auf einem Bahnsystem zur Rampe gefahren; anschließend muss alles mit russischem Wodka begossen werden. Sogar auf dem russischen Teil der ISS ist — anders als bei den Amerikanern — Alkohol erlaubt, und das wird angeblich von allen Anwesenden genutzt.

  5. #5 Herr Senf
    2. Juni 2019

    Der Countdown ist “Theater dazu” erfunden hat ihn Fritz Lang.

  6. #6 Florian Freistetter
    2. Juni 2019

    @Herr Senf: ” erfunden hat ihn Fritz Lang.”

    Genau darum hab ich das auch im Artikel so geschrieben 😉

  7. #7 Flandry
    2. Juni 2019

    Der Countdown hat einen weiteren Vorteil:
    Man kann die Uhr einfach weiter laufen lassen, und man hat automatisch die Missionszeit.

  8. #8 Ingo
    2. Juni 2019

    JEtzt kommt die Erbse in dem Artikel.
    Das Wort “absurde Handlung”

    Ich finde den FIlm nicht absurt, sondern visioner.
    Alle die bei StarTrek am meisten moegen, wenn JordiLaForge einmal wieder einen technischen Vortrag aus feinsten Technobalel haellt werden diesen FIlm lieben.
    Einfach die Handlung (Gold aufm Mond, fieser Sabotoer an Bord, obligatorische Liebesgeschichte ignorieren) ignorieren, und es bleibt alls ueber was man an ScinceFiction mag.
    Es gibt
    * Eine Zero-G-Scene
    * Raumanzuege
    * Eine (sehr gelungende) Atmospharenanalyse auf dem Mond
    * Ein neviges Besserwisser-Kind an Bord
    * Eine Mehrstufenrakete
    * Schwierigkeiten die enormen G-Kraefte beim Start auszuhalten
    * Navigationsinstrumente auf Gyroskop-Basis
    * Korrekte Darstellung des Transferorbits mit Bremsmanoever
    * EIne automatische SOnde mit Fotomechanismus
    * Eine Wasserung der automatischen Sonde
    * Eine Sequenz des Erduntergangs hinter dem Mondhorizont im Mondorbit ueber dem rotierenen Mond
    und und und

    Ich finde (Dafuer das der Film 100 Jahre alt ist) die technischen Details ziemlich gelungen, und erstaunlich nahe an ddem was 50 Jahre spaeter bei dder echten Mondlandung passiert war

  9. #9 Florian Freistetter
    2. Juni 2019

    @Ingo: Das Wort “absurd” muss man nicht sofort mit “schlecht” gleichsetzen. Man kann absurde Filme durchaus sehr super finden.

  10. #10 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    3. Juni 2019

    > #4 Braunschweiger (DE), 2. Juni 2019
    > Professor und Astronaut Ulrich Walter berichtete — in einer Sendung wie “Spacetime” oder ähnlich –, dass die Russen keinen Countdown machen würden, zumindest keinen öffentlich übertragenen. Vermutlich, um sich von den Amis deutlich zu unterscheiden, so wie sich Kosmonauten von Astronauten unterscheiden.

    Das ist eine Relotiade. Der Unterschied zwischen amerikanischen und russischen Raketenstarts in den späten Fünfzigern war sogar mir als Volksschüler ziemlich bald klar:

    – Amerikanische Raketenstarts wurden live im Fernsehen übertragen. Jeder zweite endete im meist spektakulären Versagen der Rakete.

    – Russische Starts gelangen immer. Mir dämmerte ziemlich bald, dass diese nur mit Verzögerung im Fernsehen gesendet wurden. Die Versager hat man einfach weggelassen.

    https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Atlas_launches

    https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_R-7_launches

  11. #11 schlappohr
    3. Juni 2019

    Den Countdown hat man von Fritz Lang übernommen, aber nicht die Kleidung der Astronauten: Strickjacke, Hemd und Krawatte, die Dame in modischer Bluse. Dabei weiß man ja nie, wem man da draußen begegnet…

  12. #12 Kerberos
    3. Juni 2019

    Bevor man
    Fritz Lang verantwortlich macht, sollte man sich über
    die Gepfogenheiten bei der Artillerie kundig machen.
    Bei der Schiffsartillerie vermutlich schon länger, an Land
    spätestens seit dem 1 Weltkrieg “zählte man rückwärts”
    aus diversen Gründen.

  13. #13 Florian Freistetter
    3. Juni 2019

    @Kerberos: “Bevor man Fritz Lang verantwortlich macht”

    Ich hab mir die Sache ja nicht selbst ausgedacht. Das ist das, was die US-Raketenbauer damals selbst gesagt haben…

  14. #14 Braunschweiger (DE)
    3. Juni 2019

    Fritz Lang wird, wie viele andere Menschen auch, auf “den Schultern von Giganten gestanden” bzw. die Vorleistungen seiner Umwelt weiterverarbeitet haben. Als Künstler, oder einfach als ein Jemand, der das Verhalten anderer Menschen beschreibt und erzählt. Genauso, wie wohl auch Thea von Harbou, die die Story zum Film “Frau im Mond” geschrieben hat, und seine spätere Ehefrau.

    Es ist doch anzunehmen, dass die Gepflogenheit rückwärts zu zählen schon anderweitig aufgetaucht ist, nicht nur bei der Artillerie, sondern vielleicht zu Gelegenheiten, wie es heute zu Silvester üblich zu sein scheint. Zumindest in gebildeten bürgerlichen Kreisen, die es auch damals gab. Die NASA wird sich gesagt haben, ja dann, wenn das Militär das macht und der Lang das schon so öffentlich präsentiert hat, dann können wir das auch…

    Der Film ist übrigens bei Juutjuub zu finden, und ich denke, in der Startsequenz gab es nach der Ankündigung “noch 10 Sekunden” nur einen Countdown von 6 runter bis 1, und “Feuer”. Reicht auch. Nur war dann die Anfangsbeschleunigung offenbar so groß, dass sie kein realer Mensch überlebt hätte. Absurd.

  15. #15 Herr Senf
    3. Juni 2019

    Seit wann gibt es “auf die Plätze – fertig – los” 🙂

  16. #16 Florian Freistetter
    3. Juni 2019

    Fänd ich als Countdown viel cooler! So wie man das früher immer als Kind gemacht hat. “Auf die Plätze -feeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeertig – [und dann dank des langen e’s überraschend für alle] – los!” Woraufhin im Kontrollraum hektisches Gewerke ausbricht, damit auch alles los geht 😉

  17. #17 Alderamin
    4. Juni 2019

    @Braunschweiger

    Professor und Astronaut Ulrich Walter berichtete — in einer Sendung wie “Spacetime” oder ähnlich –, dass die Russen keinen Countdown machen würden, zumindest keinen öffentlich übertragenen.

    Aber auf jeden Fall einen internen.

  18. #18 Herr Senf
    4. Juni 2019

    @17der link meldet eine unsichere Seite ohne gültiges Zertifikat (Opera)

  19. #19 Herr Senf
    4. Juni 2019
  20. #20 Alderamin
    4. Juni 2019

    @Herr Senf

    Danke. Hatte Google so ausgespuckt. Das Blog kannte ich aber schon, daher hatte ich keine Skrupel, eine Ausnahme zu genehmigen. Ohne ‘s’ geht’s natürlich viel einfacher.

  21. #21 Herr Senf
    4. Juni 2019

    Ergänzung zu #17: ich guck mir die Starts häufig live an (kann ru)
    Öffentlich werden schon Infos “erzählt”, zumindest ab -20 sec:

    – 20 sec Startkommando “Pusk” also Freigabe
    -10 sec Vorzündung, Bordsysteme autonom
    ab 0 sec volle Kanne und Abheben “Podjom” – lift off früher “поехали”
    + 10 sec erste Statusmeldung über Bordsysteme “alles in Norm”
    + 15, 20, 25, 30 usw. Bestätigungen des OK für alle möglichen Systeme

  22. #22 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    5. Juni 2019

    > #20 Alderamin, 4. Juni 2019
    > Danke. Hatte Google so ausgespuckt. Das Blog kannte ich aber schon, daher hatte ich keine Skrupel, eine Ausnahme zu genehmigen. Ohne ‘s’ geht’s natürlich viel einfacher.

    Kommt darauf an, was man unter “einfach” versteht. Ich hatte schon die Warnung von Firefox quittiert und mit “s” weitergemacht.

    Hätte ich das “s” raus gemacht müsste ich es im Wiederholungsfall wieder tun. So aber ist die Angelegeheit ein für alle mal erledigt. Den Senf des Herrn brauche ich nicht.

  23. #23 Bullet
    5. Juni 2019

    Bist schon ein schlaues Kerlchen.

  24. #24 james t
    6. Juni 2019

    Gut erklärt. Ich hab mich immer gefragt, wie es denn anders gehen sollte als runterzuzählen – aber man ist es schon so gewohnt…. aber stimmt, einfach Hochzählen bis zum Start würde irgendwann kompliziert werden. Fritz Lang war offenbar nicht doof