Am 21. Juli 2019 ist es 50 Jahre her seit das erste Mal Menschen auf dem Mond gelandet sind. Deswegen gibt es hier im Blog einen 50tätigen Countdown und wir blicken alle zu Recht mit Begeisterung auf diese Leistung zurück. Aber schon lange bevor Neil Armstrong seinen Fuß auf die Oberfläche des Mondes gesetzt hat, haben jede Menge andere Menschen und Wesen unseren Nachbarn im All besucht. Zumindest in der fiktiven Welt der Literatur.
Die früheste bekannte literarische Erzählung einer Reise zum Mond stammt vom griechischen Satiriker Lukian von Samosata, wurde im 2 Jahrhundert geschrieben und trägt den schönen Titel “Wahre Geschichten”. Lukian beschreibt darin, wie er gemeinsam mit ein paar anderen Helden aus dem Mittelmeer hinaus in den Atlantik segelt um neue Welten zu entdecken. Das gelingt hervorragend; sie landen unter anderem auf einer Insel die von Wesen bevölkert wird die halb Frau, halb Weinrebe sind. In diesem Zusammenhang kann man ausnahmsweise auch mal ein Wort vorstellen, für das sich ansonsten vermutlich eher wenig Anwendungsmöglichkeiten finden: ἀμπελομιξία bzw. “Ampelomixia” und es bedeutet “Weinrebenbegattung”. Ein Wort um den Geschlechtsverkehr mit Weinreben zu beschreiben braucht man nicht so oft (ich komme aus einem großen Weinanbaugebiet und hatte noch nie Bedarf an diesem Wort).
Aber wenn man – so wie Lukian – beschreiben will was passiert wenn Seeleute auf eine Kombination aus Frau und Wein treffen, dann kommt man ohne “Ampelomixia” nicht aus und genau deswegen hat Lukian es auch erfunden. Man muss allerdings aufpassen, denn, so schreibt Lukian:
“Einige von ihnen kam sogar die Lust an, sich mit uns zu begatten; aber ein Paar von meinen Gefährten, die ihnen zu Willen waren, mußten ihre Lüsternheit teuer bezahlen. Denn sie konnten sich nicht wieder losmachen, sondern wuchsen dergestalt mit ihnen zusammen, daß sie zu einem einzigen Stocke mit gemeinschaftlichen Wurzeln wurden; ihre Finger verwandelten sich in Rebschoße, voll durch einander geschlungner Ranken, und fingen bereits an Augen zu gewinnen und Früchte zu versprechen.”
Aber nicht alle seiner Gefährten wurden zu Weinreben und der Rest segelte weiter. Bis ein großer Wirbelsturm kam und das Schiff nicht nur ganze sieben Tage lang durch die Luft schleuderte sondern am Ende auf dem Mond absetzt! Dort herrscht großer Aufruhr. Es geht um den Morgenstern, den sowohl der König der Sonne als auch der König des Mondes gerne besitzen wollen. Also führen sie Krieg und hetzen ihre Armeen aufeinander. Die werden gebildet durch allerlei seltsame Wesen. Manche sind halb Pilz, halb Mensch (Lukian scheint irgendwo auf den Sex mit nicht-tierischen Lebewesen zu stehen…), manche bestehen aus Wolken, und so weiter. Es ging wild zu:
“Auf dem rechten Flügel waren die Mückenritter aufgestellt, ebenfalls an fünfzigtausend Mann, lauter Bogenschützen, die auf ungeheuern [695] Stechfliegen ritten. Hinter ihnen standen die Luftspringer, leichte, aber sehr streitbare Fußtruppen, die aus der Ferne Rettiche von entsetzlicher Größe auf den Feind schleuderten. Wer von einem solchen Rettiche getroffen ward, starb gleich darauf, indem die Wunde augenblicklich in eine abscheulich riechende Fäulniß übergieng. Wie man uns sagte, beschmieren sie ihre Rettiche mit Malvengift. An sie schloßen sich die Stengelpilze an, schwerbewaffnetes Fußvolk, zehentausend Mann an der Zahl, die ihren Namen daher haben, daß ihre Schilde aus Pilzen und ihre Spieße aus Spargelstengeln bestehen. Neben ihnen waren fünftausend Hundeichler aufgestellt, welche von den Bewohnern des Sirius dem Phaëthon zu Hülfe geschickt worden waren, Menschen mit Hundeköpfen, die auf geflügelten Eicheln stritten.”
Außerdem gibts auf dem Mond nur Männer! Die kriegen auch ohne Frauen Kinder und zwar nicht in ihren Bäuchen, sondern in den Waden. Es geht aber noch ein Stück merkwürdiger, wie Lukian berichtet:
“Es giebt eine Gattung von Menschen daselbst, Baummenschen (Dendriten) genannt, die auf folgende Weise entstehen. Man schneidet einem Manne den rechten Hoden ab, und pflanzt ihn in die Erde: aus diesem wächst nun ein ungeheurer, fleischerner Baum, in Gestalt eines Phallus, mit Zweigen und Blättern. Die Frucht, die er trägt, ist eine Art ellenlanger Eicheln, aus welchen, wenn man sie reif werden läßt und sodann auseinander schlägt, die Menschen genommen werden. Diese Leute bedienen sich übrigens, wenn sie sich begatten, keiner natürlichen, sondern künstlich angesetzter Zeugungstheile, und zwar die Reichen und Vornehmen von Elfenbein, die Geringern aber nur von Holz.”
Baummenschen mit Holzdildos auf dem Mond. Wer hätte das gedacht… Ich könnte noch seitenweise aus den absurden Geschichten des Lukian zitieren, das bisher war noch längst nicht das seltsamste das auf dem Mond zu sehen ist! Wer möchte, kann die Geschichte gerne selbst lesen. Am Ende kehren die Abenteurer aber wieder zur Erde zurück, landen im Bauch eines Wals in dem Menschen gerade Krieg gegeneinander führen (was auch sonst?), entdecken eine Insel aus Käse und erleben noch einen Schwung weiterer Abenteuer.
Wahr ist an diesen “Wahren Geschichten” natürlich nichts. Das hat Lukian auch nicht behauptet; er wollte sich über die vielen Reiseberichte seiner Zeitgenossen lustig machen, in der genau diese Art absurder Wesen und Erlebnisse in unbekannten Ländern als ernstgemeinte Tatsachen präsentiert werden. So oder so – er hat damit die erste Erzählung einer Reise zum Mond geschaffen (von der wir wissen) und dieser Ur-Science-Fiction sind noch unzählige andere gefolgt. Über die Jahrhunderte hinweg haben sie die Fantasie der Menschen angeregt bis es irgendwann nicht mehr anders ging und wir die Fiktion am 21. Juli 1969 auch real werden lassen mussten.
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Der komplette Countdown: 50 | 49 | 48 | 47 | 46 | 45 | 44 | 43 | 42 | 41 | 40 | 39 | 38 | 37 | 36 | 35 | 34 | 33 | 32 | 31 | 30 | 29 | 28 | 27 | 26 | 25 | 24 | 23 | 22 | 21 | 20 |19 | 18 | 17 | 16 | 15 | 14 | 13 | 12 | 11 | 10 | 09 | 08 | 07 | 06 | 05 | 04 | 03 | 02 | 01 | 0
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