Im 50tägigen Countdown zum 50. Jubiläum der ersten Landung auf dem Mond machen wir heute einen kleinen Ausflug in die Sowjetunion. Die hatte ja lange Zeit einen großen Vorsprung bei der Raumfahrt bevor die USA in den 1960er Jahren langsam aufholen konnten. Und wo starteten die sowjetischen Raketen? Vom Kosmodrom Baikonur, natürlich. So hatte man es verkündet, als dort im Jahr 1961 mit Yuri Gagarin der erste Mensch ins All flog. Nur das zu der Zeit schon alle wussten, dass das nicht stimmt.
Yuri Gagarin war selbstverständlich schon im All. Aber erst ist nicht von Baikonur aus gestartet, sondern von Tjuratam aus. So wie alle anderen Raketen davor und danach. Die kleine Siedlung Tjuratam hat man in den 1950er Jahren deswegen ausgewählt, weil sie recht günstig an der Eisenbahnlinie zwischen Moskau und Taschkent in Usbekistan liegt. Und sonst nicht allzu viel in der Nähe war, was die Raketenstarts stören könnte. Denn es war ja alles streng geheim; im Gegensatz zu den USA die ihre Raketen unter den Augen der Öffentlichkeit fliegen ließen, wollte die Sowjetunion am liebsten gar nix verraten. Aber ein bisschen Propaganda muss trotzdem sein und deswegen präsentierte man die erfolgreichen Missionen dann doch stolz der ganzen Welt. Und wollte bzw. musste dann angesichts Gagarins Flug auch Auskunft darüber geben, wo er gestartet ist (nur dann konnte die Aktion offiziell von der Internationalen Aeronautischen Vereinigung als Weltraumflug anerkannt werden).
Die Existenz von Tjuratam wollte man allerdings nicht preisgeben. Gut, zu der Zeit hatten die amerikanischen Geheimdienste schon längst herausgefunden wo der sowjetische Weltraumbahnhof war. Und das wussten auch die Russen. Aber wo kämen wir denn hin, wenn man einfach so geheime Dinge ausplaudert, selbst wenn die schon lange nicht mehr geheim sind! Also schaute man nach was halbwegs in einer dem Flug Gagarins entsprechenden Richtung lag und stieß auf die ein paar hundert Kilometer entfernte kleine Stadt Baikonur. Das “Kosmodrom Baikonur” war erfunden und von da an offizieller Startplatz aller sowjetischen Raketen.
Mittlerweile ist der Name auf den realen Ort des Weltraumbahnhofs über gegangen (obwohl die Haltestelle der Eisenbahn immer noch “Tjuratam” heißt). Wer möchte kann die ganze Geschichte von Tjuratam/Baikonor in dem Fachartikel “From Tyuratam Missile Range to Baikonur Cosmodrome” von Mike Gruntman nachlesen. Der ist allerdings nicht frei verfügbar. Das heißt ihr müsst Geld dafür bezahlen. 39,95 Dollar. Ich sage das deswegen so genau, damit ihr nicht etwa aus Versehen auf ne Seite wie Sci-Hub gelangt und den Artikel lest ohne zu bezahlen…
P.S. Ich hab übrigens grad mal geschaut: Man kann wirklich von Jena aus mit dem Zug bis zum Bahnhof Tjuratam fahren. Kennt sogar die Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn. Umsteigen in Leipzig, Berlin, Warschau, Brest, Moskau und Atyrau und keine 100 Stunden später bin ich schon da!
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Der komplette Countdown: 50 | 49 | 48 | 47 | 46 | 45 | 44 | 43 | 42 | 41 | 40 | 39 | 38 | 37 | 36 | 35 | 34 | 33 | 32 | 31 | 30 | 29 | 28 | 27 | 26 | 25 | 24 | 23 | 22 | 21 | 20 |19 | 18 | 17 | 16 | 15 | 14 | 13 | 12 | 11 | 10 | 09 | 08 | 07 | 06 | 05 | 04 | 03 | 02 | 01 | 0
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