Ja, ich sags gleich ganz zu Beginn: Die Überschrift ist massiv übertrieben! Niemand wollte den Mond in die Luft sprengen, schon gar nicht Carl Sagan. Aber man wollte eine Atombombe dort explodieren lassen und Carl Sagan war an der ganzen Angelegenheit beteiligt. Es ist eine irre Geschichte die wunderbar zeigt, wie die Welt damals in der Zeit zwischen dem zweiten Weltkrieg und der ersten Landung auf dem Mond gedacht hat und es ist eine wunderbare Geschichte für die “13” in meinem 50tägigen Countdown zum 50. Jubiäum der ersten Mondlandung.

In den 1950er Jahren hatte der Wettlauf ins All so richtig begonnen. Die Sowjets hatten mit dem ersten künstlichen Satelliten “Sputnik” vor allem die USA geschockt, die Angst hatten nun endgültig den Anschluss zu verlieren. Wenn der Feind einfach so Raumfahrzeuge über das Gebiet der USA fliegen lassen kann: Was wird dann noch alles möglich sein? Man wollte der ganzen Welt demonstrieren, dass man die dominante Macht auf der Erde UND im Weltraum war. Die Idee, das zu bewerkstelligen: Eine Atombome auf den Mond zu werfen!

Über sowas hatte schon Edward Teller, der bei maßgeblich beim Bau der amerikanischen Nuklearwaffen beteiligt war, im Jahr 1957 gehabt. 1958 machte die “Armour Research Foundation” der technischen Universität von Chicago dann konkete Forschung dazu: Welche Bombe muss wie am Mond gezündet werden, damit man das von der Erde auch gut sehen kann. Denn darum ging es ja: Die Atomexplosion auf dem Mond sollte demonstrieren, zu was man fähig war. Das man nicht nur in der Lage war zum Mond zu fliegen, sondern auch eine mächtige Waffe dorthin zu bringen. Deren Auswirkungen von allen auf der Erde gesehen werden können. Darum plante man, die Bombe auf der nicht von der Sonne beleuchteten Seite zu zünden, so dass auf der dunklen Hälfte des Halbmonds auf einmal ein helles, menschengemachtes Licht aufleuchtet. Angefeuert wurde die durch Gerüchte, dass die Sowjetunion ebenfalls darüber nachdenkt, so etwas zu tun. Das war tatsächlich der Fall; man hat ihn dann aber bald wieder fallen gelassen.

Sputnik: Mit dem Ding hat alles angefangen (Bild: NASA, gemeinfrei)

Aus guten Gründen und aus den gleichen Gründen aus denen auch die USA ihr “Projekt A119”, wie der ganze Plan genannt wurde, in der Schublade verschwinden lassen haben. Erstens war die Raketentechnik nicht so weit um so schwere Atombomben ins All und zum Mond transportieren zu können. Zweitens hätte man ein sehr großes Problem gehabt wenn die Rakete es nicht ins All geschafft hätte und wieder zurück auf die Erde gefallen wäre. Drittens wäre fraglich, ob man dann auch wirklich was ausreichend beeindruckendes auf dem Mond sehen kann. Viertens hätte man den Mond für zukünftige wissenschaftliche und die Forschung durch Menschen vor Ort kontaminiert und ruiniert. Und fünftens war man sich dann doch nicht ganz sicher, ob die atomare Bombadierung unseres Nachbarn im All in den Augen der Öffentlichkeit wirklich so gute PR gewesen wäre…

Mit beteiligt an den Planungen war aber damals auch der amerikanische Astronom Gerard Kuiper und dessen damaliger Doktorand Carl Sagan. Er sollte untersuchen, wie sich di durch die Explosion entstandene Staubwolke unter den Bedingungen auf dem Mond verhält. Sagan wird also vermutlich eher nur mit den astronomischen und weniger mit den militärischen Aspekten des Projekts zu tun gehabt haben. Hat aber am Ende (indirekt) dafür gesorgt, dass die ganze Angelegenheit öffentlich bekannt wurde.

Heute kennt man Carl Sagan vor allem für seine Arbeit in der Öffentlichkeitsarbeit und Wissenschaftskommunikation. Für die vielen Bücher die er geschrieben hat, die Fernsehserie “Unser Kosmos”; für seine Arbeit an der “Golden Record” mit Botschaften der Erde die mit den Voyager-Sonden ins All geschickt worden sind, für das Bild der Erde mit dem Namen Pale Blue Dot, und so weiter. Und als Sagan dann ab den 1990er Jahren in der Öffentlichkeit immer bekannter wurde, interessierte man sich auch für seine Biografie.

Sagan (ohne Atombombe) (Bild: JPL, gemeinfrei)

Keay Davidson wollte damals eine Biografie über Sagan schreiben und stieß dabei auf die Titel einiger Forschungsberichte die er verfasst haben sollte. Eines zum Beispiel hieß “Possible Contribution of Lunar Nuclear Weapons Detonations to the Solution of Some Problems in Planetary Astronomy” und es ist verständlich, dass man mehr über was herausfinden will, das so beschrieben wird! Sagan hätte allerdings gar nicht verraten dürfen, dass es diese Artikel gab – es war ja alles streng geheim. Aber als Folge dieser Indiskretion und der resultierenden medialen Diskussion meldete sich dann auch Leonard Reiffel, der das Projekt damals an der Uni in Chicago leitete. Er bestätigte die Existenz des Plans eine Atombombe auf den Mond zu schicken und Sagans Beteiligung. Erklärte aber auch, dass er das mittlerweile für eine sehr blöde Idee halte und das alle Unterlagen darüber heute längst vernichtet sind.

Das scheint tatsächlich so zu sein. Das einzige was seitdem darüber ans Licht gekommen ist, ist eine Studie der US Air Force mit dem Titel “Eine Studie über lunare Forschungsflüge”. Darin geht es um:

“Nuclear detonatliozns in thc vicinity of the moon are considered in thisreport along with sci entific itinor-‘ ation which mnight be obtained from suchexplosions. The military aspe(t’ is aided by investigation of space environ-ment, detection of nucl.ear device testing, and capability of weapons in space.”

Weitere Bände mit Titeln wie “Radiological Contamination of the Moon by Nuclear Weapons Detonations” scheinen aber wirklich restlos vernichtet oder komplet verschollen.

Zum Glück kam die US-Regierung dann doch noch irgendwann auf die Idee, dass es in Sachen Öffentlichkeitswirkung deutlich besser ist, Menschen zum Mond zu schicken und keine Atomwaffen. Deswegen können wir in diesem Jahr auch das 50. Jubiläum der ersten Mondlandung feiern. Und nicht das Jubiläum der ersten Atomexplosion auf dem Mond. Was ein deutlich düsterer Grund für Feierlichkeiten gewesen wäre…
———————————
Der komplette Countdown: 50 | 49 | 48 | 47 | 46 | 45 | 44 | 43 | 42 | 41 | 40 | 39 | 38 | 37 | 36 | 35 | 34 | 33 | 32 | 31 | 30 | 29 | 28 | 27 | 26 | 25 | 24 | 23 | 22 | 21 | 20 |19 | 18 | 17 | 16 | 15 | 14 | 13 | 12 | 11 | 10 | 09 | 08 | 07 | 06 | 05 | 04 | 03 | 02 | 01 | 0

Kommentare (31)

  1. #1 Gustav
    8. Juli 2019

    Wie damals auch ind er Öffentlichkeit mit Sachen umgegangen ist, die mit Atomenergie und Radioaktivität zu tun hatten, zeigt eine Donald-Duck-Geschichte aus den 50ern oder 60ern, wo Donalds Neffen eine Kappe mit Uran tragen, sodass Donald Sie mit einem Geigerzähler aufspüren konnte.

    Und das war in keinerlei Weise ironisch gemeint. Also die Überwachung wurde thematisiert, aber dass man Uranhüte den Neffen aufpflanzt, das wurde als normal angesehen.

  2. #2 bot
    8. Juli 2019

    Will ich auch haben! Ich liebe Nuklearwaffen!
    Ich glaube die AfD wäre auch begeistert.

  3. #3 Captain E.
    8. Juli 2019

    Ein durchgeknallter suspendierter (und bald bestimmt endgültig entlassener) Polizist hat neulich einen Überfall begangen und dabei die Angestellte des Ladens mit der Zündung einer Wasserstoffbombe bedroht.

  4. #4 RPGNo1
    8. Juli 2019

    Ich nenne nur die Computerspielereihe “Fallout”. Das ist die beste Satire überhaupt über den Umgang mit Atomenergie und -waffen, wie sie in den 50er und 60er Jahren propagiert wurde.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Fallout_(Spieleserie)

  5. #5 Bbr
    Niedersachsen
    8. Juli 2019

    Was mich am meisten entsetzt, das sind sie Menschenversuche, die man im Rahmen des Manhatten-Projekts an vermeintlich Todkranken ohne deren Wissen machte.

    18 Menschen hat man Plutonium injiziert.

    https://en.m.wikipedia.org/wiki/Albert_Stevens

  6. #6 schlappohr
    8. Juli 2019

    Das einzige Land das Atomwaffen gegen Zivilisten eingesetzt hat und hunderttausende Menschenleben auf dem Gewissen hat, ist besorgt über die schlechte PR einer Atomexplosion auf dem Mond? Das ist an Zynismus kaum noch zu übertreffen.
    Ich glaube eher, dass ihnen die Aktion schlichtweg zu teuer war angesichts der Tatsache, dass sie keinerlei Wirtschaftlichen oder militärischen Nutzen hatte.

  7. #7 Captain E.
    9. Juli 2019

    @schlappohr:

    Hierzulande teilt man die US-Position zum Kernwaffeneinsatz natürlich eher selten, aber vermutlich hätten alleine die US-Truppen “hunderttausende Menschenleben” beklagen müssen, hätte man es mit einer Landung wie in der Normandie versucht. Japan hätte dann natürlich etliche Millionen Tote zu zählen gehabt. Die Alternative wäre gewesen, die Luftangriffe zu intensivieren und das japanische Eisenbahnsystem so weit wie möglich auszuschalten. Die Angriffe hätten nur geringe Opferzahlen bedeutet, aber dann wären die Japaner massenhaft verhungert, wiederum mit Millionen Toten.

    Daher, so makaber es sich auch anhört, war der amerikanische Kernwaffeneinsatz vielleicht wirklich noch die humanste Lösung.

  8. #8 Uli Schoppe
    9. Juli 2019

    Der Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen Zivilisten ist mit nichts zu rechtfertigen. Atombobenabwurf aus humanitären Gründen, au weh :/
    Wenn das wirklich mal Schule macht wirds spannend. Man wird sich dann in den scheinheiligen Begründungen überbieten. Aber man möchte ja sowieso den Einsatz von Atomwaffen hoffähig machen.

  9. #9 schlappohr
    9. Juli 2019

    @Captain E.

    Diese Argumentationskette wird oft angeführt, aber sie ist und bleibt falsch. Die Japaner waren zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend militärisch ausgeknipst, die hatten sich nur geweigert, eine Unterschrift unter die Kapitulationserklärung zu setzen. Und nach Pearl Harbor wollten die Amerikaner Japan bis auf die Knochen demütigen. Die beiden Atombomben waren eine billige und gefahrlose Methode, um ein ohnehin schon wehrloses Land auf der anderen Seite der Erde in Stücke zu reißen. Von Japan ging schon lange keine Gefahr mehr aus. Es gehört eine Menge Phantasie dazu, das humaner als irgendetwas anderes zu finden. Hätten die Amerikaner die Bombe vor einer belebten japanischen Küstenstadt ins Meer geworfen und ihnen aus der Ferne das hier https://www.youtube.com/watch?v=qDMUekfOR-E gezeigt, dann hätten sie am nächten Tag genauso die Kapitulationserklärung bekommen.

  10. #10 Robert aus Wien
    10. Juli 2019

    @Bbr:
    Auch in den 50er Jahren haben bspw. Frankreich und die USA Menschenversuche gemacht und z.B. Soldaten ionisierender Strahlung bei Atombombentests ausgesetzt. Die Opfer kämpfen tw. jetzt noch um eine Entschädigung. (Die leiden alle an Spätfolgen wie z.B. Krebs.)
    Und die Drogenexperimente die in den USA an Soldaten durchgeführt worden sind, sollten auch bekannt sein.

  11. #11 Captain E.
    10. Juli 2019

    @Uli Schoppe:

    Der Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen Zivilisten ist mit nichts zu rechtfertigen. Atombobenabwurf aus humanitären Gründen, au weh :/

    Das magst du gerne so sehen. Nur was wäre die Alternative gewesen? Eine Landung von See aus mit zigtausenden gefallenen GIs? Und vergiss nicht, dass Japan sehr bergig ist. Auf den vier Hauptinseln Hokkaidō, Honshū, Shikoku und Kyūshū gibt es gerade einmal zwei geeignete Landezonen, und das war dem japanischen Militär natürlich gut bekannt. Wenn du meinst, dass wir Deutschen damals schräg drauf gewesen wären, dann kennst du die Japaner nicht. Die Regierung hatte allen Ernstes geplant, ein paar Millionen Zivilisten im Kampf gegen die Amerikaner zu opfern, um deren Kampfmoral zu brechen. Wie gut Japan die Auswirkungen dieser Strategie verpackt hätte, ist noch einmal ein ganz anderer Punkt. Die Zivilbevölkerung hatte dermaßen mehr Angst vor den USA als vor der eigenen Führung, dass sie wohl tatsächlich massenhaft mit bloßen Händen und Garten- und Hausgeräten gegen die Invasoren angetreten wären.

    Und das hätte,. wie schon erähnt, sehr viel mehr Tote bedeutet als die beiden Kernwaffen kurz- und langfristig verursacht haben. Die Alternative wäre eben gewesen, weiter aus der Luft zu bombardieren und dadurch das Eisenbahnnetz weitestgehend zu zerstören. Da es damals kaum Straßen gegeben hat, wären viele Japaner danach einfach verhungert.

    Ich frage dich also: Was wäre schlimmer gewesen? Ein paar hundertausend Zivilisten mit Kernwaffen zu töten, einige Millionen verhungern zu lassen oder einige Millionen mit konventionellen Waffen zu töten und dabei sehr viele eigene Soldaten zu verlieren? Eine wirklich gute Lösung scheint es damals nicht gegeben zu haben.

    Wenn das wirklich mal Schule macht wirds spannend. Man wird sich dann in den scheinheiligen Begründungen überbieten. Aber man möchte ja sowieso den Einsatz von Atomwaffen hoffähig machen.

    Wie kommst du denn darauf? Es gibt da zwar immer wieder einmal die eine oder andere Spekulation, aber der Fall Japan scheint schon ziemlich einzigartig gewesen zu sein. Konsequenterweise sind ja auch zig Kernwaffen gebaut worden, von denen aber exakt Null zum Einsatz gekommen sind, abgesehen von diversen Tests. Und natürlich haben die zahllosen Atombombenversuche das Maß der weltweiten Radioaktivität auf einen Wert getrieben, gegen den Tschernobyl und Fukushima anmuten wie Röntgenaufnahmen. Konsequenterweise wird seit den 80er Jahren auch fast nicht mehr getestet.

  12. #12 Bullet
    10. Juli 2019

    @Cpt.:

    Nur was wäre die Alternative gewesen?

    Wie wärs mit: wegbleiben? Blockade? Sollen die doch auf ihrer Insel versauern?
    Das wäre
    a) nichts neues und
    b) nichts nachweislich wirkungsloses gewesen.

    Bonus:
    c) “Eine Landung von See aus mit zigtausenden gefallenen GIs?” Und wenn schon. Das hat schon in den Weltkriegen davor niemanden interessiert… du fällst da auf ein Pseudoargument rein – übrigens genau dieses, mit dem die Erbauer der Atombombe (letztendlich erfolgreich) versucht haben, ihr “Baby” aufs Spielfeld zu bringen.

  13. #13 RPGNo1
    10. Juli 2019

    @Bullet
    Dieses Thema ist zu komplex, um es auf die simple Formel zu bringen: Atombombenabwurf “schlecht” vs. Invasion, Blockade, whatever “gut”

    https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Downfall#Estimated_casualties

    Selbst unter Historikern sind die Diskussionen heute noch nicht beigelegt. Es ist ein Szenario, bei dem es nur Verlierer gibt, egal wie man es angeht.

  14. #14 Bullet
    10. Juli 2019

    Dieses Thema ist zu komplex, um es auf die simple Formel zu bringen

    Simple Formeln greifen hier nicht gut. Konsens bis hierhin.

    Atombombenabwurf “schlecht” vs. Invasion, Blockade, whatever “gut”

    Ich hab da einen Standpunkt: Atombombenabwurf “schlechtest as possible”. Für jeden. Immer. Überall. Ohne Ausnahme.

    Ich rechne nicht Opfer gegen Opfer. Ich denke an den Chronisten, der von einem Kundschafter die Nachricht bekam, daß die Menschheit nun die Kernkraft entdeckt habe und der daraufhin sein großes Buch mit der Liste der intelligenten Spezies in der Milchstraße zur Hand nahm, um die Zeile “Der galaktischen Gemeinschaft beigetreten am: …” im Kapitel “SOL III / Erde” hinzuzufügen. Und der dann fragte, wann die ersten Menschen denn zu ihm kommen würden, worauf der Kundschafter antworten mußte, daß das nicht geschehen würde, weil die Menschen nicht einmal die interplanetare bemannte Raumfahrt beherrschten. Auf die skeptische Rückfrage, wo dann diese “Menschen” denn bitteschön ihre nuklearen Tests durchführen würden, hatte der Kundschafter nur die sehr zögerliche Antwort parat: “Auf ihrem Heimatplaneten, leider.”
    Das darauf Folgende war einmalig in der Geschichte der Bücher der Völker und war Anlaß langer Diskussionen, doch am Ende stimmten die Weisen zu: der Chronist hatte gut daran getan, dieses Kapitel einfach aus dem Buch herauszureißen und zu vernichten.

    Jaja – nur eine Geschichte. Doch allein die Tatsache, daß es heute nukleare Sprengkörper gibt, die zwangsläufig nicht gegen Benutzung gesichert werden können, ist etwas, das nicht geht. Man gibt Kindern keine geladenen Pistolen und orangenen Clowns keine Atomraketenabschußcodes. (Den anderen Spinnern in gleicher Position natürlich auch nicht. Der Clown ist nur das für uns offensichtlichste Ziel. Keine Präferenz also hier.)

  15. #15 Captain E.
    10. Juli 2019

    @Bullet:

    Wie wärs mit: wegbleiben? Blockade? Sollen die doch auf ihrer Insel versauern?

    Darauf hatte die japanische Führung ja gehofft und hätte es als Sieg über die verhassten USA empfunden. Früher oder später wäre auch mit Sicherheit wieder ein Taifun über die Inseln gefegt und hätte die Blockadeflotte vertrieben oder evtl. beschädigt. Das wäre dann wieder Brennstoff für die Legende des “Kamikaze” gewesen, des “göttlichen Windes”. Die Chinesen hat man schließlich auch das eine oder andere Mal mit verbissener Entschlossenheit und meteorologischer Unterstützung draußen halten können.

    Das wäre
    a) nichts neues und
    b) nichts nachweislich wirkungsloses gewesen.

    Tja, a) stimmt, b) dagegen nicht. Die Japaner hätten es, wie gesagt, definitiv als Sieg empfunden, die Amerikaner fast ebenso sicher als Niederlage.

    Bonus:
    c) “Eine Landung von See aus mit zigtausenden gefallenen GIs?” Und wenn schon. Das hat schon in den Weltkriegen davor niemanden interessiert… du fällst da auf ein Pseudoargument rein – übrigens genau dieses, mit dem die Erbauer der Atombombe (letztendlich erfolgreich) versucht haben, ihr “Baby” aufs Spielfeld zu bringen.

    Es tut mir leid, aber du fällst da auf ein Pseudoargument der “militanten Pazifisten” herein. Im Gegensatz zu Japan oder Deutschland waren die USA damals schon eine Demokratie, und das waren keine Untertanen, die an die Front geschickt wurden, sondern Bürger, die ihre Mitbürger vor einem Feind beschützen wollen bzw. sollten. Und die US-Generäle dürften ihre Lektionen über den industrialisierten Krieg bereits im bzw. aus dem Bürgerkrieg gelernt haben, und als Teilnehmer des Ersten Weltkriegs waren diese Erfahrungen zumindest bestätigt worden.

    Aber wenn du tatsächlich so zynisch bist, dass dir die möglichen toten GIs infolge einer Landung egal sind, wären dir Millionen konventionell getöteter japanische Zivilisten wirklich lieber als einige hunderttausend Atombombenopfer?

    Die Erbauer der Atombombe hätten den Japanern übrigens lieber die eine oder andere unbewohnte Insel zerbombt, aber da haben sich in der Tat die Genräle durchgesetzt, die ihre neue Waffe einmal “in echt” erproben wollten. Und natürlich wollten sie Japan so hart wie möglich treffen, um den verlustreichen Krieg endlich beenden zu können.

  16. #16 Captain E.
    10. Juli 2019

    @lBullet:

    […]
    Ich hab da einen Standpunkt: Atombombenabwurf “schlechtest as possible”. Für jeden. Immer. Überall. Ohne Ausnahme.

    Das ist ein Standpunkt. Aber warum meinst du, ein Kernwaffeneinsatz sei die schlechteste aller möglichen Optionen? Den Toten ist egal, ob sie verstrahlt, verdampft, erschossen oder erstochen wurden oder ob sie schlichtweg verhungert sind.

    Ich rechne nicht Opfer gegen Opfer.

    Tja, nur führt dich das dahin, dass dir hundert- oder zweihunderttausend tote amerikanische Soldaten und Seeleute sowie zig Millionen japanische Soldaten und vor allem Zivilisten lieber gewesen wären als die immer noch hunderttausende Toten in Hiroshima und Nagasaki. Ein Prinzip ist dir also wichtiger als Menschenleben?

    […]

    Doch allein die Tatsache, daß es heute nukleare Sprengkörper gibt, die zwangsläufig nicht gegen Benutzung gesichert werden können, ist etwas, das nicht geht. Man gibt Kindern keine geladenen Pistolen und orangenen Clowns keine Atomraketenabschußcodes. (Den anderen Spinnern in gleicher Position natürlich auch nicht. Der Clown ist nur das für uns offensichtlichste Ziel. Keine Präferenz also hier.)

    Kernwaffen sind natürlich gesichert gegen unbefugten Einsatz. Aber klar, ein durchgeknallter Politiker darf trotzdem den Einsatz befehlen, egal ob er Xi, Putin, Kim oder Trump heißt. Da ist das amerikanische Volk verantwortlich wie auch im besonderen das Electoral College, das seiner verfassungsgemäßen Pflicht, einen Präsidenten zu wählen, der seines Amtes gewachsen ist, aus Tradition und Parteitaktik nicht nachgekommen ist. Sollte der aktuelle US-Präsident den allumfassenden oder auch nur einen beschränkten Nuklearschlag anordnen, kann man aber in der Tat nur auf den Mut und die Integrität von beteiligten Soldaten, Politikern und Beamten hoffen, indem sie ihn auf die eine oder andere Weise daran hindern müssten. Und es wäre zu hoffen, dass auch die Herren Xi, Putin und Kim ihren Kontakt mit der Realität niemals so weit verlieren, dass sie den Befehl geben oder dass es sich zumindest Menschen fänden, sie davon abzuhalten.

    Das ändert aber logischerweise nichts an dem Dilemma 1945. Hätte man sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs darauf geeinigt, Kernwaffen aus den Arsenalen komplett zu verbannen, wäre das sicherlich eine gute Idee gewesen. Damals stand man aber eben vor der Frage, die beiden neuartigen Bomben einzusetzen oder das Sterben mit herkömmlichen Mitteln noch einmal zu intensivieren.

    Was die Angst vor der “Bombe” angeht, so habe ich die Protest hierzulande gegen US-Waffen nie verstanden. Es waren schließlich nicht die USA, die Ziele in meinem Heimatland in ihre Waffen einprogrammiert hatten. Das war die Sowjetunion. Irgendwie wird das immer gerne vergessen.

  17. #17 Spritkopf
    10. Juli 2019

    aber da haben sich in der Tat die Genräle durchgesetzt, die ihre neue Waffe einmal “in echt” erproben wollten.

    Ich kann mir kaum vorstellen, dass das amerikanische Militär den Verzicht auf den Einsatz der Atombombe nur entfernt als Option gesehen hat. Sie wollten ihr neues Spielzeug ausprobieren! Zweitens hatte man einen mehrjährigen Krieg hinter sich, der u. a. gekennzeichnet davon war, dass er auch bewusst gegen Zivilisten geführt wurde, und zwar von allen Seiten. Ob man nun viele Tausend Zivilisten mit einem von einer vierstelligen Zahl von schweren Bombern geführten Angriff tötete oder mit nur einem Bomber und dafür einer neuen Art von Waffe, war der amerikanischen Führung vermutlich ziemlich gleich.

    Ich halte wie Bullet den Einsatz von A-Waffen grundsätzlich für die schlechteste Option. Allerdings muss man wohl davon ausgehen, dass die Handelnden nicht im Ansatz in solchen Kategorien gedacht haben.

  18. #18 Captain E.
    10. Juli 2019

    @Spritkopf:

    Ich denke, die ersten Atombombentests nach dem Zweiten Weltkrieg haben gezeigt, wie unbedarft viele an die Sache heran gegangen sind. Viele waren einfach nur faszinert von der ungeheuren Sprengkraft.

    Damals im Jahr 1945 wäre die Alternative, eine unbewohnte Insel zu bombardieren, vielleicht wirklich die beste Alternative gewesen. Zwei Probleme dürften dagegen gestanden haben: Die japanische Führung hätte womöglich an einen Trick oder an den mangelnden Einsatzwillen der USA geglaubt, und bei einem echten Einsatz wäre der psychologische Effekt dann wesentlich geringer ausgefallen.

    Bei allem Mitgefühl für die Toten von Hiroshima und Nagasaki sei aber trotzdem daran erinnert, dass Japan es zwar nicht geschafft hat, auch nur einen einzigen der 48 US-Bundesstaaten effektiv anzugreifen (ein U-Boot vor Kalifornien und die Ballon-Bomben waren eher läppische Versuche), aber es hat US-Außengebiete angegriffen und teils sogar jahrelang besetzt.

    Und wir Deutschen hatten natürlich den Dussel gehabt, vorher zu kapitulieren. Die Bomben sind schließlich vor allem gegen uns entwickelt worden, nur waren wir bereits aus dem Krieg ausgeschieden, als “Fat Man” und “Little Boy” klar zum Einsatz waren. Die Menschen in Mannheim und Ludwigshafen können dafür noch heute dankbar sein.

  19. #19 Karl-Heinz
    10. Juli 2019

    Ich überlege gerade, ob man eine Atombomben-Explosion von der Erde aus sehen kann, wenn man Richtung Mond guckt.

    Zunächst mal das Auflösungsvermögen des Auges. Ein typischer Wert für den Pupillendurchmesser ist 5 mm. Daraus berechnen sich mit λ = 600 nm: 0,0084° für den kritischen Sehwinkel. Das bedeutet, dass der
    Mensch die Millimeterstriche auf einem Lineal noch auf 6,8 m Entfernung unterscheiden kann, die Zentimeterkästchen auf dem Schullineal auf 68 m. In der Distanz Erde – Mond (384 000 km), kann man (theoretisch) noch zwei 56 km entfernte Objekte auflösen.

    Zumindest der Anfang ist mal geschafft. Weitere Details, wie Strahlungsleistung der Atombombe muss ich mir noch überlegen.

  20. #20 Captain E.
    11. Juli 2019

    @Karl-Heinz:

    Im Prinzip ja, schätze ich, aber es bleibt schwierig. Vor etlichen Monaten hat doch ein einziger Amateur einen Einschlag auf der Mondoberfäche erwischt. Nur ein einziger, der gerade sein Teleskop auf die betreffende Stelle der Mondoberfläche gerichtet hatte.

    Die ausführende Stelle dieser Detonation hätte natürlich aller Welt mitgeteilt, wo sie wann genau hinzuschauen gehabt hätte.

  21. #21 PDP10
    11. Juli 2019

    @Karl-Heinz:

    Ich überlege gerade, ob man eine Atombomben-Explosion von der Erde aus sehen kann, wenn man Richtung Mond guckt.

    Glücklicherweise haben sich damals ein paar Leute genau darüber Gedanken gemacht …
    Man hätte aufgrund der fehlenden Atmosphäre wohl nur einen mikrosekundenlangen Blitz gesehen. Nicht sehr spektakulär. Und auch sonst haben vernünftige Leute damals wohl entschieden, dass die ganze Idee kolossal blöde ist:

    https://www.spiegel.de/einestages/geheimprojekt-a119-die-atombombe-auf-dem-mond-a-947837.html

    (Wundert mich ein bisschen, dass Florian das oben nicht erwähnt hat.)

  22. #22 Karl-Heinz
    Graz
    11. Juli 2019

    @Captain E. und PDP10

    Vielen Dank für die Hinweise. Da kann ich mir das Nachdenken, ob unser Auge was sehen würde mal getrost ausser acht lassen. 😉

    Am 11. September 2013 beobachteten Astronomen einen der bislang heftigsten Einschläge eines kleinen Asteroiden auf dem Mond. Der Himmelskörper hatte die Größe eines Kühlschranks und wog um 400 Kilogramm. Er war für Sekundenbruchteile annähernd so hell wie der Polarstern und somit auch für das bloße Auge als Blitz sichtbar. Der eingeschlagene Himmelskörper war nach Ansicht der Forscher um Madiedo zwischen 0,6 und 1,4 Meter groß. Er setzte beim Impakt eine Energie frei, die der Explosion von rund 15 Tonnen des Sprengstoffs TNT (Trinitrotoluol) entsprach.

    Zum Vergleich
    1) Little Boy (Sprengkraft 12.500 Tonnen TNT)
    2) Plutoniumbombe Fat Man mit einer Sprengkraft von 22.000 Tonnen TNT

    Ich vermute, dass das Militär ihr Vorhaben (eine Atombombe auf dem Mond abzuwerfen) aufgegeben haben, als ihnen bewusst wurde, dass es ausser einen Lichtblitz nicht sehr viel zu sehen gibt.

  23. #23 Bullet
    11. Juli 2019

    (mal ausnahmsweise von unten nach oben: )
    @Karl-Heinz:
    Atombomben auf atmosphärelosen Himmelskörpern erzeugen außer dem Blitz natürlich nix. Woran denn auch?
    Die Rechnung, die du weiter oben wegen der Auflösung des Auges aufgemacht hast, ist aber auch aus einem andern Grund überflüssig: Sterne. Sterne, die 1000 Lichtjahre entfernt sind, haben einen Winkeldurchmesser, der wohl für alle Zeiten unter der Auflösungsgrenze von Teleskopen liegen wird. Trotzdem gibt es ein paar jener, die du locker mit bloßem Auge sehen kannst: Deneb, Alnilam, Wezen, Sadr. Die Lichtmenge, die du von da bekommst, reicht aus, um diese Sterne zu sehen. Auflösung ist da egal.

    @ Cpt. E:

    Was die Angst vor der “Bombe” angeht, so habe ich die Protest hierzulande gegen US-Waffen nie verstanden. Es waren schließlich nicht die USA, die Ziele in meinem Heimatland in ihre Waffen einprogrammiert hatten. Das war die Sowjetunion. Irgendwie wird das immer gerne vergessen.

    Was du jetzt wiederum zu vergessen scheinst, ist der Grund, warum deutsche Ziele in den Zielkoordinaten sowjetischer Targetcomputer eingespeist waren: weil US-Atomwaffen hier stehen. Wenn die UdSSR Krieg gegen die USA führen will, dann verballert sie nicht ohne triftigen Grund ihre Atombomben direkt vor ihrer Haustür. Der Dreck, den sie da aufwirbeln, kommt nämlich stante pede zurück – solches vermeidet man gern und geht nur bei genügend hoher Motivation drüber weg. Das war der Grund, warum die Zivilbevölkerung in den 80ern keine Stationierungen von US-Nuklearwaffen in Deutschland wollte.

    Ich denke, die ersten Atombombentests nach dem Zweiten Weltkrieg haben gezeigt, wie unbedarft viele an die Sache heran gegangen sind. Viele waren einfach nur faszinert von der ungeheuren Sprengkraft.

    Ja, und dabei haben sie vergessen, daß das nur ein Teil der Wirkung ist. Wie ein vergifteter Pfeil.

    Kernwaffen sind natürlich gesichert gegen unbefugten Einsatz.

    Du meinst, es gibt befugten Einsatz? Wer von uns beiden ist hier der Zyniker?

    Den Toten ist egal, ob sie verstrahlt, verdampft, erschossen oder erstochen wurden oder ob sie schlichtweg verhungert sind.

    Interessant. Dir ist vielleicht mal aufgefallen, daß die Toten, die durch Einsatz einer Nuklearwaffe zu beklagen sind, nicht annähernd so genau einzugrenzen sind wie die Opfer anderer … öh … “Waffen”? Daß im Gegensatz zu Hungersnöten, die ziemlich genau eingrenzbar sind, wenn man das denn will, radioaktive Verseuchung immer eine ganze Planetenhälfte trifft? Du bist da offenbar sehr kurzsichtig und denkst auch nur an die ungeheure Sprengkraft. Das ist ein Fehler.

    Aber wenn du tatsächlich so zynisch bist, dass dir die möglichen toten GIs infolge einer Landung egal sind, wären dir Millionen konventionell getöteter japanische Zivilisten wirklich lieber als einige hunderttausend Atombombenopfer?

    Och bitte, werd jetzt nicht langweilig. Wie aus meinem Text klar hervorgeht, ist den Machthabern schon immer egal gewesen, wieviele Soldaten verrecken. Und mal ganz ernsthaft: wenn es die Atombombe nicht gegeben hätte – was hätte passieren müssen? Invasion? Wozu? Alle japanischen Schiffe zerkloppen, dann abwarten. Wenn die Japaner das als Sieg empfunden hätten – wen interessierts? Alle anderen Anrainer des Westpazifiks hätten ihre Ruhe gehabt, und die japanische Bevölkerung kann sich in Ruhe überlegen, ob sie ihren Kaiser noch weiter regieren lassen will oder mal vernünftig werden. Und die USA hätten Größe zeigen und auf das unbedingt-Krieg-spielen-müssen verzichten können. Ich versteh das Problem nicht.
    Oh, und

    Im Gegensatz zu Japan oder Deutschland waren die USA damals schon eine Demokratie, und das waren keine Untertanen, die an die Front geschickt wurden, sondern Bürger, die ihre Mitbürger vor einem Feind beschützen wollen bzw. sollten.

    Denk bitte nochmal über das militärische Engagement der USA in 179 Staaten dieser Welt nach und frag dich dann selbst nochmal, ob du das ernst meinst.

  24. #24 Karl-Heinz
    11. Juli 2019

    @Bullet

    Auflösung ist da egal.

    Im Link von PDP10 steht folgendes.

    Weithin sichtbar, sollte ein gigantischer Atompilz die technische Überlegenheit der USA beweisen.

    Die Bombe, so der Plan, würde mit einer Rakete auf die dunkle Seite des Mondes katapultiert werden, um dort beim Aufprall zu detonieren. Und zwar so, dass die hierbei entstehende gigantische Staubwolke, von der Sonne angestrahlt, bis hin zur Erde sichtbar gewesen wäre.

    Ich hoffe du verstehst jetzt, warum die Auflösungnicht ganz so egal ist, wie du meinst. Man braucht schon einen Atompilz sehr viel größer als 56 km, um seine Form bewundern zu können. 😉

  25. #25 Spritkopf
    11. Juli 2019

    Hier ein Spiegel-Artikel aus dem Jahre 1958 (!), der gleichfalls schon die Möglichkeit erwähnt, aus Propagandagründen eine Atombombe auf dem Mond explodieren zu lassen.

    Der Artikel ist auch deswegen interessant, weil man viel über die Zukunftsvisionen der Menschen im anbrechenden Raumfahrtzeitalter erfährt.

  26. #26 Bullet
    11. Juli 2019

    @Karl-Heinz: doof eben nur, daß da kein Atompilz entsteht. 😀
    Wobei mich jetzt ehrlich interessieren würde, wie der Pilz der Tsar-Bombe vom Mond aus ausgesehen hätte … hmmm …

  27. #27 Karl-Heinz
    11. Juli 2019

    @Bullet

    Ein Atompilz wird nicht entstehen, aber ein bisschen Staub und Geröll wird sehr wohl hochgeschleudert. Das Ganze sollte sehr viel größer als 56 km sein, wenn man, abgesehen vom Atomblitz, etwas von der Erde aus sehen will.

  28. #28 Captain E.
    12. Juli 2019

    @Bullet:

    […]

    Was du jetzt wiederum zu vergessen scheinst, ist der Grund, warum deutsche Ziele in den Zielkoordinaten sowjetischer Targetcomputer eingespeist waren: weil US-Atomwaffen hier stehen. Wenn die UdSSR Krieg gegen die USA führen will, dann verballert sie nicht ohne triftigen Grund ihre Atombomben direkt vor ihrer Haustür. Der Dreck, den sie da aufwirbeln, kommt nämlich stante pede zurück – solches vermeidet man gern und geht nur bei genügend hoher Motivation drüber weg. Das war der Grund, warum die Zivilbevölkerung in den 80ern keine Stationierungen von US-Nuklearwaffen in Deutschland wollte.

    Ich fürchte, du bist jetzt zumindest teilweise auf die Sowjetpropaganda hereingefallen. Die haben sich da drüben nämlich genauso wie wir die Möglichkeit offengelassen, als erst nuklear loszuschlagen. Meine Division, heute längst aufgelöst, beispielweise war direkt mal Ziel von 14 sowjetischen Kernwaffen. Wären wir den Sowjets also rein konventionell zu unangenehm geworden, hätten sie halt versucht, und nuklear auszuschalten.

    Und der vollständige Rückzug der US-Truppen, den die Friedensaktivisten damals auch gefordert haben, hätte eher früher als spätter zur deutschen Widervereinigung geführt, dann aber mit der SED als der Regierungspartei. Das hätte ich aber ganz sicher nicht haben wollen.

    Dass wir als als Frontstaat direkt am Eisernen Vorhang eine Scheißposition hatten, war uns damals aber allen ziemlich klar.

    Ja, und dabei haben sie vergessen, daß das nur ein Teil der Wirkung ist. Wie ein vergifteter Pfeil.

    Stimmt, wobei auch hier die Dosis das Gift macht. Der einzige Kernwaffeneinsatz in einem bewaffneten Konflikt hat uns unberührt gelassen. Was mit Sicherheit auch in Deutschland zu etlichen Krebsfällen geführt hat, das waren die Jahre des Testens.

    Irgendein britischer Premierminister wurde vom damaligen Sowjetführer, ich denke es war Chruschtschow, gefragt, mit wievielen Atombomben Großbritannien zerstört werden könn. Der Premier schätzte, dass ein halbes Dutzend ausreichen müsste. Chruschtschow antwortete, dass ihn nun vielleicht seinen Generäle hinrichten würden, aber er könne ihm versichern, dass es erheblich mehr seien.

    Aber mal ganz ehrlich: Sechs Atombomben würden das Vereinigte Königreich sicherlich noch lange nicht “zerstören”. Die weltweiten Arsenale im Kalten Krieg und im Grunde noch heute reichen bestimmt für einen globalen Overkill, aber das wäre eben bei weitem noch nicht ausreichend gewesen, trotz Nachwirkungen durch den Fallout.

    Du meinst, es gibt befugten Einsatz? Wer von uns beiden ist hier der Zyniker?

    Du hast damit angefangen, dass Atomwaffen ungesichert seien.

    Interessant. Dir ist vielleicht mal aufgefallen, daß die Toten, die durch Einsatz einer Nuklearwaffe zu beklagen sind, nicht annähernd so genau einzugrenzen sind wie die Opfer anderer … öh … “Waffen”? Daß im Gegensatz zu Hungersnöten, die ziemlich genau eingrenzbar sind, wenn man das denn will, radioaktive Verseuchung immer eine ganze Planetenhälfte trifft? Du bist da offenbar sehr kurzsichtig und denkst auch nur an die ungeheure Sprengkraft. Das ist ein Fehler.

    Tja, und du denkst direkt an den umfassenden nuklearen Weltkrieg mit hunderten von Detonationen. Den würde auch auf der anderen Halbkugel auf lange Sicht wohl niemand überleben.

    Dazu eine andere Anekdote. Helmut Schmidt war in Moskau, und Leonid Breschnew ließ eine Karte bringen mit Stationierungsorten. Die beiden WK II-Teilnehmer starrten auf diese Karte, bis Breschnew sie mit den Worten “Was ist das nur für eine Scheiße?” vom Tisch fegte.

    Aber da wir ja mit dem Einsatz gegen Japan begonnen hatten, folgende Überlegung: Wann ist wohl dem ersten US-Politiker oder Offizier die Erkenntnis gekommen, dass der Einsatz von Kernwaffen gegen einen Gegner, der selber über welche verfügt, praktisch ausgeschlossen ist? Und das zugleich der Einsatz gegen nicht damit bewaffnete Gegner eine moralische Bankrotterklörung und zugleich ein absolutes PR-Desaster wäre? Mit anderen Worten: Dass der Angriff auf Nagasaki bereits der letzte Kriegseinsatz von Kernwaffen gewesen ist?

    Och bitte, werd jetzt nicht langweilig. Wie aus meinem Text klar hervorgeht, ist den Machthabern schon immer egal gewesen, wieviele Soldaten verrecken.

    Bullet, meine Meinung von dir ist echt gerade im Sinkflug! Wo hast du denn diesen Propagandamüll her? Die “Blutpumpe” des Ersten Weltkriegs haben die Amerikaner bereits nicht mehr mitgemacht, weil sie die Lektion des industriellen Kriegs im Bürgerkriegs verpasst gekommen haben. Die europäischen Generäle waren damals einfach zu blöd, um diese Lektion von der anderen Seite des Atlantiks zu verstehen.

    Der Zweite Weltkrieg hat den Amerikanern natürlich einen hohen Blutzoll abgefordert wie seither niemals wieder, aber angesichts solcher durchgeknallten Gegner wie Japan oder Deutschland haben sie ihn akzeptiert. Das heißt aber natürlich nicht, dass sie unnötigerweise ein paar hunderttausend weitere GIs haben opfern wollen, und die Vorstellung, Millionen von Japanern töten zu müssen, erschien den militärischen und politischen Führern auch nicht allzu attraktiv.

    Oder glaubst du ernsthaft, die Amerikaner hätten ihre Meinung zum Verlust von Soldaten irgendwann zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Vietnamkrieg entscheidend geändert? Im Koreakrieg etwa? Den Vietnamkrieg haben die USA nämlich nicht deswegen aufgegeben, weil Nordvietnam militärisch gewonnen hätte, sondern weil sie keinen Sinn mehr darin gesehen haben, weitere Menschen zu opfern. Die US-Verlustzahlen waren aber trotz der wesentlich längeren Dauer mit denen des Zweiten Weltkriegs nicht annähernd zu vergleichen. Zynische Führer, denen Verluste total egal wären, hätten einfach weitergemacht – notfalls bis heute.

    Und mal ganz ernsthaft: wenn es die Atombombe nicht gegeben hätte – was hätte passieren müssen? Invasion? Wozu? Alle japanischen Schiffe zerkloppen, dann abwarten. Wenn die Japaner das als Sieg empfunden hätten – wen interessierts? Alle anderen Anrainer des Westpazifiks hätten ihre Ruhe gehabt, und die japanische Bevölkerung kann sich in Ruhe überlegen, ob sie ihren Kaiser noch weiter regieren lassen will oder mal vernünftig werden. Und die USA hätten Größe zeigen und auf das unbedingt-Krieg-spielen-müssen verzichten können. Ich versteh das Problem nicht.

    Ich weiß die Antwort! Japan hätte seine eigenen Atomwaffen entwickelt und den Krieg wieder aufgenommen! Auch keine schöne Vorstellung, nicht wahr? Ein kaiserliches militaristisches Japan, das einen nuklearen Kamikaze auf der Welt verteilt?

    Oh, und

    Denk bitte nochmal über das militärische Engagement der USA in 179 Staaten dieser Welt nach und frag dich dann selbst nochmal, ob du das ernst meinst.

    Jetzt bleib mal ernsthaft! Was hat das politische System der USA mit ihrem militärischen Engagement zu tun? Bei allem, was wir in Deutschland an den USA als skurril empfinden, sind sie schon wesentlich länger eine Demokratie als wir. Nur empfinden die Amerikaner es halt so, dass sie ihre Kriege in der Regel gewinnen, und das tun sie ja auch – egal was danach zumeist geschieht. Aber wie sagte schon Charlie Wilson, der Initiator der sowjetischen Niederlage in Afghanistan: :Diese Dinge passierten. Sie waren ruhmreich und änderten die Welt … und dann versauten wir das Endspiel:” Und das war nicht das einzige Mal, aber eine Demokratie ist das Land trotzdem.

    Übrigens: Uns Deutsche halten manche, womöglich sogar viele, Amerikaner auch für sehr merkwürdig. Wir sind angeblich nach wie vor militaristisch und kriegslüstern, wollen aber bei den “gerechten Kriegen” der Amerikaner nie mitmachen, wir feigen Weicheier. Und natürlich ist aus Deutschland noch niemals etwas gutes gekommen. Die deutsche Demokratie ist natürlich bei weitem nicht so gefestigt wie die amerikanische und wir warten quasi nur darauf, uns unserem nächsten Führer zu unterwerfen.

  29. #29 Daniel Rehbein
    Dortmund
    19. Juli 2019

    Mir ist in der Überschrift die Formulierung “in die Luft sprengen” aufgefallen. Der Mond hat ja keine Athmosphäre, deshalb kann man dort nichts “in die Luft” sprengen.

    Mit ist das hier wohl auch deshalb aufgefallen, weil ich selbst kürzlich so eine ähnliche Formulierung benutzt habe, bei der mir erst später bewusst geworden war, daß sie unsinnig war.

    Ich hatte darüber gesprochen, daß es nicht möglich ist, bei der Reise zu anderen Planaten oder gar zu anderen Sonnensystemen permanent zu beschleunigen. Da hatte ich (ungefähr) gesagt: Das ist ja nicht wie bei einem Kraftfahrzeug, daß durch die Reifendrehung auf dem Asphalt beschleunigt. Zwischen den Planeten und Sternen ist ja nichts, da liegen auch keine Schienen, da ist einfach nur Luft.

    Erst später wurde mir bewusst, daß ich “Luft” gesagt habe, wo ich eigentlich leeren Raum gemeint habe. In der Umgangssprache steht ja “Luft” tatsächlich für etwas leeres. Wenn ein Gegenstand nicht an einen anderen anstößt, dann sagt man “er hat Spiel” oder “er hat Luft”. Und damit bezieht man sich nicht auf ein bestimmtes Gemisch aus Sauerstoff, Stickstoff und ein paar weiteren Gasen, sondern einen bloßen Abstand.

    Aber im Bereich von Weltraumthemen ist das natürlich irreführend. Man könnte denken, ich hätte nicht verstanden, wie das Universum aufgebaut ist, wenn ich davon spreche, daß zwischen Himmelkörpern Luft ist. Andrerseits gibt es in unserer Sprache bestimmte Formulierungen, wo “Luft” synonym steht für “freier Platz” oder “leerer Raum”.

    Ich weiß auch nicht so recht, wie ich aus diesem Dilemma herauskomme, wenn ich in Alltagssprache etwas erklären will. Vielleicht hat jemand einen Rat?

  30. #30 Florian Freistetter
    20. Juli 2019

    @Daniel: “Ich weiß auch nicht so recht, wie ich aus diesem Dilemma herauskomme, wenn ich in Alltagssprache etwas erklären will. Vielleicht hat jemand einen Rat?”

    Man muss schon sehr engstirnig sein, um aus der Phrase “in die Luft sprengen” zu folgern, jemand wolle behaupten der Mond befände sich in einer von Luft umgebenen Umgebung. Das versteht wirklich nur der falsch, der es falsch verstehen will. Insofern sehe ich da kein Dilemma.

  31. #31 Dietmar Steinhaus
    Walsrode
    21. Juli 2019

    @Bullet und Captain E.: Das war/ist(?) eine der spannendsten Diskussionen hier!