Der Physik-Nobelpreis des Jahres 2019 geht an die Schweizer Michel Mayor und Didier Queloz “für die Entdeckung eines extrasolaren Planeten eines sonnenähnlichen Sterns” (Und an James Peebles für seine kosmologische Arbeit, aber dazu mehr an anderer Stelle). Ich sage schon seit Jahren vorher, dass die beiden den Nobelpreis kriegen sollen – hier im Blog habe ich das das erste Mal vor 10 Jahren getan – und jetzt stimmt es endlich einmal. Aber haben die beiden Astronomen den Preis auch zu Recht bekommen?
Kurz zusammengefasst: Mayor und Queloz haben im Jahr 1995 die Entdeckung eines Planeten verkündet, der den Stern 51 Pegasi umkreist. Es war der erste bekannte Planet der einen anderen Stern als die Sonne umkreist und seit damals haben wir tausende weitere solcher Himmelskörper bei jeder Menge anderer Sterne gefunden. Die Erforschung der Planeten anderer Sterne hat die Astronomie massiv revolutioniert und unser Bild vom Universum dramatisch verändert. Diese Entdeckung ist absolut würdig, mit einem Nobelpreis ausgezeichnet zu werden.
Aber waren Michel Mayor und Didier Queloz wirklich die ersten? Was ist zum Beispiel mit Aleksander Wolszczan und Dale Frail. Die beiden haben im Jahr 1992 die Entdeckung eines Planeten bekannt gegeben, der den “Stern” mit der Bezeichnung PSR B1257+12 umkreist. Nur dass PSR B1257+12 eben kein echter Stern ist, sondern das, was von einem Stern übrig bleibt nachdem er aufgehört hat, ein Stern zu sein. Es handelt sich um einen “Neutronenstern”, den extrem dichten Überrest eines ehemals großen Sterns. Man kann auch darüber diskutieren ob die Planeten die damals entdeckt worden sind, echte “Planeten” sind. Vermutlich sind sie erst entstanden, nachdem der Stern bei einer gewaltigen Supernova-Explosion zu einem Neutronenstern wurde und haben sich aus den Trümmern gebildet, die dabei übrig geblieben sind. Wir wissen heute auch, dass solche “Pulsarplaneten” extrem selten sind. Sie sind eine kosmische Kuriosität und zwar durchaus wichtig für die Forschung. Aber eben nicht das, was wir meinen wenn wir “Planeten anderer Sterne” sagen und sie haben die Astronomie und unser Bild vom Kosmos auch keinesfalls auf die gleiche Weise revolutioniert wie es die Entdeckung von Mayor und Queloz getan hat.
Ich habe die Geschichte der Pulsarplaneten in einer Folge meines Podcasts genauer erklärt; wer mehr dazu wissen will kann gerne reinhören:
Aus meiner Sicht – und offensichtlich auch aus Sicht des Nobelpreiskomitees – sind Wolszczan und Frail also keine Anwärter die Mayor und Queloz den Physikpreis streitig machen können. Aber was ist mit den anderen “Entdeckungen” von extrasolaren Planeten, die vor 1995 verkündet worden sind? Den von denen gibt es einige! Nach den Planeten anderer Sterne hat die Wissenschaft schon seit Jahrhunderten gesucht; ich habe darüber ausführlich in meinem Buch “Die Neuentdeckung des Himmels” erzählt. Immer wieder wurden entsprechende Entdeckungen verkündet und immer wieder stellten sie sich als falsch heraus. So richtig ernsthaft begann die Suche nach den extrasolaren Planeten aber erst in den 1980er Jahren.
Und 1987 haben die kanadischen Astronomen Bruce Campell, Gordon Walker und Stephenson Yang eine kurze Notiz mit dem Titel “A Search for Brown Dwarf or Planetary-mass Companions to Solar-type Stars with High Precision Radial Velocities” veröffentlicht. Darin berichten sie von ihrer Beobachtung von 15 Sternen bei denen sie nach einem charakteristischen “Wackeln” gesucht haben, das auf die Existenz von Himmelskörpern hindeutet, die den Stern umkreisen und mit ihrer Gravitationskraft beeinflussen. In den Daten war, wie sie schreiben, nichts, was eindeutig auf einen Planeten hindeutet. Sie schreiben allerdings von nicht ganz eindeutigen Messwerten die, sofern sie sich als real herausstellen, auf Objekte hindeuten, die den Stern umkreisen und deren Masse ungefähr im Bereich der Jupitermasse liegt. Das, was da veröffentlicht worden ist, war also definitiv keine “Entdeckung”. Aber ein guter Hinweis, dass es sich lohnt, weiter zu suchen.
Ein Jahr später ist die Lage immer noch nicht klarer, in einem ausführlicheren Artikel (“A search for substellar companions to solar-type stars”) aus dem Jahr 1988 schreiben die drei Kanadier am Ende, dass die Daten tatsächlich die Existenz von Planeten anderer Sterne nahelegen könnten – aber “additional information is required before a firm conclusion on the nature of these companions can be reached”. Sie hatten also noch nicht genug Daten um in der Öffentlichkeit die Entdeckung eines Exoplaneten zu verkünden. Und 1995 schreiben sie in einer weiteren Arbeit (“A search for Jupiter-mass companions to nearby stars.” sogar explizit:
“When our negative result is combined with other searches, one can say that, so far, no planets of the order of a Jupiter-mass or greater have been detected in short-period, circular orbits around some 45 nearby, solar-type stars. This absence presents an interesting challenge to theories of planet formation.”
Die Kanadier sagten also öffentlich, dass ihre Daten keine Entdeckung eines Exoplaneten hergeben. Der Zeitpunkt ist fast ein wenig tragisch, denn nur kurz danach kam die Veröffentlichung der jetzigen Nobelpreisträger Mayor und Queloz die ganz explizit die Entdeckung eines solchen Planeten verkündet haben. Bis jetzt wäre das alles zwar sehr interessant, aber in Sachen Nobelpreis nicht weiter kontrovers. Die Entdecker kriegen den Preis, die, die nichts entdeckt haben, kriegen nichts. Nur dass die Kanadier eben doch etwas “entdeckt” haben. Die Existenz von drei Planeten bei drei anderen Sternen (Epsilon Eridani, Gamma Cephei und Beta Geminorum) wurde zwischen 2000 und 2006 von anderen Astronomen bestätigt. Planeten, deren Existenz sich auch schon in den Daten der Kanadier aus den 1980er Jahren angedeutet hat.
Haben nun also Campell, Walker und Yang in Wahrheit als erste die Planeten anderer Sterne entdeckt? Haben Mayor und Queloz den Nobelpreis zu Unrecht bekommen? Nein – das ist zumindest meine Meinung. Die Kanadier waren (und sind) gute Wissenschaftler. Hätten ihre Daten die zweifelsfreie Entdeckung eines Planeten hergeben, hätten sie das auch entsprechend verkündet. Die Daten waren aber nicht gut genug. Erst über ein Jahrzehnt später konnten andere bestätigen, dass in den Daten der Kanadier etwas zu finden war. Und davor haben eben Mayor und Queloz “ihren” Planeten entdeckt. Diesmal mit Daten, die gut genug waren um eine Entdeckung zu verkünden. Natürlich, es gab auch 1995 jede Menge Kritik und Kontroverse. Der Planet von 51 Pegasi war seltsam; mit so etwas hat man damals nicht gerechnet. Es gab Diskussionen – aber Mayor und Queloz konnten alle Angriffe durch wissenschaftliche Argumente kontern und am Ende ausreichend überzeugend darlegen, dass ihre Entdeckung eine Entdeckung ist.
Die Geschichte der Wissenschaft ist nie so klar, wie man sie gern hätte oder wie sie oft erzählt wird. Keine Entdeckung kommt aus dem Nichts, es gibt immer die Arbeit anderer auf denen aufgebaut wird. Das war auch bei Mayor und Queloz der Fall. Aber was den Nobelpreis 2019 angeht sehe ich keinen Grund zur Kontroverse. Diejenigen, die als erste zweifelsfrei den Planeten eines anderen Sterns entdeckt haben; diejenigen deren Entdeckung der Anfang einer astronomischen Revolution war, haben den Preis bekommen. Die Geschichte von Wolszczan und Frail und ihren Pulsarplaneten; die Geschichte der Kanadier und all die anderen Geschichten über die lange Suche nach den Welten andere Sterne sollten auf jeden Fall nicht ignoriert werden. Sie sind spannend und sie sind wichtig wenn man verstehen will, was eigentlich passiert ist. Den Nobelpreis haben sich Michel Mayor und Didier Queloz aber zu Recht verdient.
Mehr Information
Mit den Planeten anderer Sterne habe ich mich in diesem Blog im Laufe der Jahre immer wieder und sehr ausführlich beschäftigt. Den besten Überblick gibt vermutlich eine Artikelserie aus dem Jahr 2013:
- Teil 1: Im ersten Teil geht es um die frühen Versuche, extrasolare Planeten zu finden, die leider alle erfolglos blieben.
- Teil 2: Der zweite Teil erzählt von den ersten Entdeckungen. Man fand zwar keine Planeten, aber dafür andere interessante Sachen, die fremde Sterne umkreisen.
- Teil 3: Der dritte Teil handelt von der Entdeckung der ersten Planeten, die andere Sterne umkreisen. Die Planeten waren allerdings ziemlich seltsam und die Sterne tot.
- Teil 4: Im vierten Teil fand man dann endlich echte Planeten die normale Sterne umkreisen. Die Planeten waren aber immer noch höchst seltsam.
- Teil 5: Der fünfte Teil erzählt die super Geschichte der Supererden; Planeten, die es in unserem Sonnensystem nicht gibt, anderswo dafür aber sehr zahlreich sind.
- Teil 6: Der sechste Teil handelt von der Suche nach der zweiten Erde, die lange aussichtslos war, aber bald erfolgreich sein könnte.
- Teil 7: Der siebte und letzte Teil schließlich fasst die Entdeckungen der letzten beiden Jahre zusammen, die uns zeigen, dass Planeten ein völlig normaler Bestandteil des Universums sind.
Wer es wirklich sehr ausführlich haben will, kann mein Buch “Die Neuentdeckung des Himmels”* lesen, in dem ich die ganze jahrtausendelange Suche nach fremden Welten und fremden Leben erzähle.
Auch in meinem aktuellen Buch “Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen”* habe ich 51 Pegasi ein eigenes Kapitel gewidmet (und erzähle auch von Pulsarplaneten und diversen anderen Episoden aus der Exoplanetenforschung).
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