Gestern wurde der Physik-Nobelpreis an Michel Mayor und Didier Queloz verliehen und zwar für die Entdeckung des ersten Planeten der einen anderen Stern als unsere Sonne umkreist (ausgezeichnet wurde auch James Peebles, aber für ein anderes Thema über das ich ein anderes Mal mehr schreiben werde). Ich habe die Verleihung auch gleich gestern kommentiert und erklärt, warum sie absolut gerechtfertigt erfolgt ist. Heute möchte ich noch ein bisschen mehr zur Arbeit von Mayor und Queloz sagen. Denn passenderweise gibt es genau dazu ein Kapitel in meinem aktuellen Buch “Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen”. Und zwar Kapitel 13, mit dem Titel “51 Pegasi – Eine Antwort auf eine jahrtausendealte Frage”. 51 Pegasi ist der Stern bei dem Mayor und Queloz ihren Planeten entdeckt haben und weil es jetzt ein nobelpreiswürdiger Stern ist, möchte ich das entsprechende Kapitel des Buchs gerne für alle öffentlich machen.
51 Pegasi – Eine Antwort auf eine jahrtausendealte Frage
»Ob es nur eine Welt oder viele Welten gibt, ist eine der erstaunlichsten und nobelsten Fragen der Natur. Es ist eine Frage, die der menschliche Geist aus sich selbst heraus verstehen will.« Das schrieb der deutsche Bischof und Gelehrte Albertus Magnus im 13. Jahrhundert. Die Antwort auf diese erstaunliche und noble Frage fand man jedoch erst über 700 Jahre später – beim Stern 51 Pegasi.
Die Frage nach der Existenz »anderer Welten« beschäftigt die Menschen seit Jahrtausenden. Schon die Vorsokratiker im antiken Griechenland haben darüber spekuliert, ob die Erde die einzige »Welt« sei oder nur eine von vielen. Vom Atomisten Demokrit etwa sind Aussagen über unbeschränkte Welten in unbeschränkter Ausdehnung überliefert, von denen manche mehr, andere weniger Sonnen und Monde aufweisen sollten als unsere. Die Diskussion über diese Fragen setzte sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte fort und beschäftigte durch das Mittelalter und die frühe Neuzeit hindurch die Philosophie ebenso wie die Theologie. Aber egal, ob man nun »Gott« oder die Natur ins Feld führte: Eine definitive Antwort war nicht zu finden.
Man konnte zwar theologisch argumentieren, etwa damit, dass in der Bibel keine Rede von anderen Welten sei und diese deswegen nicht existieren können. Oder dass im Gegenteil ein allmächtiger, allgegenwärtiger, unendlicher »Gott« gar nicht anders könne, als unendlich viele Welten zu erschaffen. Theologen, Philosophen und Naturforscher fanden über die Jahrhunderte zahllose Gründe, für und gegen die Existenz anderer Welten zu argumentieren. Aber mehr als Streit, Spekulation
und Diskussion war nicht möglich. Dazu verstand man noch zu wenig von der Welt.
Zunächst musste überhaupt einmal erkannt werden, dass die Erde ein Planet ist, der die Sonne, einen Stern, umkreist. Man musste herausfinden, dass es sich auch bei den vielen Lichtpunkten am Himmel um Sterne handelte, ähnlich unserer Sonne, nur viel weiter entfernt. Man musste verstehen, wie Sterne und Planeten entstehen können, und man brauchte die Instrumente, um sie untersuchen zu können. Deswegen dauerte es bis in die 1980er-Jahre, bevor sich Wissenschaftler daran machen konnten, ernsthaft nach »anderen Welten« zu suchen. Oder wie wir heute dazu sagen: nach extrasolaren Planeten, also nach Planeten, die andere Sterne und nicht unsere Sonne umkreisen.
Man wusste, dass es diese prinzipiell geben könnte. Aber da man noch nicht im Detail verstanden hatte, wie und unter welchen Umständen Planeten entstehen, war auch unklar, wie viele von ihnen es gibt. Vielleicht war die Sonne mit ihren acht Planeten ja ein kosmischer Spezialfall? Man machte sich trotzdem auf die Suche, und so wetteiferten astronomische Arbeitsgruppen aus den USA und aus Kanada in den 1980er- und 1990er-Jahren um die Ehre, den ersten extrasolaren Planeten
zu finden.
Die Sieger im Rennen der Planetenjäger waren dann jedoch zwei Außenseiter: Michel Mayor von der Universität Genf und sein Doktorand Didier Queloz. Im April 1994
nahmen sie mit ihrem Teleskop den Stern 51 Pegasi ins Visier: 50 Lichtjahre von uns entfernt, im Sternbild Pegasus, ein wenig größer und älter als die Sonne. Mit bloßem Auge ist der Stern unter den richtigen Umständen gerade noch sichtbar – den Planeten, den die beiden Schweizer dort entdeckten, kann man ohne technische Hilfsmittel aber natürlich nicht sehen. Mit technischen Hilfsmitteln im strengeren Sinne übrigens auch nicht: Mayor und Queloz entdeckten den Himmelskörper indirekt, weil sie bemerkten, dass der Stern auf eine ganz bestimmte Art und Weise hin und her wackelte. Denn jeder Planet übt eine, wenn auch sehr geringe, Gravitationskraft auf
den Stern aus, während er ihn umkreist, wodurch sich der Stern ein klein wenig hin und her bewegt. Dieses Wackeln lässt sich durch eine Analyse des Sternenlichts messen, und daraus kann man Masse und Umlaufbahn des Planeten ableiten.
Wer aber behauptet, die Antwort auf eine jahrtausendealte Frage gefunden zu haben, muss sich wohl ein paar skeptische Blicke gefallen lassen. So auch Mayor und Queloz, deren Entdeckung anfangs misstrauisch beäugt wurde. Die Existenz des fraglichen Planeten ist inzwischen jedoch mehrfach durch unabhängige Beobachtungen bestätigt worden. Er ist doppelt so groß wie Jupiter, nur halb so schwer – aber genauso real. Und damit war endlich klar: Ja, es gibt andere Welten! Auch andere Sterne werden also von Planeten umkreist, und 51 Peasi war der erste Stern, der uns diese lange gehegte Vermutung bestätigt hat. Er war daher auch einer der Sterne, die 2015 von der Internationalen Astronomischen Union einen neuen Namen bekommen haben. Seitdem heißt er – kaum überraschend angesichts der Nationalität der Planetenentdecker – »Helvetios».
Hörbuch
Da mein Buch ja auch als Hörbuch (von mir gelesen) erhältlich ist, habe ich auch das entsprechende Kapitel daraus veröffentlicht. Einerseits als Sonderfolge meines Sternengeschichten-Podcasts, andererseits auch auf YouTube:
Mehr Infos
Das Buch gibt es zum Beispiel online hier (und überall sonst auch wo es Bücher gibt): Das Hörbuch ist online erhältlich (und überall sonst wo es Hörbücher gibt). Wer mich live über die Sterne in meinem Buch reden sehen und hören will, kann das an diesen Terminen tun:
- 15.10.19: Hochheim am Main (Buchhandlung Eulenspiegel): Infos/Tickets
- 16.10.19: Köln (MINT Festival): Infos/Tickets
- 19.10.19: Frankfurt (Open Books): Infos/Tickets
- 24.10.19: Kirchheim u. Teck (Buchhandlung Zimmermanns): Infos/Tickets
- 25.10.19: Essen (Bürgermeisterhaus): Infos/Tickets
- 08.11.19: Wien (Thalia W3): Infos/Tickets
- 09.11.19: Wien (Buch Wien): Infos/Tickets
- 10.12.19: Heidelberg (DAI): Infos/Tickets
Mit den Planeten anderer Sterne habe ich mich auch in diesem Blog im Laufe der Jahre immer wieder und sehr ausführlich beschäftigt. Den besten Überblick gibt vermutlich eine Artikelserie aus dem Jahr 2013:
- Teil 1: Im ersten Teil geht es um die frühen Versuche, extrasolare Planeten zu finden, die leider alle erfolglos blieben.
- Teil 2: Der zweite Teil erzählt von den ersten Entdeckungen. Man fand zwar keine Planeten, aber dafür andere interessante Sachen, die fremde Sterne umkreisen.
- Teil 3: Der dritte Teil handelt von der Entdeckung der ersten Planeten, die andere Sterne umkreisen. Die Planeten waren allerdings ziemlich seltsam und die Sterne tot.
- Teil 4: Im vierten Teil fand man dann endlich echte Planeten die normale Sterne umkreisen. Die Planeten waren aber immer noch höchst seltsam.
- Teil 5: Der fünfte Teil erzählt die super Geschichte der Supererden; Planeten, die es in unserem Sonnensystem nicht gibt, anderswo dafür aber sehr zahlreich sind.
- Teil 6: Der sechste Teil handelt von der Suche nach der zweiten Erde, die lange aussichtslos war, aber bald erfolgreich sein könnte.
- Teil 7: Der siebte und letzte Teil schließlich fasst die Entdeckungen der letzten beiden Jahre zusammen, die uns zeigen, dass Planeten ein völlig normaler Bestandteil des Universums sind.
Wer es wirklich sehr ausführlich haben will, kann mein Buch “Die Neuentdeckung des Himmels”* lesen, in dem ich die ganze jahrtausendelange Suche nach fremden Welten und fremden Leben erzähle.
Mehr Termine unter: https://www.florian-freistetter.de/termine.html
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