Es passiert so viel in der Wissenschaft; da fällt es schwer den Überblick zu behalten. Ich tue zwar mein bestes um auf dem Laufenden zu bleiben – aber ab und zu rutscht natürlich auch mir etwas durch. Diesmal war es ein ausgewachsenes Weltraumteleskop, auf das mich aber zum Glück kürzlich ein Artikel im Online-Standard hingewiesen hat. Es geht um das “Roman Space Telescope (RST)”, das allerdings nicht von den Römern gebaut wird, sondern von der NASA. Und mit vollem Namen “Nancy Grace Roman Space Telescope”, benannt nach der Astronomin Nancy Roman. Was sie zu einer würdigen Patin für ein Teleskop macht, erzähle ich gleich. Vorher schauen wir aber noch kurz auf das, worauf das Teleskop schauen wird.
Eine der Aufgaben des RST wird die Erforschung der dunklen Energie sein. Das war auch der ursprüngliche Forschungsauftrag aus dem sich das RST-Projekt entwickelt hat. Aber mittlerweile sind die extrasolaren Planeten in den Fokus des RST gerückt. Von denen haben wir ja in den letzten 25 Jahren mehr als 4000 Stück; wir wissen aber, dass da draußen noch viel, viel mehr sind. Und das RST soll dabei helfen, unser Wissen über die Planeten anderer Sterne zu vervollständigen. Und nicht nur die: Auch die Planeten, die ohne Stern durch die Gegend fliegen soll das RST untersuchen.
Die gibt es tatsächlich, auf deutsch heißen sie “vagabundierende Planeten”; der Fachbegriff lautet “rogue planets”. Diese Himmelskörper die sich im dunklen, kalten interstellaren Raum weitab aller Sterne befinden, sind natürlich nicht dort entstanden. Dort gibt es viel zu wenig Material als dass sich große Planeten bilden könnten. Auch die vagabundierenden Planeten haben ihren Ursprung in Planetensystemen die sich um einen Stern herum gebildet haben. Aber nicht alles, was um einen Stern herum entsteht, bleibt auch dort. Gerade die Entstehungszeit eines Planetensystems ist eine sehr chaotische Periode. Es bilden sich im Allgemeinen viel mehr Himmelskörper als – zumindest dynamisch gesehen – Platz haben. Die jungen Planeten kommen sich gegenseitig in die Quere und “schubsen” sich regelrecht aus dem Planetensystem hinaus. Manche landen auch in der Sonne oder stoßen mit anderen Planeten zusammen. Ein paar werden aber eben auch in den interstellaren Raum geschleudert und verbringen fortan ihr Leben sternlos.
Solche Planeten sind natürlich schwer zu entdecken. Planeten leuchten nicht von selbst und die vagabundierenden Planeten können darüber hinaus nicht mal das Licht eines Sterns reflektieren. Was sie aber können, ist das Licht eines Sterns zu verbiegen! Das nennt sich “Mikrogravitationslinseneffekt” und ist eigentlich ganz simpel: Masse krümmt, wie wir seit Einstein wissen, den Raum. Lichtstrahlen folgen der Raumkrümmung. Wenn Licht in der Nähe einer großen Masse vorbeifliegt, kann die durch diese Masse verursachte Raumkrümmung also den Weg des Lichts verändern. Eine große Masse im All – ein Planet, ein Stern, etc – kann also im Prinzip genau das gleiche tun, wie ein optisches Bauteil aus Glas das wir in Teleskopen oder Mikroskopen verwenden. Diese Linsen nutzen die Eigenschaften des Materials um Lichtstrahlen zu manipulieren; bei den kosmischen Objekten ist es die Gravitation. Weswegen man sie in diesem Zusammenhang auch “Gravitationslinsen” nennt.
In der Realität funktioniert das dann so: Wenn sich ein vagabundierender Planet von uns aus gesehen genau vor einem Stern vorbei bewegt, dann kann dieser Planet als Linse wirken und kurzfristig das Sternenlicht verstärken. Weil er – vereinfacht gesagt – Lichtstrahlen in unsere Richtung “biegt”, die ansonsten die Erde nicht erreicht hätten. Ein Teleskop kann dann zwar den Planeten selbst nicht sehen, aber beobachten wie das Sternenlicht kurz heller wird. Und aus der Art und Weise wie der Stern heller und wieder dunkler wird, kann man Eigenschaften wie die Masse des Planeten berechnen
Wie gut das RST die Suche nach vagabundierenden Planeten erledigen kann, hat eine Studie kürzlich untersucht. Gasriesen mit der 100fachen Erdmasse kann das RST finden; aber auch Planeten die nur so viel Masse haben wie der Mars. Mindestens 250 vagabundierende Planeten soll das Teleskopen finden können, 60 davon mit einer Masse die kleiner ist als die der Erde. Abgesehen von diesen konkreten Entdeckungen wird man aus den Ergebnissen dann aber auch statistische Hochrechnungen über die gesamte Zahl an vagabundierenden Planeten in der Milchstraße durchführen können. Die wird derzeit auf ein einige 100 Milliarden bis zu einer Billion Stück geschätzt; mit RST werden wir es dann ein wenig genauer wissen.
Übrigens: Auch wenn das nach sehr vielen Planeten klingt (und auch sehr viele Planeten sind!), muss man sich keine Sorgen machen, dass die Dinger uns gefährlich werden können. Zwischen den Sternen ist halt einfach sehr, sehr, sehr, sehr viel Platz. Da fallen auch ein paar Billionen Planeten nicht weiter auf – die vagabundierenden Planeten sind keine Gefahr für die Erde!.
Durch die Ausnutzung des Mikrogravitationslinseneffekts wird das RST natürlich auch Planeten entdecken können, die ganz normal Sterne umkreisen. Und soll auch entsprechend ausgerüstet sein, um einige dieser Planeten direkt zu beobachten. Also in der Lage sein, Licht zu beobachten, dass der Planet selbst reflektiert. Daraus kann man dann ableiten, welche Bedingungen auf dem Planeten herrschen; welche Temperaturen dort herrschen; ob und welche Atmosphäre es dort gibt (allerdings wird das eher bei Gasriesen funktionieren und nicht bei erdähnlichen Planeten).
Das RST soll 2025 starten – und ich die Abkürzung “RST” erinnert nicht umsonst an “HST”. Was ja bekanntlich für “Hubble Space Telescope” steht, das bis jetzt berühmteste Weltraumteleskop. Und Nancy Roman, nach der das kommende Weltraumteleskop benannt wurde, hat durchaus einiges mit dem HST zu tun. Geboren wurde sie 1925; 1949 erhielt sie ihren Doktortitel in Astronomie (obwohl ihr während des Studiums ständig ausgeredet wurde, sich mit Naturwissenschaft zu beschäftigen). In ihrer Forschung untersuchte sie die unterschiedlichen Eigenschaften von Sternen in unterschiedlichen Regionen der Milchstraße und konnte damit die Entwicklungsgeschichte unserer Galaxis besser verstehen. 1960 wurde sie bei der frisch gegründeten NASA “Chief of Astronomy”; eine der ersten Frauen überhaupt die dort eine Führungsposition innehatten. Sie war an der Entwicklung diverser Satelliten und Weltraumteleskope beteiligt und hat von Anfang an die Idee von Lyman Spitzer unterstützt, ein wirklich großes Weltraumteleskop zu bauen. Ohne ihre Arbeit und Unterstützung wäre das Hubble-Teleskop nicht in der Form ins All geflogen, in der es heute immer noch dort seine Runden zieht. Weswegen sie immer wieder als “Mutter von Hubble” bezeichnet wird.
Ein neues Weltraumteleskop nach Nancy Roman zu benennen ist also absolut gerechtfertigt. Der Spiegel des RST wird 2,4 Meter groß sein; die Bildqualität wird in etwa so gut sein wie die von Hubble; das Bildfeld des RST wird allerdings 100 mal größer als das von Hubble sein. Beobachten wird es das Universum im Infrarotlicht und wenn es tatsächlich startet kommt das gerade noch rechtzeitig zum 100 Geburtstag von Nancy Roman (die allerdings schon 2018 starb). Und es bleibt nur zu hoffen, dass das Teleskop ins All fliegen kann. Nachdem das RST im “Astronomy and Astrophysics Decadal Survey von 2010 die höchste Priorität zugewiesen bekam, wollte Donald Trump das Projekt 2018 canceln. Die Proteste waren groß und der Kongress genehmigte dann doch ein entsprechendes Budget. 2019 wollte Trump dann der NASA erneut die nötigen Gelder nicht genehmigen. Ob und wann das Teleskop nun fliegen wird, wird sich zeigen. Aber es wäre schade, wenn so ein tolles Projekt am Boden bleiben müssten. Es gibt noch so viel da draußen, das wir noch nicht gesehen haben!
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