Letzte Woche wurde der Physik-Nobelpreis 2020 verliehen. Die eine Hälfte haben Reinhard Genzel und Andrea Ghez bekommen. Sie haben die Bewegung von Sternen im Zentrum unserer Galaxie untersucht und so nachweisen können, dass die Sterne ein Objekt umkreisen, das nur ein gewaltiges schwarzes Loch sein kann. Ein sogenanntes “supermassereiches schwarzes Loch” das mehr als 4 Millionen mal mehr Masse als unsere Sonne hat. Was Genzel und Ghez dabei genau getan haben, habe ich letzte Woche schon genauer erklärt. Das war aber, wie gesagt, nur die eine Hälfte des Nobelpreises. Die andere Hälfte hat der britische Mathematiker und theoretische Physiker Roger Penrose bekommen. Und zwar “, für die Entdeckung, dass die Bildung Schwarzer Löcher eine robuste Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie ist”.

Das klingt spannend, es klingt wichtig und man kann sich nicht so wirklich etwas darunter vorstellen. Und tatsächlich IST es spannend, es IST enorm wichtig und leider IST es auch sehr schwer, die Forschung von Penrose anschaulich zu erklären. Es geht dabei um etwas, das “Singularitätstheorem” heißt und ich sage gleich dazu, dass ich weit davon entfernt bin, ein Experte auf diesem Gebiet zu sein. Ich werde also Penroses Arbeit nicht im Detail erklären können. Aber zumindest einen groben Überblick sollte ich schaffen.

Die Arbeit am Singularitätstheorem begann in den 1960er Jahren. Und nicht nur Roger Penrose alleine hat daran gearbeitet sondern auch Stephen Hawking (der, wenn er nicht schon tot wäre, jetzt also genau so mit einem Nobelpreis geehrt werden müsste). Aber eigentlich fängt die Geschichte noch ein bisschen früher an, nämlich im Jahr 1915 als Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte. Also seine wissenschaftliche Beschreibung der Art und Weise wie Raum, Zeit, Masse und Gravitation zusammenwirken, mit der überraschenden Erkenntnis dass Masse die Raumzeit krümmt, Objekte bei ihrer Bewegung durch den Raum dieser Krümmung folgen und wir diese Bewegung im gekrümmten Raum als Gravitationskraft wahrnehmen.

Sir Roger Penrose (Bild: Biswarup Ganguly, CC-BY 3.0)

Schon kurz nachdem Einstein die mathematischen Gleichungen veröffentlicht hatte, mit denen man beschreiben konnte wie Raum und Zeit sich unter dem Einfluss von Massen krümmen, fand der Physiker Karl Schwarzschild die erste exakte Lösung dafür. Allerdings eine Lösung mit einem Problem, nämlich einer “Singularität”. Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass sich die Raumzeit unter Umständen so extrem krümmen kann, dass die Krümmung an einem Punkt unendlich groß wird. Betrachtet man zum Beispiel eine Masse – etwa einen kollabierenden Stern – der unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammenfällt, wird im Laufe der Zeit immer mehr Masse auf immer kleinerem Raum konzentriert. Dieser Kollaps geht immer weiter, bis irgendwann die gesamte Masse in einem einzigen Punkt vereint ist. Man hat dann also einen Punkt mit einer unendlich großen Dichte und einer daraus folgenden unendlich großen Raumkrümmung. Genau das nennt man “Singularität” und genau die war das Problem.

Erstens, weil man sich nicht darüber im Klaren war, ob das wirklich eine Folge von Einsteins Theorie zur Beschreibung der Gravitation war. Oder vielleicht doch nur eine Folge diverser Vereinfachungen die Schwarzschild machen musste, um seine Lösung zu finden. Oder anders gefragt: Sind Singularitäten nur ein mathematisches Überbleibsel der Art und Weise wie Einsteins Gleichungen behandelt wurden; ein Überbleibsel das nichts mit der Realität zu tun hat und ignoriert werden kann? Oder stecken die Singularitäten direkt in Einsteins Gleichungen mit drin?

Genau das ist es, was Penrose und Hawking mit dem Singularitäten-Theorem untersucht haben. Die mathematischen Details dieser Arbeit übersteigen meine Fähigkeiten. Im Wesentlichen geht es aber darum, dass man bestimmte, sehr einfache und “logische” Bedingungen aufstellt. Zum Beispiel die, dass die Gravitation immer nur anziehend wirkt (und nicht sowohl anziehend als auch abstoßend wirken kann, wie zum Beispiel die elektromagnetische Kraft). Oder dass die Raumzeit “chronologisch” ist, also kein Ereignis in seiner eigenen Zukunft oder Vergangenheit liegt. Es gibt noch ein paar weiterer solcher Bedingungen, die aber alle nicht sonderlich extrem oder außergewöhnlich sind und bei denen man durchaus davon ausgehen kann, dass sie im Universum erfüllt sind. Wenn nun diese Bedingungen gelten, so Penrose und Hawking, dann führt Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie zu Singularitäten. Eine Singularität ist also kein mathematische Absonderlichkeit die man ignorieren kann. Sondern folgt direkt aus Einsteins Gleichungen.

Bis jetzt habe ich das Wort “schwarzes Loch” noch nicht erwähnt. Aber daran kommt man natürlich nicht vorbei bei diesem Thema. Wenn ein großer, massereicher Stern am Ende seinses Lebens in sich zusammenfällt, dann wird er unter seinem eigenen Gewicht immer dichter und dichter. Ist die Masse groß genug, dann kennen wir keine Kraft, die diesen Kollaps aufhalten kann. Und dann passiert genau das, was nach Einstein, Penrose und Hawking passieren muss: Die gesamte Masse vereint sich in einem einzigen Punkt mit unendlich großer Dichte und unendlicher Raumkrümmung. Genau das hat das Nobelpreiskomitee gemeint, als es von der “Entdeckung, dass die Bildung Schwarzer Löcher eine robuste Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie ist” gesprochen hat.

Aufbau eines schwarzen Lochs (Bild: ESO)

Die Geschichte ist damit aber noch nicht zu Ende. Das Singularitätstheorem funktioniert nicht nur bei schwarzen Löcher. Stephen Hawking konnte 1966 zeigen, dass es auch auf das ganze Universum anwendbar ist. Also: Dass unser Kosmos selbst in der Vergangenheit eine Singularität hat; also einem Zustand unendlich großer Dichte entsprungen ist. Hawking hat gezeigt, dass in der Vergangenheit des Universums ein “Urknall” zu finden sein muss (wie ich hier ein wenig ausführlicher erklärt habe). Die Arbeit von Penrose und Hawking (und all ihrer Kollegen) hat uns sehr viel sehr spektakuläre und verwirrende Erkenntnisse über die Natur von Raum und Zeit gebracht. Der Nobelpreis ist absolut verdient. Auch wenn es so etwas wie eine “Singularität” in der Realität nicht geben kann. Schwarze Löcher sind keine Singularitäten, zumindest dann nicht, wenn man den Begriff im obigen mathematischen wörtlichen Sinne verwendet. Es kann im Kosmos keine Punkte geben; also Objekte die keine räumliche Ausdehnung haben. Es kann darüber hinaus keinen Punkt geben, dessen Dichte unendlich groß ist. Unendlichkeiten dieser Art können nicht existieren; darüber sind sich so gut wie alle Forscherinnen und Forscher einig. Das hat Konsequenzen: Penrose und Hawking haben gezeigt, dass die Singularitäten direkt aus Einsteins Beschreibung der Gravitation folgt. Sie sind dort quasi fix eingebaut. Und wenn es keine Singularitäten geben kann, dann folgt daraus: Einsteins Beschreibung der Gravitation und der Raumzeit ist nicht vollständig. Wir haben irgendeinen Aspekt der Angelegenheit noch nicht vernünftig verstanden; irgendetwas, was dazu führt, dass die Singularität eben nicht Auftritt.

Kurzer Einschub: Das alles bedeutet nicht, dass schwarze Löcher nicht existieren können. Wenn wir ein schwarzes Loch nicht mit der Singularität gleichsetzen, sondern es als Region in der Raumzeit bezeichnen, aus der nichts entkommen kann, dann gibt es die Dinger definitiv. Wir haben sie >indirekt nachgewiesen und direkt beobachtet. Es braucht keine unendlich hohe Dichte und Raumkrümmung damit aus einer Region nichts mehr entkommen kann. Sie muss nur groß genug sein, denn umso größer sie ist, desto schneller müsste man sein um dieser extrem gekrümmten Region der Raumzeit entkommen zu können. Und wenn diese benötigte Geschwindigkeit größer als die Lichtgeschwindigkeit ist, dann bleibt alles darin für immer gefangen. Die Grenze, an der die Raumkrümmung groß genug ist, nennt man “Ereignishorizont” und alles was sich dahinter befindet, ist für das Universum außerhalb davon verloren.

Penrose hat auch jede Menge andere coole Sachen in der Mathematik erforscht – zum Beispiel Parkettierungen (Bild: gemeinfrei)

Solche “Ereignishorizont-Objekte” haben wir im Universum nachgewiesen; sie sind real. Die offene Frage betrifft das, was sich dahinter befindet. Irgendwas muss mit der Masse hinter dem Ereignishorizont ja passieren. Sie kann nicht einfach verschwinden. Die Relativitätstheorie sagt uns, dass sie zu einem unendlich dichten Punkt kollabiert, was falsch sein muss. Also folgt daraus, dass die Relativitätstheorie nicht ausreicht, um das zu beschreiben, was hinter dem Ereignishorizont passiert. Eine über die Relativitätstheorie hinausgehende Theorie haben wir allerdings noch nicht. Obwohl sich viele Forscherinnen und Forscher seit Jahrzehnten damit beschäftigen; inklusive Roger Penrose. Seine mathematische Arbeit hat zum Beispiel zur Entwicklung der Schleifenquantengravitation beigetragen, einer Hypothese die die Relativitätstheorie mit der Quantenmechanik verbinden und eine Beschreibung des Universums finden will, in der keine Singularitäten auftauchen. Penrose hat auch die sogenannte “Cosmic Censorship”-These aufgestellt, also die Behauptung, dass es keine “nackten Singularitäten” geben kann. So eine “nackte Singularität” ist genau das, von dem ich vorhin gesprochen habe, ein Punkt der Raumzeit mit unendlicher Krümmung der NICHT von einem Ereignishorizont umgeben ist. Ob Penrose mit dieser Hypothese recht hat, ist nicht klar. Je nach mathematischem Modell lautet die Antwort mal “Ja” und mal “Nein” – solange wir keine Theorie haben, die über Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie hinaus geht, werden wir wohl auch keine definitive Antwort bekommen.

Kommentare (22)

  1. #1 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    12. Oktober 2020

    Saugefährlich, diese Schwarzen Löcher:

    „Die Beobachtungen zeigten, dass der Stern ungefähr die gleiche Masse wie unsere eigene Sonne hatte und dass er etwa die Hälfte davon an das schwarze Loch verlor, das über eine Million Mal massereicher ist“

    https://www.eso.org/public/germany/news/eso2018/

  2. #2 Adam
    Berlin
    13. Oktober 2020

    @ Florian:

    Auch wenn es so etwas wie eine “Singularität” in der Realität nicht geben kann. Schwarze Löcher sind keine Singularitäten, zumindest dann nicht, wenn man den Begriff im obigen mathematischen wörtlichen Sinne verwendet. Es kann im Kosmos keine Punkte geben; also Objekte die keine räumliche Ausdehnung haben. Es kann darüber hinaus keinen Punkt geben, dessen Dichte unendlich groß ist. Unendlichkeiten dieser Art können nicht existieren; darüber sind sich so gut wie alle Forscherinnen und Forscher einig.

    Ohne das anzweifeln zu wollen:
    Das verstehe ich nicht so ganz und habe es nie wirklich verstanden, egal in welche Richtung, ob pro der Existenz einer Singularität sprechend oder kontra. Warum nicht, warum genau kann es sie nicht geben?

    Wenn ich es richtig verstehe, wird beim Prozess der Verdichtung ja nicht nur der Raum, sondern auch die Zeit immer stärker gekrümmt. In einer Singularität gibt es dann beides nicht mehr, Ende der Reise, unverständlich. Okay. Doch was ist mit dem “Punkt” davor?

    Wenn ich mir eine Exponentialkurve anschaue, dann sehe ich, dass sie sich im Laufe der Zeit einer der beiden Achsen immer mehr nähert. Sie wird sie vielleicht nie erreichen, nie schneiden, kommt ihnen aber näher und näher und näher. Wir kennen doch ähnliche, nach meinem Verständnis zumindest prinzipielle Unendlichkeiten aus anderen Bereichen, z.B. die Fibonacci-Folge, fraktale Geometrie.

    Wenn ich das also auf Schwarze Löcher übertrage: würde dann die Verdichtung nicht auch immer weiter und weiter und weiter gehen, während die Zeit immer langsamer und langsamer und langsamer verläuft? Natürlich immer unter der Voraussetzung, dass sie tatsächlich ein Kontinuum ist und nicht körnig, nicht quantisiert, also ein analoger, stetiger Fluss, der auch unterhalb der Planck-Zeit noch weiterlaufen könnte, auch wenn wir dazu keine sinnvollen Aussagen leisten können, irgendwann vielleicht nicht mal mehr Ursache von Wirkung unterschieden bekämen.

    Und wenn ja, würde das dann heissen, dass die Singularität schon deswegen nicht existent sein kann, weil es diesen ominösen letzten “Punkt” davor nicht gibt? Oder könnte es sie doch geben, weil die sukzesssive Näherung von “aussen” betrachtet (jetzt mal rein abstrakt gedacht, nichts kehrt ja ausserhalb des Ereignishorizonts zurück) so aussähe, als wäre sie irgendwann erreicht?

    Und wer sagt uns, ob das Herz eines Schwarzen Loches wirklich noch Teil dieses Universums ist? Kannst du (oder jemand anders) das vielleicht etwas näher erläutern?

  3. #3 Karl-Heinz
    13. Oktober 2020

    @Adam

    Wenn ich mir eine Exponentialkurve anschaue, dann sehe ich, dass sie sich im Laufe der Zeit einer der beiden Achsen immer mehr nähert. Sie wird sie vielleicht nie erreichen, nie schneiden, kommt ihnen aber näher und näher und näher.

    Wenn ich das also auf Schwarze Löcher übertrage: würde dann die Verdichtung nicht auch immer weiter und weiter und weiter gehen, während die Zeit immer langsamer und langsamer und langsamer verläuft?

    Wenn Du in ein Schwarzes Loch fällst, dann erreichst Du in endlicher Eigenzeit bzw. in endlicher Zeit in Bezug zu einem mitbewegten Beobachter die Singularität. Beim Erreichen der Singularität endet für dich und natürlich auch für den mitbewegten Beobachter die Zeit. 😉

  4. #4 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    13. Oktober 2020

    > Wenn Du in ein Schwarzes Loch fällst …

    Der Ärger fängt schon vorher an: Pasta la vista, baby

  5. #5 Adam
    Berlin
    13. Oktober 2020

    @Karl-Heinz

    Das verstehe ich nicht, in meinen Augen widerspricht sich das.

    Zeit ist Progression, Stillstand der Zeit ist ein Ende jeder Progression. Doch es ist ein letzter, progressiver Schritt nötig, um die Nicht-Progression zu erreichen.

    Von dem ewigwährenden, bzw. niemals-währenden Dauerzustand der Nicht-Progression einer Singularität aus betrachtet kann das nicht passieren – weil es eine Progression wäre, die es niemals gab, niemals geben wird, niemals geben kann – weil es eben nicht niemals sein könnte, sondern irgendwann, ein Irgendwann aber in einem Niemals nicht existiert. Es wäre eine Veränderung in einem Zustand permanenter Homogenität, der genau durch diesen Akt der Veränderung jene zerstören würde.

    Soviel wir wissen war eine solche Veränderung in einem Zustand permanenter und isotroper Homogenität nicht nur der Grund für den Urknall, sondern auch der erste Moment, der Beginn des Tickens der Zeit, weil damit Entropie begann, die Ordnung der Singularität sich auflöste. Was ich ebenfalls nicht verstehe, denn auch dieses allererste “anders” in einem Meer von “gleich” war eine Progression. Wenn also diese Progression Zeit überhaupt erzeugte, während sie als Akt selbst Zeit brauchte, die es aber nicht gab, weil sie diese erst erzeugen würde, wird es für mich unverständlich. Es ist genauso wie Baron Münchhausen, der sich an seinem eigenen Schopfe aus dem Wasser zog.

  6. #6 Karl-Heinz
    14. Oktober 2020

    @Adam

    Am Besten du guckst dir das unten angeführte Bild an. Da kann man sehr gut erkennen, warum Progression der Zeit nicht zum Widerspruch führt. Ich hoffe du weißt, was ein Lichtkegel und seine Bedeutung ist.
    https://images.app.goo.gl/vTFziUHn2CZP8dg19

  7. #7 Karl-Heinz
    14. Oktober 2020

    Upss
    Sollte jetzt funktionieren.
    https://images.app.goo.gl/gJEtccpezLqbgP1w7

  8. #8 Max
    14. Oktober 2020

    Naja, wenn die Zeit bei immer stärkerer Raumzeitkrümmung immer langsamer wird (für einen externen Beobachter), dann ist ja klar, das eine Singularität unendlich lange bräuchte um zu entstehen. Wenn es aber die Hawking-Strahlung gibt, dann ist das SL in endlicher Zeit zerstrahlt…oder nicht? WENN man also in ein SL fallen würde (und es überleben würde wie auch immer…), dann würde man irgendwann nach Trillionen Trillionen Trillionen Jahren wieder herauskommen. Merken würde man davon natürlich nichts, weil das Universum bis dahin den Kältetod gestorben ist und es nichts mehr gibt woran man erkennen würde “wieder da” zu sein, ähnlich wenn man 99,999999999% der Lichtgeschwindigkeit erreichen und wieder stoppen würde.
    q.e.d. oder zu einfach gedacht? ^^

  9. #9 Karl-Heinz
    15. Oktober 2020

    @Max

    Naja, wenn die Zeit bei immer stärkerer Raumzeitkrümmung immer langsamer wird (für einen externen Beobachter), dann ist ja klar, das eine Singularität unendlich lange bräuchte um zu entstehen.

    Na ja, ganz stimmt das nicht.
    Wenn ein Stern kollabiert, dann wird von Innen nach Außen ein Ereignishorizont aufgezogen und das ziemlich schnell. Schmeiße ich dich dagegen in ein Schwarzes Loch (SL), so wirst du aus meiner Sicht den Ereignishorizont nie überschreiten. Da sich das SL durch die Hawking-Strahlung auflöst,könnte ich jetzt behaupten, dass du nie Teil der echten Singularität sein wirst. Du behauptest natürlich genau das Gegenteil, nämlich dass du sehr wohl Teil der echten Singularität sein wirst, deren Logik auch ich folgen kann.
    So ein Mist, dass ja ist ein kleiner Widerspruch, auf die ich keine Antwort habe.

  10. #10 Adam
    Berlin
    15. Oktober 2020

    @Karl-Heinz:

    Tut mir leid, aber ich erkenne anhand der Lichtkegelgrafik nicht, warum das Zeitprogressions-Paradoxon keines sein sollte. Wie kann ein zeitlicher Vorgang – und sei er noch so kurz und schnell – in einer per definitionem Zeitlosigkeit erfolgen? Das wird für mich auch durch Einsteins zeitliche Relativität nicht deutlicher.

    Und noch weniger beantwortet es meine Frage, warum die Mehrheit der Wissenschaftler davon überzeugt ist, dass Singularitäten nicht existieren – wenn ein Schaubild mit einer Singularität darauf die Antwort sein sollte 😛

  11. #11 Karl-Heinz
    15. Oktober 2020

    @Adam

    Tut mir leid, aber ich erkenne anhand der Lichtkegelgrafik nicht, warum das Zeitprogressions-Paradoxon keines sein sollte. Wie kann ein zeitlicher Vorgang – und sei er noch so kurz und schnell – in einer per definitionem Zeitlosigkeit erfolgen? Das wird für mich auch durch Einsteins zeitliche Relativität nicht deutlicher.

    Mit den Lichtkegeln wollte ich nur zeigen, dass deine Weltlinie endet, wenn du in das Schwarze Loch fällst. Mit Weltlinie enden, meine ich jetzt nicht, dass du stirbst. 😉

    Und noch weniger beantwortet es meine Frage, warum die Mehrheit der Wissenschaftler davon überzeugt ist, dass Singularitäten nicht existieren – wenn ein Schaubild mit einer Singularität darauf die Antwort sein sollte

    Meinst du nicht, dass Unendlichkeiten ein bisschen störend sind? Wenn du die weg bekommst, bist der King schlecht hin. 😉

  12. #12 Adam
    Berlin
    16. Oktober 2020

    @ Karl-Heinz

    Ende der Weltlinie:
    Roger, soweit kapiert. Ich kapiere “nur” nicht, wie es soweit überhaupt kommen kann.

    Der King:
    Darum geht`s? 🙂 Also mir nicht. Ich finde das Thema interessant, ich bewundere die geistige Akrobatik-Leistung derer, die das beruflich machen, ich lerne gerne dazu und denke nicht, dass ich die Weisheit mit Löffeln gefressen hätte. Wozu sonst auch dazu lernen?

    Allerdings mache ich mir natürlich auch so meine Gedanken und würde einfach gerne verstehen, statt glauben zu müssen. Wenn ich aber nicht(s) verstehe (was selbstredenderweise auch einfach an mir liegen kann, vlt. bin ich zu blöd, würde mich bei dem Thema eh nicht wundern), dann bleibt mir ja nix anderes übrig, als es hinzunehmen. Also ein Synonym für “glauben”. Unbefriedigend :/

    Unendlichkeiten, gedachte und reelle:

    Wenn ich zwei Geraden auf einem Blatt Papier kritzele, die sich schneiden, dann weiss ich aus dem Matheunterricht von anno dazumal, dass sie das in genau einem Punkt tun. Nur einem, nicht zwei, nicht null. Und ich weiss, dass dieser Punkt eine Dimensionslosigkeit ist (nullte Dimension, richtig?). Er ist beliebig klein. Beliebig heisst unendlich klein. Also ist dieser Punkt eine Singularität (lassen wir mal den Zeitfaktor aus Vereinfachungsgründen weg).

    Ja – aber nur im Formalismus der Mathematik. In der physischen Realität ist das wohl nicht einfach nur ein einziges Atom eines Stoffes, der hier als Farbe diente. Doch selbst wenn es nur ein Elektron-Neutrino wäre, ein ultraleichtes und winziges Lepton, ein Elementarteilchen, wäre es immer noch sehr viel mehr als nichts, sehr viel größer als ein Punkt einer echten Singularität.

    Was logisch ist, sonst könnte ich Kernfusion easy betreiben, indem ich einfach sich kreuzende Geraden auf Papier kritzelte, früher oder später würden da schon zwei Kerne zu einem verschmelzen, oder auch mehrere. Anhand der Tatsache, dass ich dabei noch nie eine thermonukleare Explosion er- und nicht überlebte, sehe ich, dass dem nicht so ist 😛 Dass die echte Realität komplexer ist, für sowas hohen Druck und schnelle Teilchen und zusätzlich noch Quantentunneleffekte braucht. Leistet mein Bleistift alles nicht, halt Low-Tech, genau wie bei der Singularitätssache. Also gibt es bei diesem Vorgang keine Singularität und der kreuzende Punkt ist nur ein gedachter – in der echten Welt. In der Mathematik ist da eine ohne Probleme.

    Umgekehrt:
    Übertrage ich diese “Erfahrung” auf alles, dann komme ich zu dem Schluss, dass es keine Singularität am Anfang hat geben können. Doch ohne diese kein Urknall – oder doch? War das die Sache mit Ring-Singularitäten und der Quantenschleifengravi? Nee, ich glaub, da bringe ich was durcheinander.

    Alles nicht so einfach 🙂
    Egal, ich brauche jetzt einen Kaffee!

  13. #13 Karl-Heinz
    16. Oktober 2020

    @Adam

    Ende der Weltlinie:
    Roger, soweit kapiert. Ich kapiere “nur” nicht, wie es soweit überhaupt kommen kann.

    Ein Singularität im Zentrum wäre ja nicht so schlimm. Man könnte sie ja einfach aus der Betrachtung ausklammern, wenn da nicht die blöde Tatsache wäre, dass die Teilchen unweigerlich auf die Singularität zutreiben. Dann könnte man versuchen die Singularität durch eine glatte Funktion zu ersetzen. Da aber die Feldgleichungen von Einstein stark nichtlinear sind, muss man damit rechnen, dass Terme höherer Ordnung nicht nur vernachlässigt werden können, sondern selbst zu einer Singularität führen. Man wird die Singularität im Zentrum des SL also nicht so einfach los.
    Das ist jetzt meine persönliche Meinung. Ob das Ganze jetzt wirklich so ist, wie ich mir das vorstelle? Vielleicht weiß jemand mehr darüber.

  14. #14 Jan
    16. Oktober 2020

    @Adam:
    Vielleicht ist nicht klar, was genau mit dem Begriff “Singularität” gemeint ist. Eine Singularität ist nicht einfach nur ein Punkt. Punkte gibt es in der allgemeinen Relativitätstheorie viele; mathematisch gesehen besteht die Raumzeit aus Punkten. Eine Singularität ist ein Punkt, an dem bestimmte Größen wie z.B. Krümmung, Dichte, Druck, Temperatur salopp gesagt unendlich groß/klein werden.

    Aber unendlich (egal ob mit Vorzeichen oder ohne) ist kein zulässiger Wert. Nur reelle Zahlen sind erlaubt (manchmal auch komplexe Zahlen oder andere komplexere Objekte), und unendlich ist keine reelle Zahl. D.h. die Gleichungen haben an einer solchen Stelle schlicht keine Lösung.

    Aber im realen Universum gibt es diese Stelle ja (wenn man mal von der Möglichkeit absieht, dass das Universum dort tatsächlich ein Loch hätte), und damit müssen entsprechend den grundlegenden Annahmen der Theorie auch Größen wie die Krümmung dort einen Wert haben. In gewissem Sinn widerspricht sich die Theorie hier selbst. Und das heißt, dass die Theorie keine vollständige Beschreibung der Realität sein kann.

  15. #15 Spritkopf
    16. Oktober 2020

    @Jan

    Was ist dann der Konsens unter Physikern (soweit man überhaupt von einem Konsens sprechen kann)? Dass die im Schwarzen Loch versammelte Materie doch irgendeine Ausdehnung hat und durch einen uns unbekannten Mechanismus vom weiteren Ineinanderstürzen abgehalten wird?

  16. #16 Karl-Heinz
    16. Oktober 2020

    @Spritkopf

    Jan hat es sehr schön erklärt.

    In gewissem Sinn widerspricht sich die Theorie hier selbst. Und das heißt, dass die Theorie keine vollständige Beschreibung der Realität sein kann.

    Singularität, sofern sie nicht eliminiert werden kann, sind nicht Teil der Raumzeit. Damit ist keine vollständige Beschreibung mehr möglich. Die Physiker sagen dann auch, dass hier bei der Singularität die Physik zusammenbricht. Ich persönlich gehe auch davon aus, dass der Raum und die Zeit irgendwie quantisiert sind. Dann hat man meiner Meinung nach nicht mehr das Problem mit der Unendlichkeit. Das ist halt meine Meinung und ich sage auch dazu die eines Laien.

  17. #17 Karl-Heinz
    16. Oktober 2020

    Und dann sollte man sich auch das zu Herzen nehmen.
    http://backreaction.blogspot.com/2020/09/what-is-singular-limit.h

  18. #18 Karl-Heinz
    16. Oktober 2020
  19. #19 Jan
    16. Oktober 2020

    @Spritkopf:
    Ich weiß nicht, ob es da einen Konsens gibt; ich arbeite auch nicht auf dem Gebiet.
    Persönlich könnte ich mir vorstellen, dass die Raumzeit auf der mikroskopischen Skala keine glatte Mannigfaltigkeit ist, und dass sich dadurch eine Grenze für den Kollaps ergibt (wenn das überhaupt eine sinnvolle Aussage ist). Aber das ist nur eine persönliche Meinung und basiert auf so gut wie nichts, schon gar nicht auf experimenteller Evidenz. Und wie genau das funktionieren soll, ist ja auch nicht klar (vom Grundprinzip her finde ich Spinschäume ganz interessant, aber das muss nichts heißen).

  20. #20 Adam
    Berlin
    21. Oktober 2020

    @Jan:

    Gab es da nicht in beiden Fällen Probleme, also wenn die RaumZeit quantisiert ist und wenn sie ein Kontinuum ist? Würde sie nicht sogar im Fall der Quantisiertheit Aspekte aus der Quantenwelt erben, die uns Kopfzerbrechen machen? Möglicherweise gibt es bei ihr dieselben Probleme, wie beim Licht (oder generell Quanten) und die RaumZeit hat keinen eindeutigen Charakter im Sinne einer vom Betrachter unabhängigen Objektivität. Also die Kopenhagener Deutung. Oder die RaumZeit ist nicht nur auf ein Universum beschränkt und / oder geht über in andere, also das Viele Welten Theorem. Oder wir verstehen sie einfach nicht.

  21. #21 Adam
    Berlin
    21. Oktober 2020

    @Jan:

    Sollte es so sein und Bohr und Heisenberg liegen richtig, dann gleich die nächste Frage: Was bedeutet dabei überhaupt der Begriff “Messung”? Oder alternativ Wechselwirkung, die zum Kollaps der Wellengleichung führt, wenn der antropische Nebenaspekt von “Messung” stört.

    Soviel ich weiss konnte man experimentell selbst bei Molekülen mit ein paar hundert Atomen Interferenzen im Doppelspaltexperiment feststellen. Wo ist also die Dekohärenz, die Grenze des Übergangs vom Mikro- in den Makrokosmos?

    Könnte es also am Ende sein, dass unser ganzes Verständnis davon, was Dinge eigentlich sind, was Raum und Zeit ist, fragwürdig wären, sodass wir letztlich gar keine Aussagen über die mögliche Existenz von Singularitäten machen könnten, da diese auf einem vergleichsweise einfachen Verständnis der Wirklichkeit beruhten, wodurch …

    Aber im realen Universum gibt es diese Stelle ja (wenn man mal von der Möglichkeit absieht, dass das Universum dort tatsächlich ein Loch hätte), und damit müssen entsprechend den grundlegenden Annahmen der Theorie auch Größen wie die Krümmung dort einen Wert haben. In gewissem Sinn widerspricht sich die Theorie hier selbst.

    … nicht zum Widerspruch führte, dafür aber …

    Und das heißt, dass die Theorie keine vollständige Beschreibung der Realität sein kann.

    … sowas von ins Schwarze träfe, einfach deswegen, weil das reale Universum in einem ganz anderen Sinne real wäre, als wir das bisher dachten? Also genauer gesagt unser Verständnis davon, was real ist kein realitätsnahes wäre? Wäre ja nicht das erste Mal, man denke an Einstein.

    Wäre es nicht sogar zwingend nötig, da schon ein Schwarzes Loch mit seinen nur drei Eigenschaften Ladung, Drehimpuls, Masse wie ein aufgeblasenes Quantum wirkt und dessen kompaktes Herz gewissermassen den Quarks in einem Atomkern ähnelt?

    Wir kommen da in Bereiche des Allerkleinsten, brauchen also die Quantenmechanik. Gleichzeitig werden wir dort Opfer von Gravitation, brauchen also Relativitätstheorie. Beides zusammen funktioniert nicht, also fehlt noch etwas.

    Unterm Strich sieht das für mich also so aus, als ob man gar keine Aussagen über Singularitäten machen könnte. Kann sie geben, kann sie nicht geben, kann auch ganz anders sein, sogar unsere Vorstellung und Defitnition selbst kann ganz falsch sein. Oder nicht?

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