Gestern wurde gewählt, der neue Bundestag in Deutschland; die Landesregierungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern und auch die von Oberrösterreich. Und wenn wir uns vorerst mal auf die wichtigste Wahl konzentrieren, dann können wir festhalten, dass eine solide Zweidrittelmehrheit dafür gestimmt hat, dass man das mit dem Klimaschutz jetzt nicht unbedingt allzu ernst nehmen muss. Und das ist nicht nur deprimierend, das ist vor allem ziemlich katastrophal. Wir scheinen immer noch zu glauben, wir könnten die Sache mit dem Klima langsam angehen. Nur nichts überstürzen und die Wirtschaft darf man ja auch nicht zu sehr beanspruchen und verbieten schon gar nichts und die ganzen Kinder sollen doch bitte in die Schule gehen und was lernen anstatt durch die Straßen zu laufen und sich wichtig zu machen… Und außerdem haben wir ja eh schon so viele schöne Klimaschutzintiativen und Absichtserklärungen.
Nur dass wir eben keine Zeit mehr haben und das, von dem wir behaupten es tun zu wollen, bei weitem nicht ausreicht, um die Klimakrise abzuwenden! Was das angeht, ist die Wissenschaft ziemlich eindeutig. Ich kann allen nur einen Blick auf den Climate Action Tracker empfehlen. Da werden die Maßnahmen zum Klimaschutz der Länder dieser Welt bewertet und eingeordnet. Das Resultat ist ernüchternd. Wenn die Welt all das umsetzt von dem sie versprochen hat, es umzusetzen, dann landen wir im Jahr 2100 bei einer Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur von 2,4 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Das liegt deutlich über dem eigentlich Ziel, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken. Und das war nur die Analyse der Absichtserklärungen! Schaut man sich an, was tatsächlich getan wird, dann wird die Erwärmung bei +2,9 Grad liegen (mit einer Schwankungsbreite von 2,1 bis 3,9 Grad). Wir halten uns nicht nur nicht an das, was wir versprochen haben. Das, was wir versprochen haben, ist sowieso unzureichend! Das gilt für Deutschland, das gilt für alle anderen Länder der Welt – mit Ausnahme von Gambia. Aber Gambia alleine kann die Welt leider nicht retten…
Ja, aber 2100 – das ist doch noch wahnsinnig lange hin! Mag sein – aber so lange auch wieder nicht. Die Kinder, die jetzt in die Grundschule gehen, haben alle sehr gute Chancen, das Jahr 2100 noch zu erleben. Alle Kinder, die jetzt und in Zukunft geboren werden, haben noch viel größere Chancen. Und die Klimakrise ist ja nichts, was hinter dem Busch wartet und am 1. Januar 2100 plötzlich hervorspringt und “Buh!” ruft. Die findet auch vorher schon statt. Jetzt nämlich. Ich bin jetzt 44 Jahre alt und es ist jetzt nicht wahnsinnig unrealistisch darauf zu hoffen, vielleicht noch meinen 85. Geburtstag zu erleben. Das wäre im Jahr 2062 und damit mitten dort, wo die Wissenschaft schon ihre “mid-term”-Prognosen ansiedelt und wo klimamäßig sehr unangenehme Dinge passieren können.
Wir können das Klima nicht mehr besser machen; ein “so wie früher” wird es hier nicht geben – auch hier sind die Aussagen der Wissenschaft eindeutig. Aber wir können immer noch bestimmen, wie schlimm es werden wird. Diese Handlungsmacht sollten wir definitiv nicht aus der Hand geben. Und wem die eigene Zukunft egal ist; wem egal ist, wie die nächste(n) Generation(en) auf diesem Planeten leben; wer tatsächlich nur an “die Wirtschaft” denkt: Auch dann lohnt sich das Engagement für Klimaschutz. Und ja, der ist teuer. Wir hätten Klimaschutz billig haben können, aber diesen Zeitpunkt haben wir schon längst ungenutzt verstreichen lassen. Jetzt wird es viel Geld kosten, aber was noch mehr kosten wird, ist Inaktivität!
Auch dazu gibt es (aktuelle) Forschung: Nimmt man ein realistische Modell zur Beschreibung der Auswirkungen von durch die Klimakrise verursachten Schäden, dann wird das globale Bruttoinlandsprodukt bis zum Jahr 2100 um fast 40 Prozent zurückgehen (und im Worst-Case-Szenario um mehr als 50 Prozent). Wer wirklich dafür sorgen will, dass Deutschland (Österreich/Schweiz/etc) auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt, MUSS Klimaschutz betreiben.
Genau deswegen sind die diversen Wahlergebnisse des Wochenendes so deprimierend. Es wird wieder mal ein “weiter so” werden; wir werden auch in den nächsten Jahren nichts tun, was wirklich nötig wäre. Es wird wieder gewartet werden, abgewogen werden; es wird nach “Kompromissen” gesucht werden. Als könnte man mit der Klimakrise irgendwelche Kompromisse schließen! Angesichts der Klimakrise kann man nur kompromisslos sein! Die Klimakrise ist das Thema, an dem sich alle Politiker und Politikerinnen messen lassen müssen und ich sehe nirgendwo eine Person, die dabei nicht für zu leicht befunden wird.
Kommentare (154)